Cannabidiol-Produkte können Lebensmittel sein

CBD: Novel-Food-Anträge werden nun weiter geprüft

Remagen - 04.12.2020, 10:45 Uhr

Nach der Einstufung von Cannabidiol als Lebensmittel durch den EuGH, prüft die Europäische Kommission erneut die Zulassungsanträge für CBD-Produkte als neuartige Lebensmittel. (Foto: imago images / Cord)

Nach der Einstufung von Cannabidiol als Lebensmittel durch den EuGH, prüft die Europäische Kommission erneut die Zulassungsanträge für CBD-Produkte als neuartige Lebensmittel. (Foto: imago images / Cord)


Die Europäische Kommission nimmt die Prüfung der vor einigen Monaten auf Eis gelegten Zulassungsanträge für CBD-Produkte als neuartige Lebensmittel wieder auf. Ausschlaggebend dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hatte vor zwei Wochen befunden, dass CBD als Cannabisextrakt nicht in die Definition im Sinne des Einheitsübereinkommens über Suchtstoffe einzubeziehen sei. Damit geht Cannabidiol als Lebensmittel durch.

Seit Jahren wird um die sachgerechte Einstufung von Cannabidiol gerungen. Dabei „mäanderte“ der nicht psychotrope Cannabis-Inhaltsstoff zwischen der Klassifizierung als Lebensmittel, Arzneimittel oder sogar als Betäubungsmittel hin und her. Nun scheint sich das Feld zu lichten, und zwar durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2020.

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In dem vorliegenden Fall (Rs. C-663/18) hielt der EuGH die Bestimmungen über den freien Warenverkehr auf ein spezielles Cannabidiol-haltiges Produkt (als Cannabisextrakt) für anwendbar. Damit sah der EuGH dieses nicht als Suchtstoff an, denn eine Vermarktung von Suchtstoffen ist außerhalb des streng überwachten Handels zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken in allen Mitgliedstaaten verboten. Der EuGH stellte fest, dass das Unionsrecht für die Definition der Begriffe „Droge“ oder „Suchtstoff“ auf zwei Übereinkommen der Vereinten Nationen verweise. In dem Übereinkommen über psychotrope Stoffe werde CBD nicht erwähnt. In dem Einheitsübereinkommen über Suchtstoffe könnte eine wörtliche Auslegung zwar dazu führen, es („Cannabis­extrakt“) als Suchtstoff einzustufen. Diese Auslegung widerspricht aus der Sicht des Gerichtshofs jedoch dem Grundgedanken und Ziel des Übereinkommens, „die Gesundheit und das Wohl der Menschheit“ zu schützen. Schließlich habe Cannabidiol mit Blick auf den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse keine psychoaktiven Wirkungen. 

Branchenverband will geregelten CBD-Markt

Der erst im Januar dieses Jahres gegründete Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. hatte das Urteil ausdrücklich begrüßt. Der EuGH folge somit der Auffassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hieß es in einer Pressemitteilung. Diese habe mehrfach betont, dass CBD nicht die Kriterien einer Droge im Sinne der internationalen Suchtstoffübereinkommen erfülle. Mit dem Urteil des EuGH werde ein geregelter CBD-Markt in Deutschland und Europa greifbarer. Hierfür hatte der Branchenverband kürzlich selbst Kriterien vorgeschlagen.

Novel-Food-Einstufung bleibt

Nach Auslegung der Europäischen Kommission sind Produkte mit Cannabidiol, sofern sie nicht unter die Definition des Arzneimittels fallen, nach der Novel-Food-Verordnung der EU als „neuartige Lebensmittel“ einzustufen. Hierunter werden alle Lebensmittel gefasst, die in der Europäischen Union vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Wer ein neuartiges Lebensmittel in Verkehr bringen will, muss dafür einen gesonderten Zulassungsantrag stellen. Das Zulassungsverfahren wird von der Europäischen Kommission unter Beteiligung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) durchgeführt. Dazu gehört die generelle Einordnung, ob ein Produkt überhaupt ein Nahrungsmittel ist oder nicht.

Kursänderung nach EuGH-Urteil

Bei der Kommission sind seit einiger Zeit Anträge auf Zulassung als Novel Food zu Produkten anhängig, die natürliches CBD enthalten. Die Bewertung lag allerdings auf Eis und die Hersteller waren um weitere Informationen gebeten worden. Die Kommission war der Ansicht, dass die Produkte nicht als Lebensmittel gelten können, da sie in Anhang I des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 aufgeführt sind. Das Allgemeine Lebensmittelrecht schließt Stoffe aus der Definition von Lebensmitteln aus, die im Sinne internationaler Übereinkommen als betäubend oder psychotrop gelten.

Nach Prüfung eines EuGH-Urteils und der eingegangenen Stellungnahmen der Hersteller ist die Europäische Kommission nun zu dem Schluss gekommen, dass Cannabidiol als Lebensmittel eingestuft werden kann. Das hat ein Kommissionssprecher gestern vor Journalisten in Brüssel bestätigt.

Die Prüfung der Anträge zu Cannabidiol-haltigen Produkten werde nun wieder aufgenommen, wird weiter mitgeteilt. Sofern diese alle Vorgaben der Verordnung über neuartige Lebensmittel erfüllen, werde die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit der wissenschaftlichen Bewertung der Produkte beauftragt. Diese spreche dann eine Empfehlung darüber aus, ob sie zugelassen werden sollten oder nicht.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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