Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

29.11.2020, 07:44 Uhr

Wie lange wird das neue Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz wohl unsere Vor-Ort-Apotheken stärken können? (Foto: Alex Schelbert)

Wie lange wird das neue Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz wohl unsere Vor-Ort-Apotheken stärken können? (Foto: Alex Schelbert)


Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz ist endgültig durch. Für die ABDA ist das der Startschuss für eine zukunftsfähige Arzneimittelversorgung. Den Schuss hat die Basis so nicht gehört, allenfalls ein kleines Plopp. Das Gesetz bringt uns ein wackeliges Rx-Boni-Verbot, unbekannte honorierte pharmazeutische Dienstleistungen. Und einen kleinen Zuschuss für den Botendienst. Ist das die zukunftsfähige Arzneimittelversorgung? Für unseren neuen BAK-Präsident Thomas Benkert ist dies das Ziel: „Ich will, dass wir die Arbeit der Pharmazeuten auf qualitativ hohem Niveau fachlich weiterentwickeln.“ Aber Hamburgs Kammerpräsident Kai-Uwe Siemsen weiß, wie’s besser wird: „Das Honorar muss wachsen, auch ohne zusätzliche Arbeit.“ Derweil kündigt DocMorris mit neuem Logo seinen Kunden einen doppelten Bonus für Rezepte an. 

23. November 2020

Das war zu erwarten: Seit 1. November haben Ärztinnen und Ärzte die Pflicht, auch die Dosierung auf dem Rezept zu vermerken – aber viele haben mit dieser ihrer Pflicht so ihre Probleme. Eine große Anzahl der in Apotheken vorgelegten Rezepte enthält keine Dosierungsangaben, keine vollständigen oder falsche Dosierungsangaben, schreiben die Apothekerverbände von Hamburg und Schleswig-Holstein in einem offenen Brief an die Organisationen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhausärzte. Ja, mein liebes Tagebuch, kann es denn so schwer sein, die Dosierung aufs Rezept zu schreiben? Offenbar schon. Vielen Ärzten, vor allem Zahn- und Krankenhausärzten, so vermutet man, sei diese neue Regelung noch nicht bekannt oder ihre EDV schaffe das noch nicht. Ein trauriges Bild. Und wer muss die Folgen ausbaden? Richtig, wir Apothekers. Wir müssen dann den korrekten Dosierungsangaben hinterherlaufen, sprich, den Arzt anrufen (mega-nervig und zeitintensiv) oder gar das Rezept zum Nachbessern zurückschicken. Und dann stehen wir noch vor dem Dilemma, unsere Patienten nicht rasch versorgen zu können: Sie müssen in Pandemiezeiten noch einmal in die Apotheke kommen oder wir müssen die Arzneimittel per Boten liefern. Die  Apotheken stünden da vor einem unauflösbaren Interessenskonflikt zwischen patientengerechter Arzneimittelversorgung und Bürokratie, schreiben die Apothekerverbände. Mein liebes Tagebuch, außerdem droht uns noch eine mögliche Retaxierung durch die Krankenkassen, wenn uns doch einmal ein Rezept mit unvollständiger oder gar fehlender Dosierung durchgeht. Immerhin, die Ersatzkassen zeigen sich gnädig, sie kündigten an, Apotheken bis zum Jahresende nicht zu retaxieren, wenn die Vorgaben zur Dosierungsangabe nicht eingehalten wurden. Aber so kulant zeigen sich beileibe nicht alle Kassen. Die Apothekerverbände und Ärzteorganisationen wollen daher Regierung und Krankenkassen um eine Nichtbeanstandungsfrist bitten: Die Ärzte sollen noch Zeit bekommen, sich technisch (und wohl auch mental) auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Mein liebes Tagebuch, das alles zeigt wieder einmal, wie verquer es in unserem System läuft. Wie wäre es, wenn der Gesetzgeber bei solchen Umstellungen und Neuerungen gleich mal an eine ausreichend lange Übergangsfrist denkt? Und wie wäre es, wenn wir Apothekers endlich nicht mehr für Fehler belangt werden, die wir nicht gemacht haben?

