Skandal um Unterdosierungen

Kein Gerichtsverfahren gegen PTAs von Zyto-Apotheker Peter S.

Berlin - 10.11.2020, 15:45 Uhr

Trotz Protest der Staatsanwaltschaft: Das OLG Hamm will kein Strafverfahren gegen zwei frühere PTAs von Peter S. eröffnen. (Foto: Gerhard Seybert / stock.adobe.com)

Trotz Protest der Staatsanwaltschaft: Das OLG Hamm will kein Strafverfahren gegen zwei frühere PTAs von Peter S. eröffnen. (Foto: Gerhard Seybert / stock.adobe.com)


Kein nachvollziehbares Motiv

Gegen die Einbeziehung von Mitarbeitern spreche auch, dass das Ermittlungsergebnis ein nachvollziehbares Motiv der PTAs, Stadtmann zu unterstützen, nicht erbracht habe. Zwar soll dieser seinen Mitarbeitern „bei finanziellen Notlagen großzügig geholfen haben“. Doch sei aus dem Urteil gegen ihn nicht ersichtlich, dass auch die beiden PTAs solche „Hilfen“ erhielten. Zudem habe Stadtmann auch solchen Personen teure Geschenke gemacht, die nicht im Verdacht stehen, an seinen Taten beteiligt gewesen zu sein.

Skandal um Unterdosierungen

Verteidigung befragt Bottroper Zyto-PTA

Dabei hatte ein Zeuge vor Gericht von „Blutgeld“ gesprochen, das seine frühere Frau als PTA bei Stadtmann mit nach Hause gebracht hatte. „Irgendwann war es so viel, dass ich gesagt habe, das ist nicht normal – du wirst für etwas bezahlt, was nicht richtig ist“, erklärte er vor Gericht. Laut Arbeitsvertrag habe sie rund 1.900 Euro netto verdient – doch regelmäßig das Zwei- bis Dreifache nach Hause gebracht, bis zu 6.000 Euro. Hinzu sei ein Dienstwagen gekommen, Überstunden seien schwarz in bar ausgezahlt worden und es habe Kuverts mit bis zu 3.000 Euro in bar gegeben, teils als „Dankeschön“ bezeichnet.

Diese Aussage berücksichtigte das Oberlandesgericht nicht. Hingegen rügte es in seinem Beschluss die Staatsanwaltschaft: Die Richtigkeit der Angaben aus den Protokollen sei nicht möglich, „was zumindest auch darauf beruht, dass naheliegende Ermittlungshandlungen in Bezug auf diese Protokolle und ihre Herstellung unterblieben sind“, schreiben die Richter. Im Aktenvermerkt hatte die Staatsanwaltschaft festgehalten, dass neben einer mehrmonatigen Protokollsammlung zwei Stapel aktuelle Protokolle vorgefunden wurden. Doch nicht für alle sichergestellten Zubereitungen konnte ein Herstellungsprotokoll gefunden werden. Schon das Fehlen einer erheblichen Zahl von Protokollen spreche dafür, dass in der früheren „Alten Apotheke“ die Dokumentationspflicht „nicht immer beachtet wurde“, schreiben die Richter.

Wo Blankoformulare, Schreibgerät und zu den sichergestellten Arzneimittelzubereitungen gehörende Doppeletiketten aufbewahrt wurden, wurde laut Oberlandesgericht nicht dokumentiert. Ebenso sei nicht ermittelt worden, wann und durch wen die Erstellung der Herstellungsprotokolle im Geschäftsablauf der „Alten Apotheke“ üblicherweise erfolgte.

So sei denkbar, dass Stadtmann einen Teil der Protokolle falsch ausfüllte, um den Anteil der von ihm selbst erstellten Zubereitungen in der Dokumentation geringer darzustellen und die Geschäftsabläufe in der Apotheke weniger auffällig darzustellen – er habe alle 66 bei der Razzia sichergestellten Unterdosierungen eigenhändig herstellen können. Zum anderen habe er womöglich andere Mitarbeiter in seine Taten mit einbezogen, die ihrerseits falsche Angaben bei Ausfüllung der Herstellungsprotokolle gemacht haben könnten, um ihre Tatbeteiligung zu verschleiern.

Soweit die Staatsanwaltschaft darauf hoffe, Stadtmann werde im Rahmen einer neuen Hauptverhandlung die Angeschuldigten belastende Angaben machen, „beruht diese Hoffnung auf reiner Spekulation“, erklären die Richter. Seit Rechtskraft des Urteils gegen ihn sei „noch nicht einmal der Versuch seiner zeugenschaftlichen Vernehmung unternommen“ worden. Es sei daher davon auszugehen, dass er weiter schweigen oder sich auf Nichtwissen oder Erinnerungslücken berufen werde. „Gänzlich unwahrscheinlich erscheint jedoch auch, dass er sein Aussageverhalten in der Zeugenrolle ändern würde, gerade falls es sich bei den Angeschuldigten um Mitwisserinnen oder Mittäterinnen gehandelt haben sollte.“

Stadtmann habe – gerade auch angesichts der öffentlichen Anteilnahme an dem Verfahren – keinerlei Interesse an einer weiteren Aufklärung der Vorgänge in seiner Apotheke. „Soweit die Staatsanwaltschaft darauf verweist, dass er durch die Verhängung von Ordnungsmitteln zur Aussage veranlasst werden könnte, dürften ihn die zur Verfügung stehenden Ordnungsmittel angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe und den wirtschaftlichen Folgen, die das Strafverfahren für ihn hatte, kaum beeindrucken.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.