Runter vom Gas!

Sport nach COVID-19: Herz in Gefahr

Rosenheim - 29.01.2021, 10:45 Uhr

Befällt SARS-CoV-2 Myozyten, löst das Virus einen direkten myokardialen Schaden aus. (Foto: RFBSIP / stock.adobe.com)

Befällt SARS-CoV-2 Myozyten, löst das Virus einen direkten myokardialen Schaden aus. (Foto: RFBSIP / stock.adobe.com)


Eine Myokarditis ist eine ernstzunehmende Komplikation von COVID-19. Doch selbst asymptomatische oder nur milde Verläufe schließen eine Herzbeteiligung nicht pauschal aus. Betroffene sollten deshalb auf Warnsignale achten und nur langsam wieder in den Sport einsteigen.

Mit etwa 2,1 Millionen bestätigten Fällen steckt Deutschland mitten in der zweiten Welle der Corona-Pandemie. Doch selbst wenn die Infektion ausgestanden ist, kommen manche Patient:innen nicht richtig auf die Füße. Dann sollten Ärzt:innen an eine mögliche Herzbeteiligung denken. Was nach einer COVID-19-Erkrankung vor Wiederaufnahme des Sports zu beachten ist und welche Symptome stutzig machen, darum ging es am 27. Januar in der sportkardiologischen Online-Fortbildung des Klinikums rechts der Isar in München mit Experten aus München, Berlin und Bad Wiessee.

COVID-19 hinterlässt Spuren am Herzen

„COVID-19 hat eine ganze Reihe von Effekten auf das kardiovaskuläre System“, erklärt Oberarzt Dr. Fritz Wimbauer. „Angefangen von Herzrhythmusstörungen übergehend zu Herzmuskelentzündungen und Kardiomyopathie, aber auch zum akuten Koronarsyndrom und Herzinfarkt.“ Für diese Auswirkungen gibt es verschiedene Pathomechanismen. Einerseits wandert SARS-CoV-2 in Perizyten sowie Endothelzellen ein und verursacht eine mikro- und makrovaskuläre Dysfunktion. Andererseits stellt die Inflammationsreaktion bis hin zum Zytokinsturm ein Problem dar. Dies kann zu Plaque-Instabilität mit akutem Koronarsyndrom und Myokardinfarkt oder zu einer Myokarditis führen.

Befällt SARS-CoV-2 Myozyten, löst das Virus einen direkten myokardialen Schaden aus. Infiltrieren dann auch noch aktivierte T-Zellen und Makrophagen die infizierten Myozyten, kommt es zur fulminanten Myokarditis. COVID-19 hinterlässt also auf vielfältige Wege seine Spuren am Herzen. In einer systematischen Echokardiografie-Studie bei kardialer Manifestation fanden Ärzt:innen am häufigsten eine rechtsventrikuläre Dilatation und Dysfunktion sowie eine linksventrikuläre Dysfunktion.

Myokarditis: Bei Sportlern unspezifische Beschwerden

Eine Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels, die akut oder chronisch verläuft. Sowohl eine Infektion mit beispielsweise Bakterien oder Viren als auch toxische oder autoimmunbedingte Ursachen sind möglich. Typischerweise äußert sich eine Herzmuskelentzündung durch Symptome wie Schmerzen in der Brust, Atemnot, Arrhythmie, Schwindel, Synkope oder Fatigue. Bei Athleten treten hingegen häufig nur sehr unspezifische Beschwerden auf. Diese klagen zum Beispiel über eine verminderte Muskelkraft, geringere Leistungsfähigkeit und Kopfschmerzen. Auch die Herzfrequenz kann in Ruhe wie auch unter Belastung um etwa fünf bis zehn Schläge höher ausfallen als sonst.

Nach COVID-19-Erkrankung: Myokarditis verursacht nur leichte Beschwerden

Professor Martin Halle berichtet, dass sich seine Ambulanz nun zunehmend mit Patienten füllt, die eine COVID-19-Infektion durchgemacht haben, sich im Anschluss jedoch nicht belastbar fühlen. Er ist ärztlicher Direktor des Zentrums für präventive und rehabilitative Sportmedizin im Klinikum rechts der Isar. Auch der Kardiologe Professor Carsten Tschöpe der Charité Berlin teilt seine Erfahrung. „Sie haben keine Gliederschmerzen mehr, merken aber, dass sie die Treppe nicht mehr hochkommen.“ Laut Tschöpe tritt die Myokarditis vor allem in der Post-COVID-19-Phase auf. 

Die Mediziner sind sich einig, dass diese nicht dem klassischen Bild einer Myokarditis entspricht, wie sie beispielsweise durch Coxsackie-Viren ausgelöst wird. Stattdessen verursacht sie oft nur leichte Beschwerden. Damit gefährdet sie insbesondere Sportler. Denn eine unentdeckte Entzündung des Herzmuskels verursacht bis zu 8 Prozent der kardiovaskulären Todesfälle bei Athleten – Fälle, die eigentlich verhindert werden könnten.

Leider schließen ein unauffälliges Blutbild und EKG eine Myokarditis nicht aus. Diese ist nicht einfach zu diagnostizieren. High-sensitive Troponin-T, ein spezifischer Blutmarker für Herzschäden, ist beispielsweise nur bei etwa 5 Prozent der Betroffenen erhöht. Zahlreiche Patient:innen zeigen erst im Belastungs- oder Langzeit-EKG Auffälligkeiten. Für die weitere Diagnostik steht neben der Echokardiographie die MRT-Aufnahme zur Verfügung. Sie ist Goldstandard der nicht invasiven Diagnostik. Auch hier zeigt sich jedoch nicht das klassische Bild mit zum Beispiel Nekrose. Stattdessen treten nach COVID-19 häufig nur diskrete Veränderungen wie ein schwach ausgeprägtes Ödem oder leichte Entzündungszeichen auf, die gerade bei Profisportlern schwer zu befunden sind. In solchen Fällen lohnt es sich, eine zweite Meinung einzuholen.

