Schleswig-Holstein

Froese: „Leistungsintegration“ im heilberuflichen Netz als Zukunftsperspektive

Süsel - 26.10.2020, 09:45 Uhr

Dr. Peter Froese - hier beim Deutschen Apothekertag 2019 - widerspricht dem Gerücht, die Apotheker seien Gewinner der Pandemie. (Foto: Schelbert)

Dr. Peter Froese - hier beim Deutschen Apothekertag 2019 - widerspricht dem Gerücht, die Apotheker seien Gewinner der Pandemie. (Foto: Schelbert)


Die Vorbildfunktion bei der Pandemiebekämpfung und die Fortsetzung formaler Erleichterungen bei der Rezeptbelieferung bieten kurzfristige Perspektiven für die Apotheken. Als längerfristige Aspekte betont Dr. Peter Froese, der Vorsitzende des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, den Dienstleistungsfonds gemäß VOASG, das Makelverbot und den richtigen Umgang mit der Digitalisierung. Für ihn ist das eine „Leistungsintegration“ im heilberuflichen Netzwerk.

Bei der am Samstag online durchgeführten Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein ging es zunächst um die Arbeit der Apotheken in der Pandemie. Doch im Mittelpunkt standen die laufende Gesetzgebung und die langfristigen Perspektiven der Apotheken. Der Verbandsvorsitzende Dr. Peter Froese betonte die Vorbildfunktion der Apotheken, die sehr früh Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus ergriffen hätten. Da gehe noch mehr, beispielsweise bei der Beratung von Heimen zu Hygienemaßnahmen. Doch Froese widersprach entschieden dem Gerücht, die Apotheken seien Profiteure der Pandemie. Auf die großen Umsatzzuwächse vom März sei eine tiefe Delle gefolgt. Insgesamt würden die bisherigen Daten eine Fortsetzung der vorherigen wirtschaftlichen Entwicklung mit vielen Hochpreisern und großen Unterschieden zwischen den Apotheken zeigen.

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In Antigentests sieht Froese einen „sehr hoffnungsvollen Ansatz mit der Pandemie umzugehen“ und verwies dazu auf die jüngste Coronavirus-Testverordnung. Diese sehe risikogruppenadjustierte Tests und die Probennahme durch Fachkräfte vor. Die Verordnung habe „eine hohe Logik“, erklärte Froese. Denn auch Antigentests seien nur begrenzt verfügbar und sollten dort eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden. Froese erklärte dazu, die Apothekerorganisationen seien derzeit in intensiven Gesprächen, sich dort einzubringen. Er deutete an, dass es dabei um die Belieferung von relevanten Einrichtungen, beispielsweise Heimen, geht.

Dienstleistungsfonds als Zukunftssignal

Zur aktuellen Gesetzgebung erklärte Froese, einige „bemerkenswerte Elemente“ im Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) würden „stark in die Zukunft weisen“. Der Dienstleistungsfonds sei zwar kurzfristig „nicht die Lösung aller Probleme“, aber ein wichtiger Ansatz. Denn neben der Beziehung zum Arzneimittel verankere er formal eine Patientenzentrierung und bilde sie in der Honorierung ab. Der Dienstleistungsfonds werde sofort nach seiner Einführung laufend gefüllt, noch bevor die Apotheken flächendeckend neue Leistungen etablieren könnten. Daher bekräftigte Froese den von ihm und Dr. Frank Diener (Treuhand Hannover) schon mehrfach geäußerten Vorschlag, einen Teil der Mittel anfangs einzusetzen, um eine digitale Infrastruktur für künftige Dienstleistungen aus Apotheken aufzubauen.

Erfolg beim Makelverbot

Zum erweiterten Makelverbot erklärte Froese erfreut, der Sachinhalt der Anträge des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein vom Deutschen Apothekertag 2019 werde in dieser Regelung im Patientendaten-Schutzgesetz abgebildet. Das sei praktisch ein Verbot für bestimmte Geschäftsmodelle. Dies müsse jedoch noch technisch abgesichert werden. Dafür biete sich die derzeit laufende Gesetzgebung zur Digitalisierung an. Das E-Rezept sieht Froese als Chance, „Grundlegendes“ für die Retax-Sicherheit zu erreichen. Denn die Technik sollte für formal korrekte Rezepte sorgen.

Hohe Rabattvertragsquote trotz Regel-Erleichterungen

Außerdem hofft Froese, dass die formalen Erleichterungen für die Rezeptbelieferung, die wegen der Pandemie eingeführt wurden, künftig weiter gelten. Aufgrund seiner Erfahrungen stellte Froese die These auf, dass die Rabattverträge derzeit fast ebenso oft berücksichtigt würden, wie dies sonst ohne die Erleichterungen geschehen sei.

Doch Froese beschrieb auch die Herausforderungen der Digitalisierung. Gesundheitsdaten gehörten zu den wertvollsten digitalen Handelsgütern. Außerdem würden digitale Anwendungen Suchtmechanismen nutzen, um die Nutzer auf der jeweiligen Plattform zu halten. Hinzu kämen immer wieder neue technische Möglichkeiten, insbesondere Sensoren. So würden neue Geschäftsmodelle entstehen, beispielsweise Plattformen für Apotheken, die sich als „Lenker von morgen“ verstehen.

Arzneimittel als Ware

Daraufhin drohe das Szenario einer „digital optimierten Materialwirtschaft“ mit dem Fokus auf dem Arzneimittel als Ware. Apotheken würden dabei fremdbestimmt und zur Vereinfachung gezwungen. Ihre Handelsspannen würden gefährdet. Die Alternative sei die „Leistungsintegration“ in einem Netzwerk, das sein Handeln an Gesundheitszielen orientiere. Die Apotheken könnten sich dabei mit anderen Heilberuflern vernetzen und ihren direkten Zugang zur Bevölkerung im Sinne von Public Health nutzen. Pharmazeutische Expertise könne helfen, die Versorgung zu managen. Dafür bräuchten Dienstleistungen ein eigenes zukunftsfähiges Honorar, das sinnvoll mit der guten vorhandenen Honorierung kombiniert werden müsse. Dabei sollten sich die Apotheken stärker als Einheit im Sinne der Vernetzung verstehen, weil ihr Nutzwert für die Patienten gemeinsam größer sein könne.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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