Oraler Glucose-Toleranztest

Außer Handel: Kann eine neue NRF-Vorschrift das O.G-T.-Fertigarzneimittel ersetzen?

Stuttgart - 16.11.2020, 07:00 Uhr

Schon seit einigen Jahren haben die Krankenkassen das bisher erhältliche Fertigarzneimittel Accu-Chek Dextrose O.G-T. aus wirtschaftlichen Gründen nur in Ausnahmefällen bezahlt. (Foto: Mediteraneo / stock.adobe.com)

Schon seit einigen Jahren haben die Krankenkassen das bisher erhältliche Fertigarzneimittel Accu-Chek Dextrose O.G-T. aus wirtschaftlichen Gründen nur in Ausnahmefällen bezahlt. (Foto: Mediteraneo / stock.adobe.com)


Alte Standardzulassung zur Trinklösung nicht mehr optimal

Als Monosaccharid können sowohl Glucose als auch Glucose-Monohydrat verwendet werden. Die Verwendung von Glucose-Monohydrat ist jedoch herstellungstechnisch einfacher, da dieses sich schneller im Wasser auflösen lässt. 27,5 g Glucose-Monohydrat entsprechen dabei 25 g reiner Glucose. Um die für den oralen Glucose-Toleranztest benötigten 75 g Glucose zu erhalten, müssen also 328,2 g Lösung zubereitet werden.

Citronensäure sorgt als Säuerungsmittel in der Rezeptur dafür, dass aus dem Salz Natriumbenzoat die antimikrobiell wirksame Benzoesäure entsteht. Auch hier kann stattdessen Citronensäure-Monohydrat in äquivalenter Menge eingesetzt werden.

Glucose-Lösung 250 mg/ml für oGTT nach NRF 13.8.

Glucose-Monohydrat27,5 g
Natriumbenzoat0,177 g
Citronensäure0,229 g
Gereinigtes Wasserzu 109,4 g

Zur Herstellung wird Natriumbenzoat im Großteil des Gereinigten Wassers gelöst und danach die Citronensäure mit dem Ansatz verrührt. Anschließend kann Glucose-Monohydrat unter Erwärmen gelöst werden. Nach dem Ergänzen mit Gereinigtem Wasser kann die fertige Lösung in eine Braunglasflasche mit einer Laufzeit von 6 Monaten abgefüllt werden. Die Zubereitung hat einen pH-Wert von 3,5 und eine Dichte von 1,094 g/ml, 100 ml Flüssigkeit entsprechen daher 109,4 g.

Bereits im Herbst 2019 war das Fertigarzneimittel aufgrund von Produktionsproblemen nicht lieferbar. Als Alternative wurde in Apotheken Glucose-Monohydrat als abgeteiltes Pulver hergestellt. Teilweise wurde dem Pulver noch Citronensäure als pH-Korrigens und Citronenöl als Aromastoff hinzugefügt. Das Pulver musste dann in der Arztpraxis in Trinkwasser aufgelöst werden.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft sprach sich allerdings in einer Stellungnahme gegen diese Herstellung der Glucose-Lösung in der Arztpraxis aus. Die Zubereitung wäre fehleranfällig, die benötigte Menge an Flüssigkeit müsse präzise abgemessen werden, vielfach bliebe trotz kräftigem Rühren ein Bodensatz an Glucose. Eine falsche Herstellung kann letztendlich dazu führen, dass ein Gestationsdiabetes nicht erkannt wird.

Vor gut einem Jahr kam es bei der Durchführung des oralen Glucose-Toleranztests zum tragischen Tod einer jungen Frau und ihrem durch einen Notkaiserschnitt zur Welt gebrachten Baby. Das verwendete Glucose-Pulver war mit dem Lokalanästhetikum Lidocain verunreinigt. Der Fehler passierte damals in der herstellenden Apotheke, die genaue Klärung des Falls steht noch aus. Denkbar ist, dass ein Rest des Lokalanästhetikums, das in einem ähnlichen Gefäß wie Glucose gelagert wurde, in einen Behälter mit dem Traubenzucker geschüttet wurde. Die Firma Caelo als Marktführer hatte damals alle auf dem Markt befindlichen Chargen von Glucose und Glucose-Monohydrat überprüft und konnte keinerlei Auffälligkeiten feststellen.

Kein Glycerol, Natriumbenzoat statt Benzoesäure 

Auch vor dem Erscheinen der neuen NRF-Vorschrift 13.8. gab es schon die Möglichkeit, eine trinkfertige Lösung nach einer Standardzulassung herzustellen. Bei Lieferschwierigkeiten des FAM wurde davon auch in den Apotheken Gebrauch gemacht. Die Lösung zum Einnehmen enthielt neben Glucose-Monohydrat und Gereinigtem Wasser noch Glycerol, Citronensäure-Monohydrat und Benzoesäure. Die Zusammensetzung gilt aber nicht mehr als optimal, da das enthaltene Glycerol die bereits hohe Süße und Osmolalität der Lösung unnötig verstärkt. In diesem Zusammenhang kann es zu akuten gastrointestinalen Beschwerden bei der Schwangeren kommen. Um die schlecht wasserlösliche Benzoesäure in Lösung zu bringen, ist zudem Erhitzen bei der Herstellung nötig. Die neue Vorschrift „Glucose-Lösung 250 mg/ml für oGTT (NRF 13.8.)“ enthält aus diesem Grund kein Glycerol mehr und anstelle der Benzoesäure das leicht wasserlösliche Salz Natriumbenzoat.



Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Kostenberechnung oGTT

von Zück am 18.11.2020 um 15:30 Uhr

Sehr geehrte Frau Dr. Bergner, bitte erläutern Sie, warum auf eine Glucose-Lsg. (non RX) ein Festzuschlag von 8,35€ berechnet werden soll.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Kostenberechnung oGTT

von Chris am 20.11.2020 um 22:27 Uhr

Es muss ja nicht zwangsläufig Rx sein. Auch wenn ausnahmsweise erstattungsfähige Rezepturen zulasten der GKV abgegeben werden, werden die i.d.R. mit Festzuschlag taxiert.

Billig, alles was für GKV zählt

von ratatosk am 16.11.2020 um 11:04 Uhr

Unsicher, arbeitsaufwendig in der Arztpraxis, alles egal, Hauptsache billig billig, alles was für die GKV zählt, ebenso wie das Teilen von allem und jedem, egal wieviel Tote durch Falschanwendung vorkommen mögen.
Das ist eben D 2020 als Unterabteilung von GKV und den Handlangern in der Politik

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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