Ist eine subklinische Myokarditis ein Risikofaktor für plötzlichen Herztod?

Obwohl die Diagnose mittels MRT nach klaren Kriterien gestellt wird, diskutiert die Fachwelt heiß über die Relevanz und Beurteilung. Denn bis heute ist unklar, ob eine subklinische Myokarditis bei asymptomatischen Patienten einen Risikofaktor für den plötzlichen Herztod darstellt. Auch Langzeitfolgen können zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden, eine Prognose ist schwierig. Kardiologen tasten sich weltweit erst langsam an dieses neue Krankheitsbild heran. In der Regel folgt auf die Diagnose Myokarditis eine sechsmonatige strikte Sportpause. Danach empfiehlt sich eine erneute gründliche Untersuchung mit Labor, beispielsweise Langzeit- und Belastungs-EKG oder Bildgebung, um auf der sicheren Seite zu sein.

Studienlage sehr heterogen

Wie oft Schäden am Herz auftreten, ist unklar. Für Aufsehen sorgte eine viel diskutierte Studie der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie stellte mittels MRT bei 78 Prozent der Erkrankten eine Herzmuskelbeteiligung und bei 60 Prozent eine Entzündung fest. In diese Kohortenstudie wurden 100 Patient:innen mit durchgemachter COVID-19-Infektion eingeschlossen, von denen zuvor ein Drittel stationär behandelt wurde. Neuere Untersuchungen kommen auf deutlich niedrigere Zahlen. So wurde in einer Studie mit 26 mild- bis asymptomatischen Athlet:innen bei knapp 15 Prozent eine Myokarditis diagnostiziert. Diese waren jedoch allesamt EKG- und Troponin-unauffällig. Eine andere Veröffentlichung schloss 145 Wettkampf-College-Athleten nach ebenfalls asymptomatischer beziehungsweise mild verlaufener COVID-19-Infektion ein und konnte nur bei 1,5 Prozent eine Myokarditis nachweisen. Alles in allem ist die Studienlage also sehr heterogen. Grund hierfür ist sicherlich, dass das Krankheitsbild erst seit acht Monaten bekannt ist. Andererseits schließen die Studien vergleichsweise wenige und häufig hospitalisierte Patienten ein. Denkbar ist außerdem, dass gar eine andere Form der Myokarditis vorliegt – wie etwa als temporäres Phänomen, das womöglich wieder verschwindet. Kurzum: Es bleiben viele Fragen offen.

Bei Corona-Infektion auf Sport verzichten

Grundsätzlich ist Sport mit einem positiven Corona-Test daher erst einmal tabu. Bei asymptomatischen Patienten sollte mindestens für zwei Wochen auf Sport jeglicher Art verzichtet werden. Verlief die Infektion mit leichten Beschwerden wie Fieber oder Gliederschmerzen, empfehlen Expert:innen mindestens zwei bis vier Wochen Pause. Treten bei körperlicher Belastung Symptome auf, sollten diese unbedingt ärztlich abgeklärt werden. Das Wichtigste ist also, dass Betroffene gut auf ihren Körper hören und die Infektion nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Tschöpe ist der Meinung, dass eine kardiale Beteiligung insgesamt nicht so häufig und noch seltener bei Patient:innen auftritt, die nur einen milden COVID-19-Verlauf hatten. Er betonte, dass diejenigen, die es haben, jedoch keinesfalls übersehen werden dürfen. Bei Athlet:innen rät der Mediziner vor Aufnahme des Sports daher sogar grundsätzlich zu einer Untersuchung. Die Basisdiagnostik umfasst in der Regel ein Ruhe-EKG sowie Blutbild und wird symptombezogen erweitert. Das gilt ebenso für asymptomatische COVID-19-Infektionen wie auch für ambitionierte Freizeitsportler:innen. Profi-Eishockeyspieler Janik Möser hatte so Glück im Unglück: Nach einer mild verlaufenen Coronainfektion zeigte sein Belastungs-EKG Auffälligkeiten. Ein Kardiologe diagnostizierte anschließend die Herzmuskelentzündung. Eishockey ist damit für die nächsten Monate verboten. Erlaubt ist stattdessen regeneratives und Rehabilitationstraining. Gegen gemütliches Radfahren oder Spaziergänge spricht also nichts.

Schrittweise die Trainingsfrequenz und Intensität erhöhen

Wie man nach einer Sportpause wieder einsteigt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Welche Symptome sind aufgetreten? Lagen kardiale oder pulmonale Symptome wie eine Lungenentzündung vor? Grundsätzlich gilt klar die Devise: Runter vom Gas! Zunächst sollte leichtes Beweglichkeits-, Koordinations- und Stabilisierungstraining im Vordergrund stehen. Sowohl Trainingsfrequenz als auch -intensität dürfen nur langsam gesteigert werden. Sportler:innen müssen außerdem unbedingt eine ausreichende Regenerationszeit nach einem entsprechenden Trainingsreiz einhalten. Im Anschluss könne dann gemächlich die Grundlagenausdauer wieder aufgenommen werden. Nichtsdestotrotz leistet Sport einen großen Beitrag zur psychischen wie auch physischen Gesundheit. Regelmäßiges Ausdauertraining stärkt darüber hinaus das Immunsystem und senkt nachgewiesen das Risiko für virale Infektionen.



Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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