Schwarze Kassen und fingierte Erlöse

Wer führte AvP in die Pleite?

Stuttgart - 20.11.2020, 17:50 Uhr

Schwarze Kasse, Luftbuchungen, fingierte Rechnungen  – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die AvP in die Insolvenz trieben, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. (Foto: Atstock Productions / stock.adobe.com)

Schwarze Kasse, Luftbuchungen, fingierte Rechnungen  – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die AvP in die Insolvenz trieben, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. (Foto: Atstock Productions / stock.adobe.com)


Forderungen aus Rabattverfall – von der Luftbuchung zur Luftnummer?

Nachdem die Jahresabschlüsse für 2018 und 2019 korrigiert bzw. neu aufgestellt wurden, kristallisierte sich heraus, dass bei AvP über Jahre hinweg Forderungen aus sogenannten Rabattverfallen (Verfall des Kassenabschlags bzw. des Apothekenrabatts) gebucht wurden, ohne dass diese von den Krankenkassen tatsächlich gezahlt wurden (DAZ 2020, Nr. 47, S. 21). Für den Zeitraum zwischen 2013 und 2019 beläuft sich die Summe laut Hoos‘ Gutachten auf 50 Millionen Euro – also ziemlich genau die Differenz zwischen Verbindlichkeiten und Vermögenswerten, die rein rechnerisch und unter Vorbehalt auf eine Insolvenzquote von bis zu 90 Prozent hinweisen können (DAZ 2020, Nr. 46, S. 9). Weshalb AvP die Ansprüche gegenüber den Kassen nicht geltend gemacht hat, bleibt auch im Gutachten unklar. Möglicherweise war es der chaotischen Buchhaltung schlicht nicht möglich, dies sauber aufzuarbeiten. Doch Branchenvertreter äußern sich auf Nachfrage der Redaktion skeptisch: Rabattverfalle aufgrund unpünktlicher Krankenkassenzahlungen kommen praktisch nicht vor. Daraus ist zu schließen, dass man bei AvP dieses eher seltene Ereignis offenbar systematisch ausnutzte, um etwas anderes zu verheimlichen.

Ob Insolvenzverwalter Hoos also im laufenden Verfahren überhaupt noch Gelder aus diesem (vermeintlichen) Rabattverfall erfolgreich einfordern kann, muss man vor diesem Hintergrund noch weitaus skeptischer sehen. Denn in seinem Gutachten beziffert er die offenen Forderungen aus Rabattverfall auf bis zu 137 Millionen Euro. Falls sich diese Forderungen als ganz oder teilweise uneinbringlich herausstellen, hätte dies erhebliche Folgen für die Insolvenzquote.

Neben den kriminellen Machenschaften eines Geschäftsführers bei AvP sowie den offenen Rabattverfallansprüchen gibt es weitere Faktoren, die das Unternehmen ins Wanken brachten und zur Pleite führten. Dazu gehört, dass die erwirtschafteten Gebühren aus dem Abrechnungsgeschäft über Jahre hinweg nicht ausreichten, anfallende Kosten zu decken. Um dieses Defizit zu vertuschen, fingierte man die Rechnungen aus dem Rabattverfall. So konnte man Verluste vor Steuern in Höhe von rund vier Millionen Euro pro Jahr zwischen 2017 und 2019 schönrechnen.

Konsortialkredit als Liquiditätspolster

Warum diese zwielichtige Geschäftspraxis und die damit einhergehende drohende Insolvenz über eine so lange Zeit öffentlich unbemerkt blieb, ist laut Hoos‘ Ermittlungsergebnissen dem Konsortialkredit geschuldet. Dieser stellte für die AvP Deutschland GmbH ein immenses Liquiditätspolster dar und war wie schon beschrieben nicht Bestandteil der Bilanzen. Fälschlicherweise, denn im DAZ-Interview äußerte sich Insolvenzverwalter Hoos auf die Frage, warum diese Summen nicht in den Büchern auftauchen, folgendermaßen: „Nach meiner derzeitigen Einschätzung hätten die Abrechnungskonten der AvP wohl bilanziert werden müssen.“ (DAZ 2020, Nr. 46, S. 18)



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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