Arzneitee

Mit Tee kann man nichts falsch machen, oder doch?

Waren (Müritz) - 04.01.2021, 10:45 Uhr

(Foto: chamillew / stock.adobe.com)

(Foto: chamillew / stock.adobe.com)


So manch:e Apotheker:in tut sich schwer mit der nicht gerade durch Evidenz bestechenden Phytotherapie. Nur an Arzneitees scheint kaum jemand zu zweifeln. Bestenfalls tragen sie zur Genesung bei, klinisch relevante Wechselwirkungen sind mit Ausnahme von Johanniskraut nicht zu erwarten und obendrein wird der Körper mit Flüssigkeit versorgt. Getreu dem Motto „Schaden können sie ja nicht“ werden sie wohlwollend in den verschiedensten Indikationen unterstützend empfohlen. Ganz so unkritisch sollten Tees jedoch nicht abgegeben werden, denn nicht alle sind für alle geeignet. Und auch bei der Zubereitung kann einiges schief gehen.

Eine Anmerkung vorweg: Echter Tee wird bekanntlich aus Camellia sinensis (Theaceae) hergestellt. Der Begriff Tee für Aufgussgetränke aus Früchten und Kräutern ist jedoch längst im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen und wird einfachheitshalber im Folgenden verwendet. Reine ätherische Öle aus den genannten Arzneipflanzen sind ausdrücklich nicht gemeint! 

Auch Teekochen will gelernt sein

Der Hinweis, Arzneitees mit sprudelnd kochendem Wasser zu übergießen (Ausnahmen siehe unten) und so einen Infus zu erhalten, scheint zunächst banal, bestimmt aber maßgeblich die Qualität der Zubereitung. Den Siedepunkt von Wasser überlebt nämlich kaum ein Mikroorganismus im Naturprodukt Tee. Ein grober Richtwert für die Ziehzeit sind 5 bis 15 Minuten. Möchte man insbesondere Flavonoide (z. B. bei Birkenblättern oder Goldrutenkraut) herauslösen, lohnt es sich, ein bisschen länger zu warten. Enthält der Tee leicht flüchtige ätherische Öle, sollte er abgedeckt nur wenige Minuten ziehen. Ölhaltige Früchte wie Anis, Fenchel und Kümmel müssen zuvor angestoßen werden, außer sie befinden sich bereits zerkleinert und portioniert in einem Filterbeutel. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt davor, den aufgebrühten Tee zu lange stehen zu lassen, da sonst hitzestabile Sporen auskeimen können.

Die Ausnahmen mit kaltem Wasser

Einige Teedrogen sollten kalt angesetzt werden – etwa Schleimstoffdrogen wie Eibischwurzel, um deren wirksamen Inhaltsstoffe nicht durch Hitze zu zerstören, oder Bärentraubenblätter, um den Gehalt an magenschleimhautreizenden Gerbstoffen in der Zubereitung so gering wie möglich zu halten. Anschließend wird der Ansatz kurz erhitzt. Auch Drogenteile wie Rinden und Hölzer sollten zunächst in kaltem Wasser ziehen und erst dann zum Sieden gebracht werden (Dekokt). Handelt es sich um eine Teemischung, kommt man jedoch meist nicht um den Kompromiss herum, den Tee mit heißem Wasser zu überbrühen und zugedeckt einige Minuten ziehen zu lassen. 
Die Suche nach dem goldenen Mittelweg setzt sich bei folgenden relativen Kontraindikationen fort.

Cave Schwangerschaft

In der Schwangerschaft sollte Salbeitee wegen seiner wehenfördernden Tannine (z. B. Rosmarinsäure) und des potenziell neurotoxisch wirkenden Monoterpens Thujon vorsichtshalber gemieden werden. Pfefferminz- und Thymiantee dürfen, wenn überhaupt, nur in Maßen genossen werden, da auch hier ein Zusammenhang mit dem Auftreten von Gebärmutterkontraktionen besteht. Gänzlich verzichten sollten werdende Mütter auf Zubereitungen mit Süßholzwurzel, sei es Lakritz oder Tee. Das Saponin Glycyrrhizin steht im Verdacht, in sehr hohen Mengen das Risiko für eine Frühgeburt zu erhöhen und sich möglicherweise auch negativ auf die geistige Entwicklung des Kindes auszuwirken. Entwässernde Tees mit Brennnessel, Birkenblättern o. Ä. können gefährlich werden, weil sie dem Blut Wasser entziehen und das Thromboserisiko erhöhen, und sollten gemieden werden. Auch Abführtees mit Faulbaumrinde, Sennesblättern und -früchten, Aloe-Trockenextrakt oder Rhabarberwurzel sind keine gute Idee, da man sich über die Risiken für das ungeborene Kind noch nicht ganz im Klaren ist. 

