Stiftung Warentest

Bei Depression: Johanniskrautpräparate nur aus der Apotheke

Stuttgart - 26.10.2020, 13:45 Uhr

Johanniskrautpräparate zur Behandlung einer leichten Depression sollten nur als apothekenpflichtige Arzneimittel eingesetzt werden. (Foto: Axel Bueckert / stock.adobe.com)

Johanniskrautpräparate zur Behandlung einer leichten Depression sollten nur als apothekenpflichtige Arzneimittel eingesetzt werden. (Foto: Axel Bueckert / stock.adobe.com)


Johanniskraut bei Depressionen – was sagt die Leitlinie?

Die aktuell gültige S3-Leitlinie „Unipolare Depression – Nationale Versorgungsleitlinie“ erkennt, dass Phytotherapeutika mit Johanniskraut aufgrund ihrer häufigen Verordnung in Deutschland eine Rolle spielen. Sie würden oft aufgrund ihrer „vermeintlich geringeren Nebenwirkungen“ für die Behandlung leichter bis mittelschwerer Depressionen eingesetzt. Allerdings: Die Wirksamkeit von Johanniskraut in der Behandlung von Depressionen sei umstritten. Es liegen den Leitlinien-Autoren zufolge verschiedene Daten vor – manche Studien belegten die Wirksamkeit, andere zeigten keine Überlegenheit gegenüber Placebo. Eine Metaanalyse (Cochrane Review: „St. John`s Wort for treating depression“) aus dem Jahre 2008 fand, dass Johanniskrautextrakte bei leichter bis mittelgrader depressiver Symptomatik wirksam sind, bei schweren und chronisch verlaufenden Depressionen wurden keine Effekte belegt.

Johanniskraut wird den chemischen Antidepressiva nicht als überlegen angesehen. Allerdings seien manche Patienten einem „natürlichen Produkt“ aufgeschlossener. Bei einer solchen Patientenpräferenz könnte folglich bei leichter bis mittelschwerer Depression Johanniskraut als erster Behandlungsversuch eingesetzt werden, lautet die Einschätzung der Leitlinien-Autoren. Sie betonen vor allem die schweren Wechselwirkungen, die bei einer Johanniskrauttherapie zu beachten sind. Johanniskraut wirkt als CYP-Induktor und kann dadurch den Abbau und die Ausscheidung anderer Arzneimittel beschleunigen, wie bei Immunsuppressiva (Ciclosporin, Tacrolimus), oralen Kontrazeptiva, Antikoagulanzien, HIV-Arzneimitteln und anderen Antidepressiva (Amitriptylin, Nortriptylin).

Hauptproblem bei den Phytotherapeutika ist die Standardisierung und schwankende Dosen der möglicherweise aktiven Substanzen, wie Hypericin und Hyperforin. Da nicht bekannt sei, welche Stoffe im Johanniskraut in welcher Menge und auf welchem Weg für die antidepressive Wirkung verantwortlich sind, sollten nur Präparate eingesetzt werden, deren klinische Wirksamkeit durch eigene Studien belegt ist, rät die Leitlinie.

Welche Rolle spielen Johanniskrautpräparate bei Depressionen?

Laut Arzneiverordnungsreport 2019, der das Verordnungsverhalten von 2018 widergibt, wurden damals 28,8 Millionen DDD (Defined Daily Dose) an Johanniskrautpräparaten (Laif®, Neuroplant®, Jarsin®) verordnet. Apothekenpflichtige Arzneimittel sind hierbei nicht berücksichtigt, genauso wenig freiverkäufliche Mittel. Zum Vergleich: Allein Citalopram kam 2018 auf 266 Millionen DDD.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Lieferengpässe bei Johanniskraut-Präparat Laif® lassen Fragen nach Alternativen aufkommen

Nicht lieferbar, aber austauschbar?

Qualitätsmängel bei Johanniskraut

Lieferengpass bei Laif

Johanniskrautextraktpräparate in der Therapie von Depressionen

Der feine Unterschied

Laif®: Niedriger Wirkstoffgehalt beim Rohstoff sorgt für Lieferengpässe

Derzeit nur eingeschränkt verfügbar

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.