Mythos Apotheke (Teil 3)

Ist der Versandhandel wirklich so günstig?

Berlin - 07.12.2020, 09:15 Uhr

Was ist dran an den vermeintlich günstigen Preisen der Arzneimittelversender? (c / Bild: imago images / Westend61) 

Was ist dran an den vermeintlich günstigen Preisen der Arzneimittelversender? (c / Bild: imago images / Westend61) 


Das Internet ist ein Paradies für Schnäppchenjäger. Auch bei Arzneimitteln kann der Verbraucher kräftig sparen, wenn er online bestellt – oder? In seinem Buch „Mythos Apotheke – Zwischen Vorurteilen und Wahrheit“ geht das Autorentrio Kaapke/Kleber-Herbel/Hüsgen diesem Gerücht auf die Spur.

Wozu „Apothekenpreise“ zahlen, wenn man Medikamente auch ganz einfach bei Versandhändlern bestellen kann? Denn DocMorris und Co. locken mit unwiderstehlichen Preisnachlässen. Aber kommt der Kunde am Ende tatsächlich besser weg, wenn er auf die Arzneimittellogistiker setzt statt auf den stationären Handel? Andreas Kaapke, Nina Kleber-Herbel und Uwe Hüsgen haben sich diesen Mythos einmal genau angeschaut.

„Bezeichnenderweise macht sich hier die Schizophrenie der (deutschen) Verbraucher bemerkbar: Man möchte die bestmögliche, individuelle, auch mit stationären Apotheken vergleichbare Beratung, dies aber zu einem besonders günstigen Preis“, schreiben die Autor:innen. „Dass aber genau diese Beratung (in Form kompetenten Fachpersonals) Geld kostet und daher den einen oder anderen Dumpingpreis kalkulatorisch nicht zulässt, verkennen viele Verbraucher.“

Verschreibungspflichtige Arzneien und die Preisbindung

Was rezeptpflichtige Medikamente betrifft, sind die deutschen Apotheken – inklusive jener, die auch einen Versandhandel betreiben – an die Arzneimittelpreisbindung gebunden, erläutern Kaapke/Kleber-Herbel/Hüsgen. „Die Konsequenz daraus ist, dass diese rezeptpflichtigen Arzneimittel in allen Apotheken, also auch in den deutschen Versandapotheken, gleich günstig bzw. teuer sind, also gleich viel kosten.“ Eine Ausnahme von dieser Regel gilt seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016. Sie dürfen Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneien gewähren, weil die Luxemburger Richter in der deutschen Regelung einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU sahen.

Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun Abhilfe schaffen: Das bereits verabschiedete Gesetz überführt das Rx-Boni-Verbot ins Sozialrecht. Damit gilt es ab Inkrafttreten des Gesetzes zumindest wieder für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung. „Damit wird auch wieder dem (sinnvollen) Bestreben Rechnung getragen, dass rezeptpflichtige Arzneimittel per Gesetz einem Preiswettbewerb entzogen werden sollen, der die Ware bagatellisieren würde.“

Gezielte Aktionen verzerren das Bild

Und wie sieht es bei apothekenpflichtigen Medikamenten aus? Einen strukturellen Vorteil der Versender gegenüber den Präsenzapotheken und einen damit einhergehenden Preisvorteil für den Kunden können Kaapke/Kleber-Herbel/Hüsgen nicht erkennen, auch wenn sie punktuell mit Schnäppchen locken. „In aller Regel handelt es sich um sogenannte Lockangebote – eine Marketingmaßnahme, die sich allerdings auch Offizin-Apotheken zunehmend zunutze machen.“ Auch einige ihrer Geschäftsmodelle setzten inzwischen auf den Erfolgsfaktor Preis.

Versandkosten kompensieren niedrige Preise

Beim Versandhandel dürfe jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass viele Online-Anbieter niedrige Medikamentenpreise mit teuren Versandkosten auszugleichen versuchten. In einer Studie des Deutschen Instituts für Servicequalität werden die durchschnittlich anfallenden Versandkosten demnach auf 3,40 Euro pro Standardlieferung beziffert. „Für Präparate, die besondere Anforderungen an den Transport stellen, zum Beispiel Einhaltung einer bestimmten Kühltemperatur, fallen häufig nochmals zusätzliche Kosten an“, unterstreichen die Autor:innen. „Versandkostenfrei liefern laut Studie die Anbieter erst ab einem Bestellwert von im Schnitt 30 Euro. Kleinbestellungen lohnen sich somit kaum.“

Dass sich dies in absehbarer Zeit ändern werde, glauben Kaapke/Kleber-Herbel/Hüsgen nicht. „Im Gegenteil könnten Versandkosten aufgrund der wachsenden Zahl an Paketsendungen einerseits sowie des akuten Fahrermangels und höherer Löhne andererseits zukünftig eher noch steigen.“ Für sie gilt: Von einzelnen Angeboten auf die gesamte Preispolitik zu schließen, sei falsch. Denn durch gezielte Aktionen vermittle der Versandhandel den Verbrauchern „ein günstiges Preisimage, das – auch vor dem Hintergrund einer nur eingeschränkten Preiskenntnis der Kunden – nicht über alle Warengruppen aufrechterhalten wird und somit vielfach ein verzerrtes Bild vermittelt“.

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2., völlig neu bearbeitete Auflage | 2020 | Deutscher Apotheker Verlag | X, 140 S., 12 farb. Abb., 10 farb. Tab., 17,0 x 24,0 cm | Kartoniert

Von Andreas Kaapke / Nina Kleber-Herbel / Uwe Hüsgen

Mythos Apotheke

Zwischen Vorurteilen und Wahrheit

Obwohl Apotheker zu den Berufsgruppen zählen, denen die Bevölkerung besonders großes Vertrauen entgegenbringt, werden sie nicht selten auch mit Kritik konfrontiert. 

Die zweite Auflage des Buchs „Mythos Apotheke" klärt auf, indem sie den Lesern leicht verständliche, sachliche sowie stichhaltige Argumente gegen die häufigsten Vorurteile zur Verfügung stellt.

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Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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