Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

11.10.2020, 07:43 Uhr

Wo man hinschaut – nur Baustellen! (Foto: Alex Schelbert) 

Wo man hinschaut – nur Baustellen! (Foto: Alex Schelbert) 


7. Oktober 2020 

Ja, die Sache mit der Gleichpreisigkeit, die uns das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) erhalten soll, ist so eine Sache. Eine echte Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel verbirgt sich dahinter bekanntlich nicht, das VOASG gilt nämlich nur für Arzneimittel zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Für Patienten, die in einer Privaten Krankenversicherung sind, gibt’s keine Gleichpreisigkeit mehr. Das könnte bedeuten, dass die Preise für GKV und PKV auseinander driften. Das gefällt der PKV gar nicht, und die ABDA hat mit einem Preiswettbewerb, der dadurch entstehen könnte, ebenfalls ein Problem. Aber auch Pharmaverbände, z. B. der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) warnen vor dem Aufweichen der Preisbindung. Die Bedenken sind bei der Politik angekommen: Die SPD-Bundestagsfraktion bittet nun das Bundesgesundheitsministerium, erneut zu prüfen, ob man nicht doch das Rx-Boni-Verbot des VOASG auf die PKV ausweiten könne. Mein liebes Tagebuch, wir können nur hoffen, dass dieser Vorstoß in letzter Minute noch etwas bewegt. Denn mit freien Preisen und Preiskämpfen im PKV-Bereich ist keinem gedient. Allerdings kommt der SPD-Vorstoß nun wirklich spät, vermutlich zu spät, denn Jens Spahn hat bereits so eine Art grünes Licht aus Brüssel für sein VOASG bekommen. Ob er das VOASG nun stoppt und umarbeiten lässt, ist mehr als fraglich.

 

Auch Klaus Michels, Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, mahnte bei der Politik an, schnellstmöglich Lösungen für die Apotheken zu finden, die von der AvP-Insolvenz betroffen sind. Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen seien unverschuldet in diese Notlage gekommen, manche Apotheken stünden unmittelbar vor dem Aus. Michels machte auch deutlich, dass die Politik Regelungen finden muss, um für die Zukunft ähnliche Fälle zu verhindern.

 

Die AvP-Pleite war Thema im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Es sprachen miteinander: Fachpolitiker, Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums, Bundeswirtschaftsministeriums und Bundesfinanzministeriums, außerdem die ABDA und der vorläufige Insolvenzverwalter sowie der von der Bankenaufsicht BaFin eingesetzte AvP-Geschäftsleiter. Da gab’s so einige Erkenntnisse über das AvP-Geschäft. AvP war als Factoring-Institut gelistet, das den Apotheken und anderen Leistungserbringern „schnelles Geld“ bei der Krankenkassenabrechnung zur Verfügung stellte. Möglich machte dies die AvP durch einen Konsortialkredit, also einen Kredit mit mehreren Banken. Die Apotheken mussten in ihrem Vertrag ihre Forderungen gegenüber den Krankenkassen an AvP abtreten. Zur AvP-Insolvenz führten u. a. signifikant niedrige Gebühren, unverhältnismäßige Ausgaben und so manche besondere Entnahme, heißt es. Und dann kündigten die Banken ihre Kreditlinien just in dem Moment, als so viele (Abschlags-)Zahlungen der Kassen bei der AvP eingegangen waren, dass deren offenen Forderungen befriedigt werden konnten. Die Banken holten sich so ihr Geld gewissermaßen unter Ausnutzung ihres Wissensvorsprungs und auf Kosten anderer Gläubiger. Spekuliert wird auch darüber, ob größere Geldbeträge illegal beiseite geschafft wurden, ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Unbekannte wegen betrügerischer Insolvenz läuft. Mein liebes Tagebuch, in dieser Gemengelage ist alles drin, was einen guten Wirtschaftskrimi abgibt. Aber wie sieht es nun mit Hilfen für die betroffenen Apotheken aus? Auf alle Fälle soll es Schnellkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit günstigen Zinskonditionen geben. Weitere politische Maßnahmen werden geprüft. Vor allem FDP und Grüne wollen sogar im Rahmen von Sondersitzungen weitere Hilfsmaßnahmen für Apotheken und politische Konsequenzen aus den Vorgängen beraten. Mein liebes Tagebuch, das ist dringend nötig!

 

Wie aus einer schriftlichen Anfrage der Linken an die Bundesregierung hervorgeht, will unsere Regierung erstmal die weitere Entwicklung abwarten. Die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch die Apotheken sei der Bundesregierung zwar ein sehr wichtiges Anliegen, „sie wird diese auch weiterhin genau beobachten“. Mein liebes Tagebuch, das ist dünn, sehr dünn. Da fragt sich auch die Apothekerin und Arzneimittelexpertin der Linken, Sylvia Gabelmann, ob die Bundesregierung den Ernst der Lage erfasst hat. Denn immerhin hat die aufsichtführende Bundesbehörde BaFin erst arg spät reagiert; zudem sind die Apotheken gesetzlich verpflichtet, über diese privaten Zentren abzurechnen. Mein liebes Tagebuch, man nennt es Mitverantwortung des Bundes!



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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8 Kommentare

"Avp-Virus" jetzt auf Kassensuche ...?

von Christian Timme am 11.10.2020 um 23:13 Uhr

"Corona" als wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument wird nicht nur den Apothekers noch "viel Freude" bereiten... wer wird denn ein solches "Spielzeug" freiwillig aus der Hand GEBEN?