 

In seiner Online-Kammerversammlung hat Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, die jüngsten Ereignisse in unserer Szene gut zusammengefasst: Es seien  Ideen wie aus einem dystopischen Zukunftsroman. Gut getroffen! Und das sind diese Dystopien: Der Auftrag für den Aufbau des E-Rezeptes wird quasi an ein Unternehmen vergeben, das von sich behauptet, mit dem E-Rezept richtig durchstarten zu können. Gesundheitspolitiker treten auf einer Veranstaltung gemeinsam mit Masken auf, die mit dem Logo dieses Unternehmens geschmückt sind. Und in der großen Politik paktiert der Bundesgesundheitsminister mit dem größten Internetunternehmen der Welt in Sachen Gesundheitsinformationen. Hinzukommt, dass der größte Internetversender mit Amazon Pharmacy das Feld der Arzneimittelversorgung betreten hat, zunächst in den USA – aber fast schon vor den Toren Europas steht. Christiansens Antwort darauf: Die Apothekers sollten bei der Digitalisierung „selbst etwas bewegen statt bewegt zu werden“. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig, aber bisher musste man die ABDA immer bewegen. Da bleibt wohl nur die Hoffnung auf eine neue ABDA. Was Christiansen auch forderte: Endlich die Approbationsordnung zu novellieren. In der Kammerversammlung regte Professor Christian Pfeifer, Uni Kiel, eine Ausdehnung des Pharmaziestudiums auf zehn Semester an, nur so könnten zusätzliche Inhalte der Klinischen Pharmazie integriert werden, ohne die naturwissenschaftliche Basis zu schwächen. Aber klar, so eine Verlängerung des Studiums kostet. Und da kann man gespannt sein, was die Politik dazu sagt. Die Diskussion dazu ist jedenfalls eröffnet.

24. November 2020

Ja, jetzt erst recht, jetzt legt unser Lieblings-Arzneiversandhaus DocMorris noch eins drauf: Doppelter Bonus beim Einreichen eines Rezepts. Der Vorteil für die Patienten: „Bis 31.1. gilt: 1 x Medikament bestellen – 2 x Bonus erhalten. Pro rezeptpflichtiger Packung erhalten Sie dann mindestens 5 und bis zu 10 Euro Bonus.“ Mein liebes Tagebuch, das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) wird noch in diesem Jahr in Kraft treten und damit auch das Rx-Boni-Verbot. Das niederländische Versandhaus scheint das nicht zu tangieren, DocMorris denkt sichtlich gar nicht daran, das neue Verbot zu beachten, DocMorris macht weiter wie bisher – und legt noch eins drauf. Dann können wir kleinen Apothekers mal gucken, was passiert, was unsere lieben Gesundheitspolitiker:innen, unsere Standespolitiker:innen und die Krankenkassenvertreter:innen dazu sagen werden. Aufschrei? Klagen? Oder nur ein Achselzucken? Werden die Krankenkassen die Rezepte der Niederländer dann zurückweisen und nicht erstatten? Wer glaubt noch an den Weihnachtsmann? Mein liebes Tagebuch, es wird nicht lange dauern, dann landet das VOASG vor Gericht, letztlich auch vor dem EuGH. Lange Freude werden wir nicht am VOASG haben.

 

