Umstufung im UN-Suchtstoffabkommen

Weg frei für leichteren Umgang mit Medizinalcannabis

Remagen - 07.12.2020, 12:15 Uhr

Die UN-Suchtstoffkommission hat beschlossen, Cannabis und Cannabisharz aus dem Anhang IV des internationalen Suchtstoffabkommens von 1961 herauszunehmen. (c / Foto: imago images / CTK Photo)

Die UN-Suchtstoffkommission hat beschlossen, Cannabis und Cannabisharz aus dem Anhang IV des internationalen Suchtstoffabkommens von 1961 herauszunehmen. (c / Foto: imago images / CTK Photo)


Die UN-Suchtstoffkommission hat den Weg für eine vereinfachte Handhabung von medizinischem Cannabis freigemacht und ist damit der Empfehlung der WHO gefolgt. Die Herausnahme von Cannabidiol, das nicht mehr als 0,2 Prozent Delta-9-THC enthält, aus der internationalen Suchtstoffkontrolle wurde allerdings abgelehnt und der Vorschlag, reines Cannabidiol davon auszunehmen, gar nicht beraten.

Bei ihrer Tagung vom 2. bis 4. Dezember 2020 in Wien hat die UN-Suchtstoffkommission (Commission on Narcotic Drugs, CND) beschlossen, Cannabis und Cannabisharz aus dem Anhang IV des internationalen Suchtstoffabkommens von 1961 herauszunehmen (27 Ja, 25 Nein, 1 Enthaltung). Das Einheitsabkommen listet Suchtstoffe in vier Anhängen (Schedule 1-4) auf, die die Verkehrsfähigkeit unterschiedlich stark einschränken. In Anhang IV sind „generell nicht verkehrsfähige Suchtmittel“ zu finden, darunter auch Heroin oder Kokain. Cannabis soll nun in den Anhang I heruntergestuft werden. Die Suchtstoff-Kommission folgte damit der Empfehlung 5.1 der Weltgesundheitsorganisation (WHO).  Die WHO hatte sich mit Blick auf die Einstufung seit dem Jahr 2017 eingehend mit dem medizinischen und dem Gefährdungspotenzial von Cannabis und „related substances“ befasst. 

Was sonst noch abgelehnt und vertagt wurde

Andere Empfehlungen der WHO zur Neubewertung von Cannabis und Cannabinoiden wurden abgelehnt oder nicht mehr behandelt. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) hat diese und die Ergebnisse der CND-Abstimmung in einem Dokument zusammengestellt.

  • So fand der Antrag, Stoffextrakte und Tinkturen aus Cannabis aus Anhang I des Übereinkommens von 1961 zu streichen, keine Zustimmung.
  • Auch der Vorschlag, Dronabinol und seine Stereoisomere (Delta-9-THC) zu Anhang I des Übereinkommens von 1961 hinzuzufügen, wurde nicht angenommen.
  • Das Hinzufügen einer Fußnote zu Cannabidiol-Präparaten in Anhang I des Übereinkommens von 1961, wonach Zubereitungen, die überwiegend Cannabidiol und nicht mehr als 0,2 Prozent Delta-9-THC enthalten, nicht unter internationaler Kontrolle stehen sollten, wurde mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.
  • Der Vorschlag, Zubereitungen, die als reines Cannabidiol gelten, nicht in die Übereinkommen aufzunehmen, bleibt erhalten. Er wurde auf der Tagung nicht behandelt.

Therapeutischer Nutzen von Cannabis anerkannt

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft begrüßt die Herausnahme von Cannabis aus Anlage IV des internationalen Suchtstoffabkommens, weil dies zu einer vereinfachten Verkehrsfähigkeit von Cannabis führt. Er wertet die Entscheidung aber auch als wichtigen Schritt für die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in vielen Nationalstaaten. „Die Anerkennung des therapeutischen Nutzens von Cannabis dürfte sich damit durchgesetzt haben“, betont BvCW-Geschäftsführer Jürgen Neumeyer in einer Pressemitteilung

Nach diesem internationalen Impuls erwartet der Verband weltweit Erleichterungen im Umgang mit Medizinalcannabis. Importeure, Anbauer und Distributoren dürften in Zukunft mit weniger bürokratischen Hürden rechnen können. Für Neumeyer ist die Entscheidung der Suchtstoffkommission aber auch ein deutlicher Schritt der internationalen Deregulierung gegenüber Cannabis insgesamt.

Cannabidiol: „Weiterhin dicke Bretter bohren“

Enttäuscht ist der Branchenverband allerdings darüber, dass die Empfehlung, Zubereitungen, die auf reinem Cannabidiol (CBD) basieren, nicht der internationalen Suchtstoffkontrolle zu unterwerfen, nicht beraten wurde. Das soll in Zukunft nachgeholt werden, so die Hoffnung. Dabei verweist der BvCW auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. November 2020. Dieser hatte befunden, dass CBD nicht als Betäubungsmittel gelten soll.

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„Wir halten an den wissenschaftlichen Erkenntnissen der WHO fest und blicken zuversichtlich auf die noch ausstehende Behandlung des Vorschlags 5.0 der WHO“, sagt Neumeyer. „Die wissenschaftliche Sicht auf Cannabis und Cannabinoide, wie sie von der WHO vertreten wird, hat sich leider noch nicht weltweit durchgesetzt.“ Hier seien weiterhin dicke Bretter zu bohren, meint der BvCW-Geschäftsführer.

Mehrheit der Fachpolitiker im Bundestag für geregelten CBD-Markt

Nach Angaben des Branchenverbandes haben sich Fachpolitiker im Deutschen Bundestag fraktionsübergreifend für Reformen im CBD-Bereich und für einen geregelten CBD-Markt ausgesprochen. Die Aussagen der MdBs spiegelten eine deutliche rechnerische Mehrheit im Bundestag wider, betont der BvCW. Damit sollte einem konstruktiven Dialog wenig entgegenstehen. Die Cannabiswirtschaft hatte kürzlich selbst Eckpunkte für einen geregelten CBD-Markt in Deutschland vorgeschlagen. Diese beinhalten unter anderem die Festlegung von Grenzwerten für medizinische und nicht-apothekenpflichtige CBD-Produkte.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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