Verbund starke Apotheke

„Wir sind die deutschen Apotheker!“

Berlin - 01.12.2020, 12:15 Uhr

Beatrice Guttenberger und ihre Mitstreiter schaffen jetzt eine Plattform, die dem Austausch und der politischen Meinungsbildung unter den Apothekern dienen soll. (Foto: Rats-Apotheke)

Beatrice Guttenberger und ihre Mitstreiter schaffen jetzt eine Plattform, die dem Austausch und der politischen Meinungsbildung unter den Apothekern dienen soll. (Foto: Rats-Apotheke)


Die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP hat die Apothekenwelt erschüttert. Doch statt in Schockstarre zu verfallen, nimmt Beatrice Guttenberger, Inhaberin der Rats-Apotheke in Ochsenfurt, ihr Schicksal jetzt selbst in die Hand. Gemeinsam mit Kollegen und Unterstützern gründet sie einen neuen Verein: den Verbund starke Apotheke.

Beatrice Guttenberger fühlt sich im Stich gelassen – von der Politik ebenso wie von der eigenen Standesvertretung. Der Bruder der Apothekerin führt einen von rund 3.000 Betrieben in Deutschland, die von der Insolvenz des Rechenzentrums AvP betroffen sind. Auch wenn ihre Rats-Apotheke von dem Skandal verschont blieb, fühlt sie mit den Kollegen, die jetzt unverschuldet in finanzielle Not geraten sind. Die aus ihrer Sicht mangelnde Unterstützung der Kammern und Verbände nimmt sie zum Anlass, um eine neue Bewegung zu starten.

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Denn schon seit geraumer Zeit ist Guttenberger unzufrieden mit der Art, wie die Apotheker politisch vertreten werden. „Wir sind keine Gemeinschaft, haben keinen Plan“, bemängelt sie im Gespräch mit DAZ.online. Und als sie am Beispiel ihres Bruders erfuhr, wie allein die von der AvP-Pleite betroffenen Kollegen mit ihren Sorgen sind, beschloss sie, endlich selbst zu handeln. „Es war niemand da, der eine Brücke gebaut hätte“, sagt sie. „Die Inhaber hätten sich gern ausgetauscht, vielleicht sogar gemeinsam Anwälte engagiert, aber es gab keine Möglichkeit, sich gegenseitig ausfindig zu machen und in Kontakt zu treten.“

Ein Telefonat mit Folgen

Zunächst schrieb Guttenberger offene Briefe an die Abgeordneten in Berlin, bekam aber nach eigenen Angaben „erschreckend wenig Rückmeldung“. Einer der Wenigen, die reagierten, war der Arzneimittelexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Hennrich. Doch ein Telefonat mit dem CDU-Politiker verlief anders, als die Apothekerin es sich erhofft hatte. „Mein Eindruck ist, dass wir politisch nicht mehr gewollt sind“, berichtet sie. „Offenbar ist man in Berlin der Meinung, die Zeit der Apotheken sei vorbei.“

Eine Aussage Hennrichs blieb ihr ganz besonders in Erinnerung: die Apotheker würden das Rx-Versandverbot nicht wollen. „Das entspricht nicht dem, was ich von den Kollegen höre“, so Guttenberger. Wer also sind „die Apotheker“? Was würde passieren, wenn man tatsächlich die Meinung der Basis einholen würde? Das brachte die Pharmazeutin auf eine Idee.

Vielfältige Agenda

Über eine WhatsApp-Gruppe, in der sich AvP-Apotheker über ihre Situation austauschen, fand sie Menschen, die bereit sind, mit ihr gemeinsam eine neue Bewegung zu gründen. Statt Standesvertretung aus dem Elfenbeinturm, so ihre Vision, braucht es ein System, das von unten nach oben aufgebaut ist. Einen ersten Meilenstein setzten Guttenberger und ihre Wegbegleiter am gestrigen Montag: Sie launchten die Website www.starkeapotheke.de – eine Plattform, auf der sich Pharmazeuten zu berufspolitischen Themen austauschen und gemeinsam eine Position finden können.

Mitstreiter gesucht

Ziel ist es Guttenberger zufolge, bis Ende Januar 2021 mindestens 10 Prozent der Apotheken für den Verbund starke Apotheke zu gewinnen. Nur so kann es gelingen, eine gewisse politische Schlagkraft zu entwickeln. „Dann können wir sagen: Wir sind die deutschen Apotheker!“, erläutert sie. Offiziell gegründet hat sich der Verbund bereits am vergangenen Freitag. Jetzt gehen die Organisatoren den nächsten Schritt und werben bundesweit um Unterstützung. „Ich habe viel Zuspruch erfahren, als ich mich für diejenigen eingesetzt habe, denen die AvP-Insolvenz zu schaffen macht“, erzählt Guttenberger. Viele von ihnen seien unzufrieden mit der Standesvertretung. „Ich wollte wissen: Schimpfen die Kollegen nur oder sind sie bereit, einen Beitrag zu leisten?“

Inzwischen hat das Team um Guttenberger 380 Apotheken hinter sich versammelt. Dabei handelt es sich nicht nur um Betriebe, die akut von der AvP-Pleite betroffen sind. Rund ein Drittel, schätzt die Pharmazeutin, hat damit nichts zu tun. Und ein Blick auf die neue Website zeigt, dass die Insolvenz des Rechenzentrums tatsächlich nur ein Thema von vielen ist: Auch E-Rezept, Honoraranpassung, Securpharm, Nullretax, Lieferengpässe und vieles mehr steht auf der Agenda des neuen Verbunds.

Eine Herzensangelegenheit

Ob das Projekt zum Fliegen kommt, wird sich bis Ende Januar zeigen. Finden sich weniger als 1.900 Apotheken zusammen, die sich an dem Vorhaben beteiligen, will Guttenberger nicht weitermanchen. „Wir brauchen eine gewisse Größe und natürlich finanzielle Mittel aus den Beiträgen der Mitglieder, um handlungsfähig zu sein“, sagt sie gegenüber DAZ.online. Dennoch: Selbst wenn ihre Initiative scheitern sollte, habe sie viele neue Freunde gefunden und tolle Menschen kennengelernt. Besonders beeindruckt ist sie vom Engagement des Studenten Robin Beyer: Die Tante des angehenden Rechtswissenschaftlers hat die AvP-Pleite erwischt. Obwohl er selbst keinen weiteren Bezug zur Pharmazie hat, ist Beyer von der ersten Minute an der Seite Guttenbergers und unterstützt sie nach Kräften. „Ohne ihn wäre das alles nicht möglich“, unterstreicht die Apothekerin. „Ich muss ja nebenbei noch einen Betrieb leiten. Allein könnte ich das Projekt nicht stemmen.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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