Beim Zahnarzt nachgefragt

Bei Zahnschmerzen immer Ibuprofen & Co.?

Stuttgart - 06.01.2021, 17:55 Uhr

Ist Ibuprofen bei Zahnschmerzen das beste Schmerzmittel? (Foto: Gekon / stock.adobe.com)

Ist Ibuprofen bei Zahnschmerzen das beste Schmerzmittel? (Foto: Gekon / stock.adobe.com)


Nicht immer gehen Patienten mit Zahnschmerzen direkt zum Zahnarzt. Häufig fragen sie in der Apotheke nach geeigneten Schmerzmitteln, die ihre Zahnschmerzen lindern. Welches Analgetikum eignet sich, um die Zeit bis zum Zahnarzt zu überbrücken? Ist Ibuprofen das Mittel der Wahl oder könnten Apotheker nicht auch Diclofenac empfehlen? DAZ.online hat für Sie beim Zahnarzt nachgefragt.

Zur Behandlung von Zahnschmerzen in der Selbstmedikation werden primär nicht-opioide Analgetika eingesetzt. Ibuprofen gilt hier als Mittel der Wahl bei Zahnschmerzen. Es wirkt stärker analgetisch und im Gegensatz zu Paracetamol auch antiphlogistisch. Die zusätzliche antiphlogistische Wirkung kann bei Zahnschmerzen hilfreich sein. Epidemiologischen Untersuchungen zufolge hat Ibuprofen von allen NSAR das geringste relative Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen. Laut Embryotox ist Ibuprofen (neben Paracetamol) das Mittel der Wahl in den ersten zwei Dritteln der Schwangerschaft (bis zur 28. SSW) sowie in der Stillzeit. Erst jüngst empfahl jedoch die FDA, NSAR ab der 20. Schwangerschaftswoche zu meiden

Ibuprofen oder Ibuprofen-Lysinat?

Die Einzeldosis in der Selbstmedikation liegt bei 200 bis 400 mg, die Tageshöchstdosis bei 1.200 mg über einen Zeitraum von maximal vier Tagen. Reines Ibuprofen ist im Magen schlecht löslich und erreicht ungefähr 90 Minuten nach der Einnahme den maximalen Plasmaspiegel. Bei Ibuprofen-Lysinat wird die maximale Plasmakonzentration durch eine bessere Löslichkeit schneller erreicht, was eine wichtige Voraussetzung für einen schnelleren Wirkungseintritt darstellt. Für einen schnelleren Wirkeintritt sind Arzneimittel mit 400 mg Ibuprofen und unterschiedlich hohen Dosierungen an Lysin-Salz erhältlich. Beispielsweise entsprechen 683,47 mg Ibuprofen-Lysinat 400 mg Ibuprofen.

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Die Anwendung in der Selbstmedikation ist laut Packungsbeilage ebenfalls auf höchstens 1.200 mg täglich über vier Tage begrenzt. Natürlich sind auch die üblichen Kontraindikationen und Wechselwirkungen zu beachten, zum Beispiel mit ASS 100, dessen Wirkung durch Ibuprofen gemindert werden kann und dessen Einnahme mindestens versetzt erfolgen sollte. Kontraindiziert sind Ibuprofen und Substanzen dieser Gruppe außerdem bei Magen-Darm-Ulzera, Asthma bronchiale, schwerer Leber- und Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, hämorrhagischer Diäthese sowie im dritten Trimenon einer Schwangerschaft.

Warum kein ASS?

Acetylsalicylsäure (ASS) wird bei Zahnschmerzen nicht empfohlen. Denn bereits durch die einmalige Gabe wird durch die COX-Hemmung die Thrombozytenaggregation gehemmt. Da die COX-Inhibition durch ASS im Gegensatz zur Hemmung durch Diclofenac oder Ibuprofen irreversibel ist, hält der Effekt und somit die erhöhte Blutungsneigung mehrere Tage an, so lange, bis neue Thrombozyten ausgereift sind. Das ist ungünstig, sowohl vor als auch nach zahnmedizinischen Eingriffen.

Diclofenac – mehr Potenzial als erwartet?

Diclofenac wirkt im Vergleich zu Ibuprofen in vergleichbarer Dosierung stärker analgetisch, wird bei Zahnschmerzen aber seltener eingesetzt. Es kann als Analgetikum in den ersten beiden Dritteln der Schwangerschaft verwendet werden. Besser erprobt ist jedoch Ibuprofen. Letzteres ist wie schon erwähnt auch NSAR der Wahl in der Stillzeit. Bei gelegentlicher Einnahme oder kurzfristiger Therapie ist laut Embryotox jedoch auch Diclofenac akzeptabel. Im OTC-Bereich wird Diclofenac in einer Dosierung von 12,5 bis 25 mg bis zu einer maximalen Tagesdosis von 75 mg eingesetzt. Auch hier ist die Anwendung laut Packungsbeilage auf vier Tage begrenzt.