Hach, ist das nicht wunderschön: „Ihr Rezept liegt uns am Herzen“, flötet das Versandhaus DocMorris und wirbt damit für seinen persönlichen (Video-)Live-Chat. Ja klar, so offen und unverhohlen macht es kaum ein anderer Versender deutlich, was er eigentlich damit sagen will: Hey Patient, schick mir dein Rezept! Und das mit dem Herz wird ab sofort noch deutlicher kommuniziert: Seit dieser Woche hat sich das Versandhaus ein neues Markendesign gegeben. Der Versender will nicht mehr zu Kreuz kriechen. Statt des grünen Kreuzes hat er nun ein grünes verschlungenes Herz als Logo und eine neue Schrifttype fürs Logo. Begründet wird diese Metamorphose damit, dass DocMorris einen Wandel vollziehen will vom reinen Arzneimittelhändler zum digitalen Gesundheitsdienstleister. Die selbst zugeschriebene Rolle als Innovationstreiber und Nr. 1 im Arzneimittel-Versandhandel soll weiter ausgebaut werden. Der Versender sieht sich erst „am Anfang eines Paradigmenwechsels von Pharma zu Gesundheit“. Mein liebes Tagebuch, da kommt was auf uns zu. Übrigens, die unterschiedlichen Grüntöne des Logo-Herzens sollen „die vielfältigen bestehenden und zukünftigen Services widerspiegeln“, als da sind „Beratung, Arzneimitteltherapiesicherheit, Betreuung chronisch Kranker oder elektronische Rezepte und Medikationsplan“. Das sieht nach einem Angriff auf die Kernkompetenzen unserer Vor-Ort-Apotheken aus. Und während sich das Versandhaus in Stellung bringt, hütet die ABDA ihre ausbaldowerten pharmazeutischen Dienstleistungen immer noch als Staatsgeheimnis. Oh Gott, wo soll das hinführen!

 

Während die ABDA abwiegelte und extrem gelassen reagierte, war der Schock bei uns Apothekers und bei Gesundheitspolitikern groß: Die DocMorris-Schwester eHealthTec darf unter der Führung von IBM am Fachdienst E-Rezept mitbasteln. Starkes Stück, oder? Ausgerechnet ein Zur Rose-Unternehmen ist an unserem Herzstück des E-Rezeptdienstes mitbeteiligt. Alles safe, beschwichtigt Gematik-Chef Dr. Markus Dieken im DAZ.online-Gespräch. Man sei sich bewusst gewesen, das allein der Name für Irritationen sorge. Aber bei allen Emotionen: eHealth-Tec habe eh nur eine sehr kleine Rolle bei der Entwicklung des Fachdienstes und sei später am Betrieb gar nicht mehr beteiligt. Nur ein paar Programmierer arbeiteten in IBM-Teams mit, „wir haben die volle Kontrolle“. Ach so, mein liebes Tagebuch, wenn’s weiter nichts ist, dann lehnen wir uns vollkommen beruhigt zurück, trinken ein Tässchen Tee und freuen uns auf den sicheren E-Rezept-Fachdienst, gell? Mal ehrlich, mein liebes Tagebuch, welch großes Vertrauen wird uns da abverlangt! Die Gematik möchte außerdem nur eine Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung des E-Rezepts, keine Ende-zu Ende-Verschlüsselung, denn diese würde neuen Techniken nur im Wege stehen und die Interoperabilität behindern – wenn du weißt, was ich meine, mein liebes Tagebuch. Im Klartext: Nur ohne diese supersichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sind viele weitere Services für die Bürger:innen möglich, z. B. eine europaweite Einlösung von deutschen E-Rezepten. Ja genau, aber vielleicht ist es gerade das, was wir nicht wollen!

 

eHealth-Tec ist lieb und die Gematik hat alles unter Kontrolle – das beschwichtigende Lullaby des Gematik-Chefs kommt nicht so richtig an in der kritischen Szene. Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche bleibt skeptisch. Sie sorgt sich ernsthaft um die Präsenzapotheken und wollte vom Bundesgesundheitsministerium wissen, ob man Nachteile für die Präsenzapotheken ausschließen kann. Dank an Schulz-Asche für ihren Einsatz! Denn die Sorgen sind berechtigt, mein liebes Tagebuch. Schulz-Asche erhielt eine Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsminister, Sabine Weiss, die im Prinzip das wiedergab, was der Gematik-Chef auch im DAZonline-Interview erklärt hatte. Nun ja, mein liebes Tagebuch, was allerdings nach wie vor offen bleibt: Wie will die Gematik Interessenskonflikte erkennen und ihnen begegnen, wenn eHealth-Tec kein unmittelbarer Partner des Gremiums ist, sondern unter Verantwortung von IBM arbeitet? So ganz beruhigt sind wir noch nicht.