Empfehlung: Schwangere können bedenkenlos Kräutertees mit Kamille sowie Früchte- und Roiboostee trinken, vorausgesetzt, es sprechen keine Unverträglichkeiten oder Allergien dagegen (siehe unten). Doch keine Teesorte sollte in dieser sensiblen Phase im Übermaß und ausschließlich getrunken werden. Viele Hebammen schwören um den Geburtstermin herum (etwa ab der 36. SSW) auf Himbeerblättertee, da man sich wehenanregende und durchblutungsfördernde Wirkungen verspricht. Gleiches gilt für Aufgüsse von Brombeerblättern, Schafgarbe, Eisenkraut, Kreuzkümmel, Wermutkraut und Frauenmantel, die jedoch nicht ohne ärztliche Rücksprache getrunken werden sollten.

Cave Stillzeit, Säuglinge und Kleinkinder

In der Stillzeit können Pfefferminz- und Salbeitee den Milchfluss hemmen. Sie sind daher nur zu empfehlen, wenn der Wunsch nach Abstillen besteht. Auch Hibiskusblüten, die Teemischungen häufig als Schmuckdroge beigemischt sind, wirken dem Stillen entgegen. Auf einige Früchtetees können Kinder mit Wundsein reagieren.

Empfehlung: Der Klassiker in der Stillzeit ist eine Mischung aus Fenchel, Anis und Kümmel, da diese ätherischen Öldrogen die Milchbildung anregen sollen. Wissenschaftliche Belege fehlen zwar, doch trägt allein schon der psychologische Effekt zur Wirkung bei. 

Für Säuglinge und Kleinkinder gilt dasselbe wie für die Mutter. Pfefferminztee sollte in den ersten Lebensmonaten vermieden werden, da das ätherische Öl, unter anderem Menthol, die Atmung behindern kann. Einige Experten empfehlen entsprechende Tees deshalb erst ab einem Alter von drei oder sogar vier Jahren, einige Hersteller geben ihn aufgrund des geringen Gehalts in der Teemischung dagegen schon im Säuglingsalter frei. 

Empfehlung: Besser geeignet für Kleinstkinder sind Tees mit Fenchel und Kamille. In vielen Beruhigungstees ist zudem Melisse enthalten, die allerdings nur in Maßen getrunken werden sollten. Dies gilt ebenso für Thymiantee, der bei Atemwegsbeschwerden frühestens ab etwa einem Jahr zum Einsatz kommen darf.  

Cave Pollenallergie

Ein Tee mit Kamillenblüten gilt als besonders mild und gut verträglich. Das kann ins Gegenteil umschlagen, wenn man allergisch gegen Asteraceen ist und beispielsweise auf Pollen von Gänseblümchen, Ringelblume und Chrysanthemen reagiert. Zu den Korbblütengewächsen zählen auch der Gemeine Beifuß (Artemisia vulgaris) und das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia), die als besonders allergen gelten. Noch komplizierter machen es mögliche Kreuzreaktionen mit Pfefferminz, Anis, Kümmel, Birke, Löwenzahn und Weide, die im individuellen Fall genau geprüft werden sollten. Ist eine Allergie gegen Vertreter der Familie der Malvaceae bekannt, sollte sicherheitshalber auch auf Teemischungen mit Hibiskus verzichtet werden. 

Empfehlung: Die sicherste Wahl ist Wasser. Allergikern kann leider keine Garantie gegeben werden, welchen Tee sie vertragen. Jegliche Sorte sollte zunächst mit Vorsicht probiert werden. Gute Erfahrungen haben Betroffene beispielsweise mit Himbeerblättern und grünem Tee gemacht. Auch Früchtetees können einen Option sein, wenn man auf Kräuter reagiert.

