Interview mit Cannabis-Apotheker Dr. Dominik Bauer

Cannabis im Beratungsgespräch

Stuttgart - 23.11.2020, 07:00 Uhr

Welches Cannabispräparat eignet sich für welchen Patienten? Dr. Dominik Bauer berät Cannabispatienten in seiner Apotheke und erzählt DAZ.online davon.  (Foto: H_Ko / stock.adobe.com)

Welches Cannabispräparat eignet sich für welchen Patienten? Dr. Dominik Bauer berät Cannabispatienten in seiner Apotheke und erzählt DAZ.online davon.  (Foto: H_Ko / stock.adobe.com)


Jeder Apotheker kann im Schlaf zu ASS beraten, vergleichsweise neu ist die Beratung von Cannabis-Patienten in der Apotheke. Ist Missbrauch ein Problem? Für welchen Patienten eignet sich ein Vaporisator, wann eine Tee-Abkochung? Und welche Fragen tragen Cannabispatienten an die Apotheker heran? DAZ.online hat mit Dr. Dominik Bauer, versierter Cannabis-Apotheker aus Marktredwitz, gesprochen – unter anderem darüber, welche Punkte bei keiner Cannabis-Beratung fehlen dürfen.

DAZ.online: Ist Missbrauch auch bei medizinischem Cannabis ein Problem? Wenn „Ja“: Wie gehen Sie dann vor?

Bauer: Cannabis besitzt wie viele Arzneimittel neben symptomlindernden Wirkungen auch ein mögliches Missbrauchspotenzial. Laut Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) wurden bisher jedoch keine Missbrauchs-Verdachtsfälle gemeldet. Als Missbrauch wird hierbei laut Definition bereits der Freizeitkonsum gewertet. Die derzeitigen Anträge für eine Kostenübernahme sind allerdings durchaus aufwendig und werden vor Genehmigung meist intensiv durch den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) geprüft. Hier wird also zusätzlich sichergestellt, dass eine entsprechende Indikation vorliegt. Generell ist bei dem Thema Missbrauch absolutes Fingerspitzengefühl gefragt, um Patienten nicht weiter zu stigmatisieren und zu verunsichern.

Wenn Sie einen „neuen“ Cannabispatienten in der Apotheke haben – welche Punkte dürfen Ihrer Ansicht nach in keiner guten Beratung fehlen?

Bei der Erstabgabe ist es meiner Ansicht nach essenziell, dem Patienten Sicherheit zu geben. Der Patient sollte dazu angehalten werden, für ein ruhiges und vertrautes Setting bei erstmaliger Einnahme zu sorgen. Ideal wäre die Einnahme am Abend ohne Zeit- und Termindruck und unter Anwesenheit einer Vertrauensperson. Auf eine Teilnahme am Straßenverkehr sollte in der Titrationsphase verzichtet werden. Darüber hinaus sollte die jeweilige Applikation durch den Apotheker detailliert erklärt und Hinweise zu Nebenwirkungen und Wechselwirkungen, wie zum Beispiel eine additive Sedierung, gegeben werden. Weitere Themen sind zudem oft die Lieferfähigkeit der Cannabis-Sorten, die Gültigkeit der Verordnung, Reisen mit Cannabis sowie die Lagerung und Entsorgung der Arzneimittel.

Dr. Dominik Bauer, Apotheker, Mariene Apotheke Marktredwitz

Welche Patienten bekommen Cannabis eher zur Anwendung in einem Vaporisator, welche eher als Tee-Abkochung? Oder anders: Welches Cannabispräparat eignet sich für welchen Patienten?

Patienten, die sich einen schnellen Wirkeintritt und eine schnelle Symptomlinderung versprechen, verwenden oft einen Vaporisator zur inhalativen Applikation. Die perorale Einnahme ist zwar mit einem langsameren Wirkeintritt verbunden, wirkt aber deutlich länger. Hier muss eine Potenzierung der Cannabinoidwirkung durch die Metabolisierung in der Leber beachtet werden. Generell wird bei einer inhalativen Anwendung meist mehrfach pro Tag vaporisiert. Bei peroraler Einnahme als Tee ist hingegen eine zweimal tägliche Anwendung oft ausreichend. Die Tee-Zubereitung hat aufgrund der schlechten Wasserlöslichkeit der Cannabinoide und der langsamen Decarboxylierung bei 100 °C heißem Wasser jedoch nur eine geringe Ausbeute und ist daher als nur wenig effizient einzustufen. Dennoch ist diese Anwendung eine Alternative für Patienten ohne Vaporisator, die eine längere Wirkdauer benötigen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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