 

Wir trauern um Hartmut Derendorf, Professor und Kämpfer für die Klinische Pharmazie. Er ist am 23. November überraschend gestorben. Derendorf (Jahrgang 1953) ging nach seinem Pharmaziestudium in Münster nach Florida und arbeitete und wirkte dort am College of Pharmacy der University of Florida (UF). Eines seiner Fachgebiete war die Klinische Pharmazie. Sein Einsatz für dieses Fach zeigte auch hierzulande Wirkung. Über 500 Pharmazeuten im Praktikum verbrachten eine Hälfte ihres praktischen Jahres an der UF, wo sie sich für die Klinische Pharmazie begeistern ließen. Viele Pharmazeuten aus Deutschland absolvierten an der UF ein PharmD-Studium und lernten das pharmakotherapeutische Handwerk. 2018 wurde Derendorf emeritiert. Derendorf war auch Mitbegründer und Mitautor der DAZ-Serie für die Patientenorientierte Pharmazie (POP). Sein Wahlspruch war: „It’s the patient, stupid!“ Hartmut Derendorf hat enorm viel dazu beigetragen, die Klinische Pharmazie voranzubringen. Danke dafür!  Wir werden ihn vermissen!

25. November 2020

Beim E-Rezept-Modellprojekt von Baden-Württemberg, das unter dem Namen „GERDA“ angetreten war, stockt’s gleich an mehreren Stellen. Wir erinnern uns: Apothekerkammer und -verband, die Kassenärztliche Vereinigung von Baden-Württemberg und ihr Telemedizinangebot Docdirekt wollten mit dem Projekt Erfahrungen sammeln. Sie holten sich noch das Telemedizin-Start-up TeleClinic ins Boot, das dafür sorgen sollte, dass die elektronischen Verschreibungen in den Apotheken landeten. Baden-Württemberg sollte ein Pilotstandort für die Einführung der digitalen Verordnungen werden. Schön und gut, aber wie das mit so Start-ups ist, haben sie ihre eigenen Interessen. Teleclinic wollte nicht mit den Telemedizinern von Docdirekt zusammenarbeiten, stieg aus und schlüpfte unters Dach von Zur Rose an die Seite von DocMorris. Das war dann verständlicherweise das Aus bei GERDA. Wie LAK-Geschäftsführer Dr. Karsten Diers auf der Delegiertenversammlung der LAK Baden-Württemberg erläuterte, seien die politischen Ziele mit dem GERDA-Projekt dennoch erreicht worden: Es bildete die Grundlage für die Gematik-Spezifikation. Mein liebes Tagebuch, immerhin, auch wenn’s mit Teleclinic dumm gelaufen ist. Die rund 50 E-Rezepte, die im Lauf des Pilotprojekts ausgestellt worden waren, hätten gezeigt, dass der Übermittlungsprozess funktioniert. Womit GERDA nun auch noch zu kämpfen hat, ist ein Markenrechtsstreit: Der Name GERDA existiert bereits als Namen für die „Geriatrische Datenbank“ und wurde kurz vor dem Start der Rezept-Gerda als Marke eingetragen. Auch dumm gelaufen. Mein liebes Tagebuch, so kann’s gehen. Und wer wird schon nach Gerda fragen, wenn das One-and only-E-Rezept aus dem Gematik-Haus für alle an den Start geht.

 

