Nachhaltigkeit in der Pharmaindustrie

Merck will bis 2040 klimaneutral sein

Dießen am Ammersee - 01.12.2020, 10:45 Uhr

Bei Merck soll Nachhaltigkeit zu einem Wirtschaftsfaktor werden – für die Mitarbeiter, aber auch um Kunden, Zulieferer und Investoren zu überzeugen. (c / Foto: imago images / HMB-Media)

Bei Merck soll Nachhaltigkeit zu einem Wirtschaftsfaktor werden – für die Mitarbeiter, aber auch um Kunden, Zulieferer und Investoren zu überzeugen. (c / Foto: imago images / HMB-Media)


Wie nachhaltig ist die Pharmaindustrie und wie nachhaltig kann und will sie werden? Dieser Frage möchte sich DAZ.online in Zukunft verstärkt widmen. Im November hat das Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck seine neue Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt. Drei konkrete Ziele in den Bereichen Wissenschaft und Technologie, Wertschöpfungskette sowie Klima und Umwelt sollen mit verschiedenen Projekten und Initiativen umgesetzt werden. DAZ.online hat sich angeschaut, wie diese Ziele erreicht werden sollen. 

Schon seit 1993 informiert Merck – zunächst sporadisch, seit einigen Jahren jährlich –, wie es seine sogenannte „Corporate-Responsibility“, seine unternehmerische Verantwortung, für die Auswirkungen des geschäftlichen Handelns auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Mitarbeiter wahrnimmt. Nun möchte der Wissenschafts- und Technologieriese mit einer neuen Nachhaltigkeitsstrategie das Thema noch stärker in seiner Unternehmensstrategie verankern. Dies verkündete Merck in einer Pressemitteilung im Rahmen der Bekanntgabe der Geschäftsergebnisse des dritten Quartals: „Wir wollen wirtschaftlich erfolgreich sein und in allen unseren Geschäften einen positiven Wertbeitrag für die Gesellschaft erzielen, ohne dabei gesellschaftliche Folgekosten zu verursachen“, erklärte Stefan Oschmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Merck. Eines der Ziele ist, mit Innovationen, nachhaltiger Wissenschaft und umweltverträglichen Technologien bis 2030 die Gesundheit und Lebensqualität von über einer Milliarde Menschen zu verbessern. Dabei soll Nachhaltigkeit in allen Wertschöpfungsketten verankert werden.

Auch die Nachhaltigkeit und Transparenz in den Lieferketten sind Teil der neuen Strategie. Die teils katastrophalen Umweltbedingungen bei der Produktion in Schwellenländern, in denen die Pharmaindustrie aus Kostengründen ihre Wirkstoffe und Arzneimittel herstellen lässt, steht mehr und mehr im öffentlichen Fokus. 

Umweltschädliche Produktionsbedingungen in Übersee

So berichtete beispielsweise Nachhaltigkeitsberater Dr. Martin Lichtl, dass Kostendruck, undurchsichtige globale Transportrouten sowie die unregelmäßige Überprüfung ausländischer Hersteller Gründe seien, die umweltschädliche Praktiken begünstigten – die Mitarbeiter, die Umwelt und die Ökosysteme werden oft stark belastet. 

„Wir erwarten von unseren Lieferanten, dass sie die in unseren Grundsätzen für verantwortungsvolle Beschaffung geregelten ethischen, sozialen und rechtlichen Standards teilen und sich auch in ihren eigenen Lieferketten danach richten“, legt indes ein Unternehmenssprecher von Merck gegenüber DAZ.online dar. Die Einhaltung grundlegender Umwelt- und Sozialstandards sei eines der Ziele des Merck‘schen Lieferantenmanagements. Um diese zu überprüfen, würden eine Reihe unterschiedlicher Ansätze verfolgt. So fordert Merck im Rahmen der von Unternehmen der chemischen Industrie weltweit ins Leben gerufenen Initiative „Together for Sustainability“ seine Lieferanten beispielsweise auf, sich entweder anhand von Selbstauskünften oder Audits bewerten zu lassen. In bestimmten Fällen würden bei Lieferanten auch eigene Nachhaltigkeitsaudits durchgeführt.

Um die Nachhaltigkeitskultur intern zu fördern, würden auch die Mitarbeiter in die neue Strategie miteinbezogen. Über verschiedene Initiativen, wie Schulungen, Infos im Intranet oder Infoveranstaltungen, werden sie befähigt und angeregt, aktiv am Thema Nachhaltigkeit mitzuarbeiten. „Bereits während der Strategie-Entwicklung haben wir Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Bereichen aktiv einbezogen. Im Rahmen der Strategie-Implementierung wollen wir die Nachhaltigkeitskultur im Unternehmen weiter stärken“, so der Sprecher.

