Schwarze Kassen und fingierte Erlöse

Wer führte AvP in die Pleite?

Stuttgart - 20.11.2020, 17:50 Uhr

Schwarze Kasse, Luftbuchungen, fingierte Rechnungen  – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die AvP in die Insolvenz trieben, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. (Foto: Atstock Productions / stock.adobe.com)

Schwarze Kasse, Luftbuchungen, fingierte Rechnungen  – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die AvP in die Insolvenz trieben, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. (Foto: Atstock Productions / stock.adobe.com)


Ermittlungen gegen Geschäftsführer ausgeweitet

Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Geschäftsführer wurden ausgeweitet und am 4. März 2020 fand seine Abberufung statt. Infolgedessen wurde vonseiten der Unternehmensführung, also der AvP Service AG, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (BaFin) informiert. Aus einem geheimen Dokument des Bundesfinanzministeriums ist zu lesen, dass die BaFin erst dann hellhörig wurde, als am 27. März der Geschäftsführer das Unternehmen verließ – aufgrund „kaufmännischer Empfehlungen“. Das erfuhr die Redaktion aus Kreisen, die Einblicke in das separate Dokument hat, das sich bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags (GSS) befindet.

Juli 2020: AvP gelobt Besserung

Doch zurück zum Gutachten des Insolvenzverwalters: Am 24. Juli fand dann ein Treffen zwischen Vertretern von AvP, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Greis & Brosent sowie der Konsortialbanken statt. Dabei wurden die unzulässigen Entnahmen des Geschäftsführers offengelegt sowie die – angeblich auch von ihm – fingierten Erlöse aus Rabattverfall beziffert. Die AvP-Unternehmensführung stellte den Banken eine Neuorganisation des Geschäftskonzepts in Aussicht und bat die Geldgeber – trotz der Missstände – die Kreditlinie nicht zu kündigen.

Ein vom Bankenkonsortium eingesetzte Beratungsgesellschaft, die Andersch AG aus Frankfurt am Main, teilte jedoch in einer Telefonkonferenz Anfang September mit, dass die strukturellen Defizite in der AvP-Unternehmensgruppe so erheblich seien, dass durch Kosteneinsparungen keine kurzfristige Verbesserung erzielt werden könnte. Zuvor gab es jede Woche einen informellen Austausch über Arbeitsfortschritt und -ergebnisse. Durch Restrukturierungsmaßnahmen und ein Liquiditätsmanagement hatten sich alle Beteiligten erhofft, die AvP-Gruppe doch noch retten zu können.

Banken kündigen Kredit – der Anfang vom Ende

Als feststand, dass dies aussichtslos war, kündigten die Banken am 4. September den Konsortialkredit – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kreditlinie auf den Abrechnungskonten vollständig durch eingegangene Vorschusszahlungen der Krankenkassen zurückgeführt war. Daraufhin war es der AvP Deutschland GmbH nicht mehr möglich, den Apotheken für den Monat September Abschläge zu zahlen. Einen Tag später erlangte die BaFin Kenntnis über die Kündigung des Kredits und wies am 10. September den inzwischen neu berufenen Geschäftsführer der AvP Deutschland GmbH an, „bis zur Klärung der insolvenzrechtlichen Situation dafür Sorge zu tragen, dass keine gläubiger- bzw. insolvenzmasseschädlichen Auszahlungen seitens des Instituts vorgenommen werden“. Als sogenannter „schwacher“ Sonderbeauftragter der BaFin wurde ein Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank bestellt. Dieser sollte die Einhaltung der Anordnung überwachen.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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