Bei der letzten ABDA-Wahl hatte er noch überlegt, sich als Kandidat für den Posten des ABDA-Präsidenten aufstellen zu lassen: Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg. Dieses Mal wollte er allerdings nicht in den Ring. Und so kann er sich gelassen zurücklehnen und den Blick von außen auf die anstehenden ABDA-Wahlen werfen. Mit einer Videobotschaft im Vorfeld zur Kammerversammlung, die in abgespeckter Form als Präsenzveranstaltung stattfand, ließ Siemsen wissen, was sich bei der ABDA in Zukunft ändern müsse. Die ABDA müsse wieder dichter an die Basis heranrücken. Dazu gehöre auch „ein Ende der Zurückhaltung“, erklärte Siemsen und ergänzte: „Mit Honoraren wie vor zwanzig Jahren werden die Apotheken nicht die heutigen und schon gar nicht die zukünftigen Aufgaben erfüllen können.“ Wahre Wertschätzung finde sich im Portemonnaie. Mein liebes Tagebuch, endlich sagt’s mal einer. Für Siemsen bedeuten die anstehenden Wahlen eine Zäsur. Wie er das meint? So: „Der satten Zufriedenheit muss eine hungrige und basisnahe Führung folgen.“ Hui, das ist es, mein liebes Tagebuch. Und er legt nach: „Das Honorar muss wachsen, auch ohne zusätzliche Arbeit.“ Wer will da widersprechen. Mein liebes Tagebuch, da rutscht einem doch fast ein „Siemsen for President“ raus – wenn er sich denn hätte aufstellen lassen. Aber vielleicht färbt sein Drive ja auf die neue ABDA-Ära ab!

26. November 2020

Nein, eine Überraschung war das nun wirklich nicht: Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, wurde zum neuen Präsidenten der Bundesapothekerkammer (BAK) gewählt. Herzlichen Glückwunsch! Als Vizepräsident konnte er die BAK bereits mehrere Monate kommissarisch leiten und Erfahrungen sammeln. Benkert folgt auf Dr. Andreas Kiefer, der aus gesundheitlichen Gründen sein Amt nicht mehr ausüben konnte und im September verstorben war. Zur neuen Vizepräsidentin wurde Ursula Funke, Präsidentin der Apothekerkammer Hessen, gewählt. Sie tritt ihr Amt zum Jahreswechsel an. Ebenfalls herzlichen Glückwunsch! Zusammen mit Funke hatte sich Dr. Kerstin Kemmritz, Kammerpräsidentin von Berlin, um den Vizeposten beworben, unterlag aber in der Wahl (83 Prozent der Stimmen für Funke). Während Dr. Dr. Georg Engel und Dr. Hannes Müller weiterhin als erster und zweiter Beisitzer dabei sind, wurde neu Dr. Armin Hoffman, Kammerpräsident von Nordrhein, als dritter Beisitzer gewählt. In dieser Zusammensetzung wird der neue geschäftsführende BAK-Vorstand ab Januar die vierjährige Amtsperiode bestreiten. Benkerts Ziel: „Ich will, dass wir die Arbeit der Pharmazeuten auf qualitativ hohem Niveau fachlich weiterentwickeln.“ Mein liebes Tagebuch, das wollen wir auch. Und außerdem gibt’s die neuen Herausforderungen wie pharmazeutische Dienstleistungen, Digitalisierung und eine Novellierung der Approbationsordnung. In vier Jahren wissen wir dann mehr.

 

Na, dass wir das noch erleben dürfen: Die FDP, unsere kleine feine liberale Partei, die seit einigen Jahren den Apotheken den Rücken gekehrt hatte und allzu liberale Forderungen durchsetzen wollte, besinnt sich auf die Vor-Ort-Apotheken und erkennt deren Bedeutung für unsere Arzneimittelversorgung. Auslöser fürs Umdenken ist die AvP-Pleite, unter der rund 3100 Apotheken leiden. Die FDP erkennt die gravierenden Auswirkungen der AvP-Insolvenz und setzt sich dafür ein, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Mit einem Antrag an den Deutschen Bundestag fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, sicherzustellen, dass künftig „Gelder bei Factoring-Anbietern im Bereich Gesundheit insolvenzsicher auf Treuhandkonten hinterlegt werden“. Und außerdem sollen Vorschläge ausgearbeitet werden, wie sich die Abrechnungsbürokratie verringern lässt. Überhaupt soll das gesamte Abrechnungsverfahren einfacher und transparenter gemacht werden. Mein liebes Tagebuch, Danke für diese Vorschläge, sie sind längst überfällig. Solche Vorschläge sollten doch eigentlich auch ein Anliegen des Apothekerverbands sein! Oder gibt es da zu enge Verbandelungen mit Rechenzentren?

