Rote-Hand-Brief zum MS-Arzneimittel Gilenya

Akutes Leberversagen unter Fingolimod

Stuttgart - 13.11.2020, 10:45 Uhr

Erhöhte Leberenzymwerte sind eine sehr häufige Nebenwirkung von Fingolimod. Nach schweren Leberschäden und transplantationspflichtigem akutem Leberversagen gibt es nun neue Empfehlungen, um das Risiko von Leberschäden unter Gilenya bei MS zu reduzieren. (Foto: Novartis)

Erhöhte Leberenzymwerte sind eine sehr häufige Nebenwirkung von Fingolimod. Nach schweren Leberschäden und transplantationspflichtigem akutem Leberversagen gibt es nun neue Empfehlungen, um das Risiko von Leberschäden unter Gilenya bei MS zu reduzieren. (Foto: Novartis)


Wie wirkt Fingolimod?

Fingolimod zählt zu den selektiven Immunsuppressiva. Als Prodrug wird Fingolimod durch die Sphingosin-Kinase zum aktiven Metaboliten Fingolimod-Phosphat metabolisiert. Es bindet an den Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor (S1P-Rezeptor) auf Lymphozyten, wirkt dort als funktioneller Antagonist und blockiert deren Migration. Dadurch verhindert Fingolimod, dass Lymphozyten aus den Lymphknoten wandern können. Die Wirkung von Fingolimod auf Lymphozyten lässt sich somit eher als Umverteilung von Lymphozyten beschreiben als durch eine Depletion. Aufgrund des Festhaltens der Lymphozyten in den Lymphknoten sollen auch weniger pathogene Lymphozyten (Th17-Zellen) das Zentralnervensystem infiltrieren, die dort neuronale Entzündungen und Nervendestruktion fördern. Letzteres konnte in tierexperimentellen Studien gezeigt werden. Nach Gabe von Fingolimod (oral) sinkt bereits nach wenigen Stunden die Lymphozytenzahl im Blut auf 75 Prozent des Ausgangswertes. Gilenya® wirkt vorwiegend auf Lymphozyten (B- und T-Lymphozyten), die regelmäßig durch die Lymphknoten zirkulieren, wohingegen T-Lymphozyten mit Effektor-Memory-Phänotyp in den peripheren Geweben nicht beeinflusst werden (15 bis 20 Prozent). Darüber hinaus kann Fingolimod-Phosphat auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden und dort direkt an den S1P-Rezeptor auf Nervenzellen binden.

Nicht in der Schwangerschaft

Erst im Juli 2019 schränkte die EMA die Anwendung von Fingolimod ein: Fingolimod ist seither bei Schwangeren und MS-Patientinnen mit Kinderwunsch kontraindiziert. Die EMA warnte vor Fehlbildungen an Herz, Nieren, Knochen und Muskeln beim Kind, wenn Frauen unter dem Multiple-Sklerose-Arzneimittel schwanger werden. Besteht unter Gilenya® ein Kinderwunsch, müssen Frauen nach Absetzen von Fingolimod noch zwei Monate sicher verhüten.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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