Cave Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Eine Histamin-Unverträglichkeit äußert sich durch Blähungen, Schmerzen, Durchfälle und/oder Ausschläge. Klassiker unter den zu meidenden Lebensmitteln sind Rotwein, Sauerkraut, lange gereifter Käse, Fisch und Wurst. Einige Teesorten behindern den Abbau von Histamin durch das Enzym Diaminoxidase, zum Beispiel schwarzer Tee oder Mate-Tee. Aber auch einige Arzneitees mit ätherischen Ölen werden häufig schlecht vertragen, darunter Anis, Pfefferminze und Thymian.

Empfehlung: Auch für Personen mit Histamin-Intoleranz gibt es keine „Allzwecklösung“. Jeder reagiert anders und muss selbst einen passenden Tee finden. Von Betroffenen persönlich empfohlen werden zum Beispiel Rosenblätter, Lavendel und Hagebutte.

Einfacher gestaltet sich die Wahl bei Fruktose-Intoleranz, da nur auf Früchtetees verzichtet werden muss. Laktose-Intoleranz spielt bei aromatisierten Teesorten mit Namen wie Erdbeer-Sahne eine Rolle, die jedoch keine Arzneitees sind. 

Auch Tees haben Kontraindikationen

Arzneitees sollten bei Beschwerden indikationsgerecht und nur über die empfohlene Anwendungsdauer eingesetzt werden. Der Zeitpunkt, auf evidenzbasierte Medizin zu wechseln, darf nicht verpasst werden. 
Besondere Vorsicht ist bei Zubereitungen mit bekannten unerwünschten Wirkungen bzw. Kontraindikationen geboten. So sollen Tees mit Süßholzwurzel ohne ärztliche Rücksprache nicht länger als vier bis sechs Wochen angewendet werden, da die Droge in hohen Dosen mineralcorticoide Effekte hat, die sich als Natrium- und Wasserretention sowie Kaliumverlust mit Bluthochdruck und Ödemen äußern können. Kontraindiziert ist Süßholzwurzel neben der Schwangerschaft auch bei cholestatischen Lebererkrankungen, Leberzirrhose, arterieller Hypertonie, Hypokaliämie und schwerer Niereninsuffizienz. 
Harntreibende Tees mit Bärentraubenblättern sollten wegen nierenreizender und potenziell kanzerogener Wirkungen nicht länger als eine Woche und nicht häufiger als fünfmal im Jahr angewendet werden. Gegenanzeigen sind Schwangerschaft, Stillzeit und Alter unter 12 Jahren. 
Gleiches spricht gegen Abführtees mit Anthrachinon-haltigen Drogen, die darüber hinaus auch nicht bei Bauchschmerzen unbekannter Ursache, spastischer Obstipation, Darmverschluss und entzündlichen Erkrankungen des Verdauungstrakts zum Einsatz kommen sollten. In ihrem Fall besteht zudem ein Missbrauchspotenzial als Schlankheitsmittel und die Gefahr, bei chronischem Gebrauch in einen Teufelskreislauf zu geraten, der die Obstipation verstärkt und zu schweren Elektrolytstörungen führen kann.

Welchen Tee kann man immer trinken?

Summa summarum tatsächlich keinen. Als Durstlöscher ist Wasser noch immer am besten geeignet. Teetrinkern empfiehlt das BfR, häufig zwischen verschiedenen Sorten zu wechseln. Das liegt nicht zuletzt an kritischen Inhaltsstoffen wie Nitrat und Pestiziden. Selbst in Bio-Produkten findet Öko-Test immer wieder gesundheitsschädliche Rückstände aus der Landwirtschaft. 
Ein Problem sind zudem giftige sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie Pyrrolizidinalkaloide (PA), die vorrangig durch Beikräuter in die Teedrogen gelangen können. PA gelten als hepatotoxisch und kanzerogen. In der EU gibt es noch immer keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte in Form von Höchstgehalten von PA in Tees. Für Arzneitees verlangt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), dass in einer Tagesdosis nicht mehr als 1,0 µg PA enthalten sein dürfen. Zudem gelten die Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.