Paracetamol – nicht ausreichend wirksam?

Der Wirkungsmechanismus von Paracetamol ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Es ist ZNS-gängig und soll dort die Prostaglandin-Synthese hemmen. Im entzündeten Gewebe und in der Peripherie wird eine Konzentration, die für eine klinisch relevante COX-Hemmung erforderlich wäre, nicht erreicht. Dementsprechend wirken diese Substanzen zwar analgetisch und antipyretisch, aber nicht ausreichend antiphlogistisch. Dies stellt bei Schmerzen, die mit Entzündungen einhergehen, wie Zahnschmerzen, einen gewissen Nachteil gegenüber den NSAR dar. Die Einzeldosis Paracetamol bei Lebergesunden beträgt 500 bis 1.000 mg, die maximale Tagesdosis darf 4 g (bzw. 60 mg/kg KG) nicht überschreiten. Das Dosierungsintervall darf vier Stunden nicht unterschreiten. Die typischen NSAR-Nebenwirkungen wie gastrointestinale Komplikationen oder eine erhöhte Blutungsneigung sowie eine Erhöhung des kardiovaskulären Risikos spielen bei der Einnahme von Paracetamol keine beziehungsweise nur eine geringere Rolle. Paracetamol kann in der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden. Ein großer Nachteil von Paracetamol ist zum einen die geringe therapeutische Breite. Außerdem wirkt Paracetamol bei Überdosierung hepatotoxisch. Bei Lebergesunden führen Dosen ab etwa 10 g, also dem 2,5-Fachen der maximalen Tagesdosis von 4 g, unbehandelt zu tödlichen Leberzellnekrosen. Bei vorgeschädigter Leber (z. B. durch Alkohol) können schon therapeutische Dosierungen kritisch sein. Derzeit sind Packungen, die über 10 g Paracetamol enthalten, rezeptpflichtig.

Foto: privat
Dr. med. dent. Mona Fuchs ist Zahnärztin in Mahlberg.

Fragen an die Zahnärztin

DAZ.online: Wie kann man in der Apotheke echten Schmerz am Zahn/Nerv von Schmerzen am Zahnfleisch unterscheiden? 

Dr. med. dent. Mona Fuchs: Schmerzen am Zahn beziehungsweise am Zahnnerv und Schmerzen am Zahnfleisch sind sich oft sehr ähnlich. Einen ersten Hinweis darauf, um welche Form es sich handeln könnte, ist der Zeitpunkt der Schmerzen. Bei extrem starken Schmerzen vor allem gegen Abend und in der Nacht kann man am ehesten von „echten“ Zahnschmerzen bzw. Schmerzen am Zahnnerv ausgehen. Schmerzen am Zahnfleisch treten hingegen öfter beim Essen auf, zum Beispiel wenn harte Nahrung zerkleinert wird, oder auch beim Zähneputzen. Durch aktives Nachfragen können Apotheker so erste Aufschlüsse darüber bekommen, um welche Art von Zahnschmerzen es sich handeln könnte. 

Mit welchem Schmerzmittel kann man das Wochenende am besten überbrücken oder sollte man das überhaupt tun? 

Ein geeignetes Schmerzmittel zum Überbrücken bis zum Zahnarztbesuch sollte neben einer ausreichend analgetischen auch eine antiphlogistische Wirkung haben. Ibuprofen an erster Stelle, aber auch Diclofenac sind hierfür durch ihre Eigenschaften am besten geeignet. Starke Zahnschmerzen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie vom Zahn selbst bzw. vom Zahnnerv ausgehen, sollten aber nur wenige Stunden in der Selbstmedikation behandelt bzw. überbrückt werden. Sobald es dem Patienten möglich ist, sollte er auch am Wochenende den zahnärztlichen Notdienst aufsuchen, um ein ernstzunehmendes Geschehen, z. B. einen Abszess, auszuschließen. Ein Zahnabszess ist eine Erkrankung, bei der sich eine Eiteransammlung (Abszess) in den Zähnen, im Zahnfleisch oder im Knochen, der die Zähne fixiert (der Kiefer), bildet. Diese muss umgehend behandelt werden. Unterstützend zu einer analgetischen Erstversorgung kann auch die Anwendung von Kälte vor allem bei starken Schwellungen, aber auch zur Schmerzlinderung empfohlen werden. Von Wärmeanwendung wird abgeraten. Apotheker sollten die Patienten darauf hinweisen, dass Cool-Packs oder Eisbeutel keinen direkten Hautkontakt haben dürfen (Gefahr von Erfrierungen).



Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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