STIKO legt Entwurf einer Empfehlung zur COVID-19-Impfung vor

Wer wird zuerst geimpft?

Berlin - 07.12.2020, 15:45 Uhr

Die Länder bauen derzeit ihre Coronaimpfzentren auf – hier in einer Halle der Messe Essen. Das BMG feilt derweil an der Verordnung, die das Prozedere regeln soll. (x / Foto: imago images / Jochen Tack)

Die Länder bauen derzeit ihre Coronaimpfzentren auf – hier in einer Halle der Messe Essen. Das BMG feilt derweil an der Verordnung, die das Prozedere regeln soll. (x / Foto: imago images / Jochen Tack)


Am vergangenen Freitag wurde ein erster Referentenentwurf für eine Coronavirus-Impfverordnung bekannt. Diese soll unter anderem regeln, wer angesichts des zunächst knappen Impfstoffs prioritär geimpft werden soll. Allerdings enthielt der Entwurf gerade an dieser Stelle noch Lücken, die durch Stellungnahmen der STIKO und der Länder gefüllt werden sollen. Jetzt hat die STIKO einen Entwurf für ihre Empfehlungen vorgelegt. Derweil werden Zweifel laut, ob die Verordnung überhaupt der richtige Weg ist, eine Priorisierung vorzunehmen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält ein Gesetz für nötig.

Bald soll der erste Impfstoff gegen COVID-19 zur Verfügung stehen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat angekündigt, im Hinblick auf den Biontech/Pfizer-Impfstoff spätestens am 29. Dezember zu einer Entscheidung zu kommen. Die Moderna-Vakzine soll in der ersten Januarhälfte folgen.

Indessen bereitet man sich in Deutschland auf die Impfungen vor: Impfzentren werden in den Ländern aufgebaut und im Bundesgesundheitsministerium arbeitet man an einer Rechtsverordnung, die genaueres zum Anspruch auf die Impfung regeln soll. Grundlage für diese Verordnung ist eine mit dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz eingeführte Regelung in § 20i Abs. 3 Sozialgesetzbuch V.

Am vergangenen Freitag wurde ein erster Referentenentwurf für diese Verordnung bekannt. Darin geregelt wird nicht nur, wer zunächst Anspruch auf die Impfung hat, sondern auch das Prozedere rund um die Leistungserbringung, die Terminvergabe, Vergütung, Finanzierung und Impfsurveillance.

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Wie DAZ.online bereits berichtete, enthält der Entwurf noch viele Lücken, wer konkret anspruchsberechtigt sein soll. Allerdings sind die Apothekenmitarbeiter bereits als prioritär zu impfende Gruppe erwähnt – denn sie besitzen „in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung“. Allerdings genießen sie nicht höchste Priorität. Die kommt bekanntlich denjenigen zu, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustands ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, sowie jenen, die solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen. Auch Personen, die in bestimmten Einrichtungen tätig sind oder dort behandelt, betreut oder gepflegt werden, stehen in der Reihenfolge noch vor Apotheken – welche Einrichtungen hier gemeint sind, lässt der Entwurf derzeit noch offen.

Die Lücke kann nun gefüllt werden. Am heutigen Montag hat die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) einen Beschlussentwurf für ihre Empfehlung zur COVID-19-Impfung vorgelegt. Welche weiteren Gruppen mit den Apotheken, der Feuerwehr, Polizei und Justiz noch als zentral für die Daseinsvorsorge eingestuft werden, soll nach einer Stellungnahme der Länder ergänzt werden.

Heimbewohner, Über-80-Jährige und exponiertes Personal

Wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilt, folgt jetzt ein dreitägiges Stellungnahme-Verfahren zur STIKO-Empfehlung, das am Donnerstag abgeschlossen sein wird. Dann wird die Empfehlung veröffentlicht und kann als Basis für die Rechtsverordnung herangezogen werden.

Laut STIKO-Empfehlung sind als erstes folgende Personengruppen zu impfen – sie haben eine „sehr hohe“ Priorität:
• Bewohner:innen von Senioren- und Altenpflegeheimen
• Personen im Alter von ≥ 80 Jahren
• Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen (z. B. in Notaufnahmen, in der medizinischen Betreuung von COVID-19 Patient:innen)
• Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen (z. B. in der Hämato-Onkologie oder Transplantationsmedizin)
• Pflegepersonal in der ambulanten und stationären Altenpflege
• Andere Tätige in Senioren- und Altenpflegeheimen mit Kontakt zu den Bewohner:innen

Das sind laut STIKO insgesamt ungefähr 8,6 Millionen Menschen.

Wächst die Impfstoffverfügbarkeit, ohne dass sie für alle reicht, sollen weitere von der STIKO definierte Personengruppen mit besonderen Risiken vorrangig geimpft werden. Die Evidenz zu diesen Risikogruppen werde fortlaufend neu bewertet, heißt es. Der jetzt vorliegende Beschlussentwurf nennt bereits weitere Personengruppen von einer „gering erhöhten“ bis hin zu einer „hohen“ Priorität.

Mittelfristig sei es das Ziel, allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu einer Impfung gegen COVID-19 anbieten zu können. Sobald weitere Impfstoffe in Deutschland zugelassen und verfügbar sind oder neue relevante Erkenntnisse mit Einfluss auf diese Empfehlung bekannt werden, werde die STIKO ihre COVID-19-Impfempfehlung aktualisieren und gegebenenfalls die Zielgruppen anpassen.

Wäre ein Gesetz nötig?

Indessen weht der geplanten Verordnung politischer Gegenwind entgegen. Laut einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, die der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae angefordert hat, ist sie nicht der richtige Weg. Vielmehr sei der „überwiegend vertretenen Auffassung, wonach die Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beim Zugang zu Impfstoffen eines förmlichen Gesetzes bedarf, das zumindest die wesentlichen Kriterien für die Verteilung eines knappen Impfstoffs regelt, (…) zuzustimmen“.

Hintergrund ist die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitslehre: Demnach muss der Gesetzgeber „Wesentliches“ selbst regeln, und dazu zählen Maßnahmen mit Grundrechtsrelevanz. In der Ausarbeitung heißt es im Fazit: „Die Entscheidung, welche Bevölkerungsgruppen bei der Verteilung zunächst zu bevorzugen sind, weist eine hohe generelle Grundrechtsrelevanz auf und führt zu einer intensiven individuellen Betroffenheit. Der Wesentlichkeit entgegenstehende Kriterien wie etwa die Kurzfristigkeit einer solchen Regelung sowie das Erfordernis flexibler Regelungen sind vor diesem Hintergrund nur von untergeordneter Bedeutung.“

Die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags sind zwar häufig interessant – politisch umgesetzt werden ihre Erkenntnisse allerdings nicht zwingend. Es ist auch nicht so, dass in § 20i SGB V keine Anhaltspunkte für die Priorisierung zu finden sind, hier sind durchaus genau die Voraussetzungen genannt, die auch die Verordnung  aufgreift. Und so ist davon auszugehen, dass der Verordnungsentwurf derzeit weiter in der Regierung sowie mit Ländern und STIKO abgestimmt wird.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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