Wegen COVID-19

Umgang mit Infektionen und Quarantäneanordnungen in Apotheken

Remagen - 29.10.2020, 14:30 Uhr

Was ist zu tun, wenn ein Corona-Verdachtsfall im eigenen Apothekenteam auftritt? (Foto: Schelbert)

Was ist zu tun, wenn ein Corona-Verdachtsfall im eigenen Apothekenteam auftritt? (Foto: Schelbert)


Die Zahlen an SARS-CoV-2-Infizierten steigen mit beängstigender Geschwindigkeit. Auch vor den Apotheken macht das Coronavirus nicht halt, weder vor noch hinter dem HV-Tisch. Was ist zu tun, wenn ein Mitglied des Personals infiziert ist oder nachweislich Kontakt mit einem COVID-19-Kranken hatte? Gibt es für Apotheken Ausnahmeregelungen, weil sie zur „Kritischen Infrastruktur“ gehören? Was muss in der Apotheke beachtet werden, um zu verhindern, dass das Gesundheitsamt eine vorübergehende Schließung anordnet?

Die Apothekenkunden rechnen damit, dass das Apothekenpersonal „Corona-clean“ ist. Mit zunehmender Intensität der Pandemie wird es aber wahrscheinlich unvermeidbar sein, dass auch Apothekenmitarbeiter sich infizieren oder wegen des Verdachts auf eine Infektion 14 Tage zu Hause bleiben müssen. Können die Gesundheitsämter solche Konstellationen zum Anlass nehmen, die vorübergehende Schließung einer Apotheke anzuordnen, bis die Infektionsgefahr vorüber ist? DAZ.online hatte das Thema „Möglicher Corona-Verdachtsfall im Apothekenteam – was ist zu tun?“ bereits Anfang April aufgegriffen. 
Seitdem ist fast ein halbes Jahr vergangen und die Situation hat sich deutlich verschärft. Deswegen sollen die aktuellen Regeln nochmals aufgearbeitet werden.

Ein Fall aus der Praxis

Apotheker Christian Schmidt aus dem ostwestfälischen Detmold hat es im März am eigenen Leib erfahren müssen. Andere Kollegen mögen ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Bei Schmidt war eine Mitarbeiterin scheinbar erkältet aus dem Urlaub in Österreich zurückgekommen und hatte zunächst noch ein paar Tage weitergearbeitet, bevor sie dann doch krankheitsbedingt zu Hause blieb. Ein paar Tage später wurde sie dann positiv auf das Coronavirus getestet. Für ihren Chef, Inhaber der Hof-Apotheke, begann eine Berg- und Talfahrt. Er meldete sich umgehend beim Kreisgesundheitsamt und verwies auf das Hygienekonzept in seiner Offizin. Die Apotheke könne geöffnet bleiben, wenn die Mitarbeiter Handschuhe und Schutzmasken trügen, hieß es zunächst. Dann aber wurde am selben Tag die umgehende Schließung angeordnet, bevor keine 24 Stunden später die Entwarnung kam. Er dürfe wieder öffnen, teilte die Behörde Schmidt mit.

Gehören Apotheken zum medizinischen Personal?

Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL), in dem Schmidt Bezirksgruppenvorsitzender ist, forderte daraufhin für die Apotheken eine ähnliche Regelung, wie sie für Ärzte längst galt, nämlich die Einstufung als „medizinisches Personal“ mit den entsprechenden Quarantäne-Empfehlungen des RKI. Nach einer aktuellen Auskunft des Robert Koch-Instituts gegenüber DAZ.online wird das Personal in Apotheken im Sinne der RKI-Empfehlungen „Optionen zur vorzeitigen Tätigkeitsaufnahme von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern bei relevantem Personalmangel“ nicht als „medizinisches Personal“ eingestuft. Die Optionen sind damit für Apotheken nicht anwendbar.

Gehören Apotheken zur kritischen Infrastruktur (KritIS)?

Für die ABDA ist die Einstufung der Apotheken als „Kritische Infrastruktur“ unstrittig. „Nach der KRITIS-Strategie der Bundesregierung sind Kritische Infrastrukturen (KritIS) Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden“, erklärte die stellvertretende Sprecherin der Bundesapothekerkammer Ursula Sellerberg auf Anfrage von DAZ.online.

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RKI: Pharmazeutisches Personal essenziell und hochspezialisiert

„Die Arzneimittelversorgung zählt unzweifelhaft dazu.“ Insofern verweise die ABDA in ihren FAQ „COVID-19-Pandemie – Fragen zum Apothekenbetrieb“ auf die Seite des RKI, fügte Sellerberg an. Das Robert Koch-Institut hatte hierzu im Übrigen Anfang April eine entsprechende Klarstellung vorgenommen, die pharmazeutisches Personal als essenziell, hochspezialisiert und der Kritischen Infrastruktur zugehörig einstuft.