Variable Vergütung für Geschäftsleitung und Management – abhängig vom Erreichen der Nachhaltigkeitsziele 

Ein wichtiges Ziel der Vereinten Nationen im Kampf gegen den Klimawandel ist, die Erderhitzung auf 1,5 bis allerhöchstens zwei Grad zu begrenzen. Dazu hat sich die EU-Kommission im „European Green Deal“ auf ein klimaneutrales Europa bis 2050 geeinigt. Die Industrie ist dabei einer der Weichensteller. Dabei gehört die chemisch-pharmazeutische Industrie laut Umweltbundesamt in Deutschland zu den größten Energieverbrauchern. Das Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck plant in seiner neuen Nachhaltigkeitsstrategie, schon bis 2040 klimaneutral zu sein. „Derzeit arbeiten wir daran, unseren Weg zur Klimaneutralität festzulegen und Zwischenziele zu definieren“, so der Unternehmenssprecher gegenüber DAZ.online. Auf der einen Seite stünden dabei Energieeffizienzprojekte. Aber auch die Energiequellen möchte das Unternehmen im Blick haben: „Sofern wirtschaftlich sinnvoll, erzeugen wir eigene Energie aus erneuerbaren Quellen“, so der Sprecher. Seit 2019 würde auch verstärkt Strom aus erneuerbaren Quellen eingekauft.

Neben dem Klimaschutz steht auch der Ressourcen und Wasserschutz für Merck auf der neuen Nachhaltigkeitsagenda. Durch genaue Messmethoden können heute Rückstände von Arzneimitteln nahezu in allen Fließgewässern sowie in Boden- und Grundwasserproben gefunden werden. Der größte Teil gelangt durch menschliche oder tierische Ausscheidungen in den Wasserkreislauf. Doch auch aus Produktionsanlagen treten immer wieder – durch die nur teilweise Eliminierung in den Kläranlagen oder auch durch Betriebsstörungen – Schadstoffe in Gewässer aus. Laut Umweltbundesamt, können bisher noch keine schädlichen konkreten Auswirkungen auf den Menschen nachgewiesen werden, jedoch auf Teile des Ökosystems sehr wohl. 

Im Rahmen seiner neuen Nachhaltigkeitsstrategie möchte Merck auch hier an der eigenen Umweltbilanz arbeiten. „Nachhaltiges Wassermanagement bedeutet für uns, den Status der Gewässer, aus denen wir Frischwasser beziehen oder in die wir gereinigte Abwässer einleiten, nicht negativ zu beeinflussen“, so der Pressesprecher des Unternehmens. Dazu werde kontinuierlich in nachhaltiges Abwassermanagement investiert. Geplant sei beispielsweise, die zentralen Abwasserbehandlungsanlage am Standort Darmstadt um eine sogenannte vierte Reinigungsstufe mit Aktivkohlefiltern zu erweitern. Mit Inbetriebnahme der Anlage werde der Großteil der noch im Wasser vorhandenen organischen Substanzen, sogenannte Spurenstoffe, entfernt.

Merck: Platz vier unter den 100 nachhaltigsten Unternehmen

In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung des Wall Street Journals erreichte Merck den vierten Platz unter den „100 am nachhaltigsten geführten Unternehmen“ („most sustainably managed companies“) weltweit. Aus dem Unternehmen heißt es, dass auch weitere Ratings „sehr gute Prozesse im Bereich Nachhaltigkeit“ bestätigen. 

Die Nachhaltigkeitsstrategie wird derzeit in enger Abstimmung mit der gesamten Geschäftsleitung entwickelt. Die Implementierung für das Unternehmen wird, laut Unternehmenssprecher, durch den Bereich „Group Corporate Sustainability“ koordiniert und regelmäßig von der Geschäftsleitung überprüft. Das Unternehmen plant dabei die variable Vergütung der Geschäftsleitung und des oberen Managements mit Fortschritten bei der Erreichung seiner drei Nachhaltigkeitsziele zu verknüpfen. So wird Nachhaltigkeit zu einem Wirtschaftsfaktor, für die Mitarbeiter, aber auch um Kunden, Zulieferer und Investoren zu überzeugen. 



Mareike Spielhofen, Autorin, DAZ.online
daz-online@deutscher-apotheker-verlag.de


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