27. November 2020

Jetzt ist’s endgültig durch: unser Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz. Der Bundesrat hat es am heutigen Freitag ohne weitere Diskussion durchgewunken. Jetzt muss es nur noch der Bundespräsident unterschreiben. Und wenn es dann noch im Dezember im Bundesgesetzblatt veröffentlicht ist, tritt es spätestens zum Jahreswechsel in Kraft. Mein liebes Tagebuch, ich vermute mal, dass wir dann keine knallenden Sektkorken hören werden. Unser heiß umkämpftes VOASG: Es ist die Antwort der Bundesregierung auf das EuGH-Urteil aus dem Jahr 2016, mit dem die Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel für Versender aus einem anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland aufgehoben wurde. Das VOASG versucht die dadurch entstandene Benachteiligung unserer deutschen Apotheken zu beseitigen, indem es die Rx–Preisbindung für GKV-Versicherte wieder einführt, d. h., die Rx-Preisbindung gilt nur für die Arzneimittel zulasten der GKV. Für Privatversicherte gilt diese Preisbindung nicht. Es gibt also keine vollständige Gleichpreisigkeit für inländische und ausländische Apotheken. Marktbeobachter und Juristen gehen davon aus, dass diese Regelung des VOASG schon bald vor den Gerichten, vor dem EuGH landen wird. Und wie wird das dann ausgehen? Mein liebes Tagebuch, das war’s dann wohl mit der Stärkung unserer Vor-Ort-Apotheken. Aber Halt, das VOASG hat doch noch mehr zu bieten: Wir bekommen einen kleinen Zuschuss von 2,50 Euro zum Botendienst. Und ja, wir bekommen die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen. Welche Dienstleistungen das letztlich sein werden und welches Honorar wird dafür erhalten werden, steht noch in den Sternen. Der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband werden dies noch aushandeln und vereinbaren müssen. Stand heute: Als Dienstleistungen wird vermutlich z. B. irgendetwas auf dem Gebiet des Medikationsmanagements und der Medikationsanalyse kommen – was genau, ist noch streng geheim. Die ABDA glaubt durch die Geheimhaltung in eine bessere Verhandlungsposition mit der GKV zu kommen. Und was wir dann an Honorar bekommen werden, tja mein liebes Tagebuch, diese Frage liegt noch in weiter, weiter Ferne.

 

Die Reaktion unserer ABDA auf das vor der Tür stehende VOASG: „Es ist der Startschuss für eine zukunftsfähige Arzneimittelversorgung der Patienten in Deutschland.“ Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, diesen Schuss haben wir nicht gehört, allenfalls ein kleines Plopp. Und dass das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz nun für „neue Zuversicht“ sorgen könne, da es ordnungspolitische, betriebswirtschaftliche und pharmazeutische Perspektiven aufzeige, wie es der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt formulierte – nun ja, mein liebes Tagebuch, das ist wohl präsidiales Wunschdenken, formuliert in Anbetracht der bevorstehenden Wunsch-Weihnachtszeit. Was Schmidt mit der genannten Zuversicht meint, macht er an einem Beispiel deutlich: Ein junger Apotheker, der sich für die Übernahme einer Landapotheke  mit einer sechsstelligen Kreditsumme verschulde, habe mit dem VOASG einen belastbaren Ausblick. Ups, mein liebes Tagebuch, meint er  das im Ernst? Wie sieht denn dieser Ausblick aus? Das Rx-Boni-Verbot steht auf mehr als wackeligen Füßen und könnte schon bald vom EuGH kassiert werden. Und dann geht’s richtig rund auf dem niederländisch-deutschen Arzneimittelmarkt: Die EU-Versandhäuser werden eine digitale E-Rezept-Offensive starten begleitet von Boni und Rabatten. Und was die pharmazeutischen Dienstleistungen betrifft: Sie mögen pharmazeutisch gesehen den einen oder anderen ein wenig Freude machen, aber sie werden uns wirtschaftlich nicht retten. Das Geld wird noch immer mit den Packungen verdient.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Die Worte hör ich wohl, Kai Siemsen . . .