RKI-Empfehlungen zum Personalmangel in der kritischen Infrastruktur

Damit sind für Apotheken die „Optionen zum Management von Kontaktpersonen beim Personal der Kritischen Infrastruktur bei Personalmangel“ maßgeblich, die das RKI Ende Juli veröffentlicht hatte. Mit den Optionen soll die Absonderung/Quarantäne von KritIS-Personal minimiert werden, um die kritische Infrastruktur möglichst wenig zu beeinträchtigen. Die Handlungsoptionen sollen jedoch nur angewendet werden, wenn bei besonderem Personal der kritischen Infrastruktur ein relevanter Personalmangel (KritIS-Personalmangel) vorliegt und wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind, mit der die unverzichtbare Personalbesetzung sichergestellt werden könnte. Außerdem müssen die Ausnahmeregelungen auf essenzielles und/oder hochspezialisiertes KritIS-Personal beschränkt bleiben. Als Beispiel wird an dieser Stelle explizit das pharmazeutische Personal angeführt. 
Bei den Empfehlungen für Situationen mit oder ohne Personalmangel unterscheidet das RKI drei Fallkonstellationen, je nachdem, ob das KritIS-Personal Kontakt mit einem COVID-19-Fall hatte oder selbst infiziert bzw. Symptome hat. Für diese werden dann jeweils unterschiedliche Vorgaben gemacht, die auf der Webseite des RKI in einer anschaulichen Tabelle aufbereitet sind. 

Handlungsempfehlungen für Betreiber Kritischer Infrastrukturen

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat darüber hinaus Handlungsempfehlungen für Unternehmen, insbesondere für Betreiber Kritischer Infrastrukturen herausgegeben (Stand 6. April 2020). Hiernach müssen die betroffenen Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um die Schlüsselfunktionen entsprechend der Personalplanung zu besetzen und sicherstellen, dass hierfür genügend Personal verfügbar ist. So kann z. B. Personal aus dem Ruhestand reaktiviert werden oder, sofern es betrieblich möglich ist, ein Rotationsmodell etabliert werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch gesundes Personal ausfallen kann, etwa weil erkrankte Angehörige versorgt oder wegen Schließungen von Schulen oder Kitas kurzfristig Kleinkinder und schulpflichtige Kinder betreut werden müssen (Betreuungsregelungen für Personal der Kritischen Infrastruktur!). 

Nützliche Checklisten

Eine 9-Punkte-Checkliste unterstützt Kritische Infrastrukturen dabei, das betriebliche Krisenmanagement einem Schnell-Check zu unterziehen (Stand: 27.03.2020). Hier einige Essentials aus der 9-Punkte-Checkliste:

  • Sind alle relevanten Aufgaben und konkrete Entscheidungsbefugnisse im Krisenmanagement festgelegt und konkreten Personen und deren Vertretungen zugewiesen?
  • Sind Regelungen zur internen und externen Krisenkommunikation festgelegt?
  • Sind alle Beschäftigten hinsichtlich eines verantwortungsvollen Verhaltens und Gefahren während einer Pandemie am Arbeitsplatz und auch im privaten Umfeld informiert?
  • Ist sichergestellt, dass alle Beschäftigten über die Krisenorganisation und die damit ggf. verbundenen Änderungen in der Ablauforganisation informiert sind?
  • Ist das Schlüsselpersonal für Kernprozesse identifiziert und wird Ersatzpersonal vorgehalten (z. B. Personal im Ruhestand)?
  • Gibt es einen Plan für eine kontrollierte Stilllegung des Betriebes (hier Apothekenschließung) für den Fall, dass ein grundlegender Personalmangel eintritt?

Noch detaillierter ist die Checkliste der Arbeitsgemeinschaft Notfall- und Katastrophenpharmazie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) „Pandemie Öffentliche Apotheke“

Wann muss man in behördlich angeordnete Quarantäne?

Eine Quarantäne wird laut RKI behördlich angeordnet, wenn ein hohes Risiko besteht, dass man sich angesteckt hat. Die Beurteilung des Ansteckungsrisikos und damit die Anordnung und Aufhebung der Quarantäne obliegt im Einzelfall dem zuständigen Gesundheitsamt. Kontaktdaten der zuständigen Gesundheitsämter lassen sich über eine Suchmaske ermitteln. 

Was passiert, wenn die Apotheke geschlossen werden muss?

Auf ein solches Szenario geht die ABDA in ihren FAQ (Stand: 29. September 2020) 
ebenfalls ausführlich ein. Wenn aufgrund einer Anordnung der zuständigen Behörde Mitarbeiter des Apothekenpersonals von Quarantänemaßnahmen betroffen sind und eine ordnungsgemäße Besetzung der Apotheke auch unter Berücksichtigung der besonderen RKI-Empfehlungen für Personal der kritischen Infrastruktur nicht mehr gewährleistet werden kann, muss sie geschlossen werden, heißt es in den FAQ. Der Betriebserlaubnisinhaber muss die zuständige Apothekerkammer von der Schließung ebenso wie von der Wiedereröffnung, etwa nach einem abgelaufenen Quarantänezeitraum, in Kenntnis setzen. 

Anspruch auf Entschädigung

Wird der Betrieb der Apotheke aus infektionsschutzrechtlichen Gründen untersagt oder Quarantäne angeordnet, so besteht nach Darlegung der ABDA in den FAQ grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung (§ 56 IfSG), und zwar für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer. Voraussetzung für Entschädigungsansprüche ist allerdings das Verbot der Erwerbstätigkeit aus infektionsschutzrechtlichen Gründen oder die Anordnung von Quarantäne. Apothekenleiter und/oder die Mitarbeiter sollten darauf achten, dass sie eine förmliche Verfügung nach Infektionsschutzgesetz erhalten. Eine Empfehlung für bestimmte Maßnahmen reicht laut ABDA in der Regel nicht aus, um Erstattungen nach dem Infektionsschutzgesetz zu erhalten. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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