Kammerversammlung

Nordrhein reformiert Beitragssystem - nach 37 Jahren Stillstand

Neuss - 19.11.2020, 14:00 Uhr

Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann und Vizepräsidentin Kathrin Hollingshaus haben es sich auf die Agenda für ihre Amtszeit geschrieben, vor allem kleinen Apotheken das Leben zu erleichtern. Die Beitragsreform in Nordrhein sei ein großer Schritt in diese Richtung, so Hoffmann. (rh / Foto: AKNR)

Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann und Vizepräsidentin Kathrin Hollingshaus haben es sich auf die Agenda für ihre Amtszeit geschrieben, vor allem kleinen Apotheken das Leben zu erleichtern. Die Beitragsreform in Nordrhein sei ein großer Schritt in diese Richtung, so Hoffmann. (rh / Foto: AKNR)


Die Tücken des Boni-Verbots im VOASG

Ein in Neuss mit Spannung erwarteter Punkt auf der Tagesordnung war die Reform der Mitgliedsbeiträge. Nach rekordverdächtigen 37 Jahren fasst die Kammer Nordrhein diese nun erstmals an. Konkret sollen die Beiträge der in Vollzeit angestellten Apotheker:innen von 8 auf 14 Euro monatlich steigen. Was sich im ersten Moment nach einem ordentlichen Aufschlag anhört, ergibt sich Hoffmann zufolge vollständig aus dem Inflationsausgleich.

Beitragsbemessungsgrenze fällt, Freibetrag kommt

Der Reformcharakter der Beitragsanpassung zeigt sich insbesondere bei den Inhabern: Ihre Beiträge steigen auf dem Papier von 0,099 Prozent des Jahresnettoumsatzes auf einen Satz von 0,107 Prozent. Gleichzeitig kippt die Kammer jedoch die bisher gültige Beitragsbemessungsgrenze von 12 Millionen Euro und führt einen Freibetrag von 200.000 Euro ein. Das Ergebnis: Vor allem kleine Apotheken mit vergleichsweise geringem Jahresnettoumsatz profitieren sogar von der Reform. Rund zwei Drittel der Betriebe im Kammergebiet werden Hoffmann zufolge dadurch finanziell entlastet. Höhere Beiträge als bisher resultieren für große, umsatzstarke Apotheken.

Auch wenn man der Abstimmung über diesen Tagesordnungspunkt offenbar mit einer gewissen Anspannung entgegengesehen hatte, blieben kontroverse Debatten aus. Bedenken, dass eine Beitragssteigerung für AvP-Apotheken zur besonderen Belastung werden könnte, zerstreute Hoffmann. Die betroffenen Kollegen können demnach ganz unbürokratisch eine Stundung ihrer Beiträge beantragen. Nach einigen wenigen Wortmeldungen gaben die Delegierten grünes Licht für die Reform – ganz ohne Gegenstimme. Lediglich neun Enthaltungen waren zu verzeichnen. „Wir haben alles sehr gewissenhaft vorbereitet“, kommentierte Hoffmann die Abstimmung gegenüber DAZ.online. Seine Vizepräsidentin Kathrin Hollingshaus und er seien mit dem Ziel angetreten, Erleichterungen vor allem auch für kleine Betriebe zu schaffen. Die Beitragsreform sei ein großer Schritt in diese Richtung, so der Präsident.

Wohin fließt das Geld?

Wohin fließen die Gelder der Mitglieder eigentlich? Hoffmann nannte in der Versammlung zwei Kostenpunkte, die in Nordrhein im Vergleich zu anderen Kammern vermutlich relativ ausgeprägt sind: Öffentlichkeitsarbeit und Recht. Er erinnerte zum Beispiel an eine Plakataktion der Kammer sowie eine Anzeigenkampagne in der „Bild“-Zeitung. Beide Initiativen zielten darauf ab, den hohen Stellenwert der Apotheken in der Gesundheitsversorgung ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken und die Leistungen der Kollegen öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen.

Aktive Rechtsabteilung

Darüber hinaus ist die Kammer Nordrhein im juristischen Bereich besonders aktiv. Bedingt durch ihre unmittelbare Nähe zu den Niederlanden und damit auch den Niederlassungen von Versandhändlern wie DocMorris und Shop Apotheke hat es sich die Rechtsabteilung auf die Fahnen geschrieben, der europäischen Konkurrenz Einhalt zu gebieten – oft mit großem Erfolg. Zuletzt hatte das Team um Kammerjustiziarin Bettina Mecking erwirkt, dass Shop Apotheke nicht mehr mit dem Slogan „Die beste Online-Apotheke Deutschlands“ werben darf. Eine Abmahnung hatte sich das Unternehmen eingehandelt, weil es Werbeaufsteller in Arztpraxen platziert hatte. Zudem geht die Abteilung gegen fragwürdige Reklame von Telemedizinanbietern wie gospring und doctorabc vor.

Boni-Verbot im Sozialrecht - ein Stolperstein?

Ob das Rx-Boni-Verbot im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz gut aufgehoben ist, daran hat Mecking jedoch ihre Zweifel. Es bleibe abzuwarten, ob Wettbewerbsrechtler sich diesen Passus zu eigen machen werden, sagte sie. Denn nur dann sei die Kammer Nordrhein bei Verstößen klageberechtigt. Andernfalls müssten die Krankenkassen gegen entsprechendes Fehlverhalten vorgehen – und ob sie das tun würden, sei fraglich.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Grosser Schluck

von Nikolaus Guttenberger am 19.11.2020 um 14:26 Uhr

Insgesamt ein drastischer Schluck aus der Pulle. Wohlwissend an den Umsatz gekoppelt, und nicht etwa an den Gewinn. Das ganze mit dem Feigenblatt garniert, die Kleinsten vielleicht zu entlasten.

Wo ist denn der Inflationsausgleich für die Mitglieder der Kammer ? Und welche bahnbrechenden Erfolge der Kammerarbeit rechtfertigen das ?

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