von Uwe Hansmann am 29.11.2020 um 16:23 Uhr

. . . nicht nur mir allein fehl5 de4 Glaube, das es da zu irgendwie gearteten Anpasungen in adäquater Höhe kommen wird. Ich erinnere an den Rohrkrepierer „Perspektivpapier 2030“. Was bleibt am Ende davon, wenn die Politik weiter die Konzentrationsschraube dreht? Denn nichts anderes spielt sich doch vor unseren Augen ab, ohne das wir ich nur im Entferntesten an Besserung glauben können. Schon jetzt sind viele Betriebe älterer Kollegen nahezu unverkäuflich, da die rigorose Preispressingpolitik der Regierung im Verein mit den Krankenkassen die Roherträge an die absolute Schmerzgrenze gedrückt hat. Die vielgepriesenen Mehrwertdienste und deren immer noch unklare, ja schwammige, Entlohnung wird den Berufsstand nicht aus dem Keller holen.

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Widerspruch

von Reinhard Rodiger am 29.11.2020 um 14:51 Uhr

Da redet die neue Führung von Weiterentwicklung der fachlichen Arbeit trotz stetigem, selbst erzeugten Schwinden von Apotheken.Das Studium soll verlängert werden, bei Erhöhung der Chancenlosigkeit für Selbstständigkeit."Junge" sollen motiviert werden trotz schwindender Möglichkeiten.Das KO für Vor-Ort-Apotheken soll Zuversicht bringen.Es geht also weiter mit der Fehleinschätzung von Zukunft.Der Sack mit der unerwünschten Katze bleibt weiterhin zu. Ist nicht allein der Widerspruch zwischen Förderung der einen Seite und systematischer Verkleinerung der anderen vielsagend genug?

Kurz gesagt: nichts wurde gelernt.Motivierend könnte nur sein, offen einzustehen für die Fehlhandlung der Vergangenheit :
Preisgabe der Basis, der Geschäftsgrundlage.Die Politik hat das begriffen, sie lässt ihre Missachtung überall durchscheinen.
Niemand sagt etwas. Das Schweigen ist laut genug.Auch das wird verstanden.Ergebnis: Spielball.

Positiv interpretiert:das Spiel kann gedreht werden und mit neuer Führung die Regie übernommen werden.Oder , wir bleiben, was vorher erreicht wurde: eben Spielball, zu beliebigen Verwendung.

Also das Spiel drehen oder durch den Wolf gedreht werden.
Ein Appell.


PS: Es ist schwer,aber es wurde ja auch nie versucht.Eine Chance.

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Ergebnispolitik

von Ulrich Ströh am 29.11.2020 um 9:35 Uhr

Recht so, Kai-Peter Siemsen :

„Das Honorar muß wachsen, auch ohne zusätzliche Arbeit ….“

Endlich ein norddeutscher Kammerpräsident,der Klartext nach vielen Jahren des Stillstands spricht.

Standespolitik ist auch immer Ergebnispolitik.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Ergebnispolitik

von Dr.Diefenbach am 29.11.2020 um 12:49 Uhr

Also mal ehrlich:DAS kann ja wohl kaum als pfiffiger Leuchtturm in Form einer Aussage angesehen werden!DIESE Forderung, halt mit anderen Worten, besteht seit JAHREN,sie wurde auf Apothekertagen und Kammerversammlungen x-fach vorgetragen.Und dass die Realisierung jetzt wieder gefordert wird, ist zwar nett gemeint, wird aber wohl im Strudel der Spahnschen Corona-Geldverteilung vom Tisch gewischt werden."Nett" gemeint heisst allerdings:ES ist eine Unverschämtheit,dass die Politik uns mit einer lächerlichen Centanpassung vor einigen Jahren abspeiste, sich wohl auch weiterhin am durchschnittlichen Jahresergebnis OHNE Berücksichtigung der Rechtsverschiebung orientiert und letztendlich die Systemrelevanz der Apotheken (ein zweifelhafter Auslegungsbegriff) schon wieder ad acta gelegt haben könnte.Wie in dieser Woche in einem Beitrag auch MAL WIEDER erwähnt:Mediziner bekommen bei Forderungen stets Zusatzhonorare,den Juristen droht eine Erhöhung(!) der Vergütungen um 1o !!!! Prozent.UND:Fritz Becker führte mal aus, dass die Kompensation vor einigen Jahren, die uns Cents einbrachte,über einen Euro hinaus (die genaue Summe weiss ich nicht mehr) gehen müsse, aber nicht realisierbar sei.SO siehts aus,lieber Herr Siemsen, und DA wäre wohl die ABDA MV schon lange in der Pflicht gewesen.Da turteln doch 34 Organisationen zusammen, oder ???

60. Große Fortbildung - Herzlichen Glückwunsch Kammer Nordrhein

von Smilla Schwarz am 29.11.2020 um 8:07 Uhr

Am Mittwoch dieser Woche fand in der Apothekerkammer Nordrhein zum 60. mal die Große Fortbildung statt. Für diesen runden Geburtstag wurde das Thema „Health goes digital - wir Apotheker auch?!“ ausgewählt. Diese Kombination weckte Hoffnungen auf ein digitales Feuerwerk der Fortbildung. Denn in der Coronakrise hat sich keine Branche so rasant fortentwickelt wie das digitale Veranstaltungsmanagement und wie die Methodik in der digitalen Lehre. Professionell organisierte Tagungen vermögen inzwischen einen großen Teil dessen auch digital abzubilden, was den Erfolg der große Fortbildung in Nordrhein immer ausgemacht hat, das Treffen von Kollegen, die man lange nicht gesehen hatte, der fachliche Austausch in den Veranstaltungspausen und das „Get together“ im Anschluss.

Es ist sehr bedauerlich, dass gerade in dieser Jubiläumsveranstaltung die neuen Chancen und Optionen des professionellen Tagungsmanagements nicht eingesetzt wurden. Man beschränkte sich auf bewährte hauseigene Möglichkeiten. Auch dann dürfen die mehr als 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Vorbild für ihr eigenes Handeln von ihrer Kammer Nordrhein einen professionellen Auftritt erwarten. Das gilt nicht nur für den Neuigkeitswert der Inhalte der großen Fortbildung, sondern ganz besonders auch für eine professionelle Selbstdarstellung als Körperschaft öffentlichen Rechts. Dazu gehören die perfekte Ausleuchtung der Moderierenden, eine Kameraführung, die den Referenten in den Mittelpunkt des Bildes rückt, ein einheitlicher, organisationsbezogener virtueller Hintergrund, eine angemessene, anlassbezogene Buisiness-Kleidung und die konsequente Einhaltung des im Programm veröffentlichten Zeitplans. Es mag der Einschätzung jedes einzelnen der über 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst überlassen bleiben, in wie weit jeder selbst bei dieser Veranstaltung diese Anforderungen vom Flaggschiff der nordrheinischen Fort- und Weiterbildung als erfüllt ansieht. Die Apothekerkammer Nordrhein selbst hat jedenfalls damit, dass nicht der Präsident selbst sondern seine Stellvertreterin das Eröffnungsreferat übernommen hat, nonverbal ein unmissverständliches Signal gesetzt. Sie hat damit den Stellenwert beschrieben, den die Kammer selbst sowohl dem Thema „Health goes digital“ als auch der beruflichen Fort- und Weiterbildung derzeit zumisst.

...ach übrigens, Apothekerinnen und Apotheker freuen sich durchaus über ein online-Grußwort, das eine persönliche Wertschätzung für die in der Apotheke vor Ort Tätigen zum Ausdruck bringt. Das gilt erst recht, wenn sich jemand am nächsten Tag für eine Position im BAK-Vorstand bewerben will, die er aus eigenen Kräften allein niemals hätte erreichen können sondern für die er als Grundvoraussetzung ein zustimmendes Wahlverhalten seiner Kolleginnen und Kollegen vor Ort benötigt hat.

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