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3 mal Hoch

von Dr.Diefenbach am 11.10.2020 um 16:17 Uhr

...man lese die Ausführungen der geschätzten Kollegin mehrfach um die dramatischen Konsequenzen, dargelegt von Prof.H. Meyer(hat die ABDA Spitze ihn eigentlich im Focus??)überhaupt zu erkennen.Offenbar ist da in der Berliner Juristerei einiges vorbei gelaufen,Ich frage aufs Neue:WO bleibt mal ein Statement von zB Herrn Tisch?Mir wird stets erzählt, dass die Aktivitäten im Verborgenen ablaufen, ohne die plebiszitäre PR(wie wir hier im Netz sie so betreiben!!),aber ich SEHE :Die Erfolge nicht!!! Insofern kann ich auch nur die Basis auffordern sich Ala Luther die Guttenbergerschen Thesen anzuschauen, dann vom Glauben abzufallen UND NEUE Wege zu suchen.Die Komplettabsage eines gerade jetzt so wichtigen Apothekertages.Das spricht für sich.Dass die Aktivitäten der Banken bei AvP so subtil abgelaufen sein sollen:Dies wäre ein Signal der hauseigenen PR gewesen, die breite!!!! Öffentlichkeit einmal auf das verquere Problem Individualhaftung gegenüber dem staatlichen,verpflichtenden!!! Versorgungsauftrag aufzuklären.Das unterblieb.Dass die Verbände nun agieren, ist in Sachen AvP OK, aber ging das rasch genug?In Bezug auf das VOASG :Da dürften wir erleben wie bestens strukturierte Prozesse schnell oder weniger schnell ,aber zielgerichtet auf Dinge wie Amazon Apotheken(auch wenn es noch dauern mag ) oder wie auch immer das dann heisst hinauslaufen.Die Menge an Individualapotheken:Sie sinkt, ganz massiv.Die Zukunftsqualitäten bei Konzentrationen sehen wir bereits heute in vielen Branchen:Anonym,unpersönlich.Genau DAS WAS die heutige Apothekenlandschaft TUT,wird politischer Wichtigtuerei geopfert.Das zwischenmenschliche schwindet,der Automat lebt.Auch dies steckt in den Hoch-Zeilen...

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Bringschuld

von Reinhard Rodiger am 11.10.2020 um 14:05 Uhr

Es ist geradezu peinlich und beschämend, dass die Standesführung die Mitverantwortung des Staates so völlig ignoriert.Hängenlassen zugunsten eines Deals, der die restlichen Apotheken sichern soll? Gleichzeitig durch den Mangel an Rückendeckung signalisieren, dass der AvP-Crash fast willkommen erscheint als Anlass, die 50% -Strategie zum Eliminieren früher zu beenden.
.Wo bleibt der lautstarke mediale Aufschrei, dass 20-30% der Apotheken in manchen Landesteilen gefährdet sind? Dass das System auf der Kippe steht? Daß Apotheken nur weiterarbeiten, wenn der Staat die Ausfallgarantie übernimmt.Das Risiko ist nicht zumutbar, weil erwartet werden kann,dass bei unzureichender Kontrolle des Staates Schäden gesetzt werden können, für die dann wieder niemand Verantwortung trägt.Jede Regelung für später muss die heutigen Schäden einbeziehen.Später nützt sonst nicht angemessen.
Juristische Unklarheiten sind kein Grund die eigentliche staatliche Verantwortung nicht zu fokussieren.Schliesslich hat schon Corona gezeigt, was alles möglich ist, wenn der Wille da ist.Hier fehlt er völlig.Es ist Einzelpersonen und EINER Partei zu danken, dass dies überhaupt zur Sprache kommt. Allein das sollte für eine Interessenvertretung beschämend sein.

Wer ausser Insidern versteht denn die Dimension dieses Vertrauensverlustes und die potentielle Schwächung der regionalen Versorgung ?

Es ist einfach die Pflicht, die Bringschuld des Staates lautstark zur Geltung zu bringen.Oder ist wirklich das unter Tarnnamen gemachte Eliminierungsförderungsgesetz (VASG) der Preis für die Enthaltsamkeit? Das wäre die Krönung der Nichtvertretung.

Zur Gefahr des vermeintlichen Apothekenstärkungsgesetzes liefert Kollegin Dr.H.Hoch im vorangegangenen Beitrag den Hintergrund.Dank dafür.Allein das Stehenlassen dieses Wortes zeugt für die eigentlichen Absichten unserer "Führung" : um jeden Preis müssen 50% weg, sonst ist es für den Rest nicht mehr komfortabel.

Also wehrt euch, indem ihr dem Aufruf von Kollegin A.Peter
folgt.Danke.

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Immerhin "BEOBACHTET" die Politik die insolventen AvP-Apotheken ...

von Christian Timme am 11.10.2020 um 13:30 Uhr

Diese "Palliativbetreuung" muss man sich erstmal verdienen ... um danach dankbar als "Gesundheitsmüll" abzutreten. Wären die Apothekers die "Commerzbank" gäbe es keine "Spähne"...

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AW: "BEOBACHTET" ? - im Verkehrsfunk hieß das damals mal "Gaffer"

von Bernd Jas am 11.10.2020 um 15:58 Uhr


"BEOBACHTET" ? - im Verkehrsfunk hieß das damals mal "Gaffer"
Wo Sie grad´ sagen "Commerzbank" Herr Timme,
da fällt mir ein das diese mittlerweile eigentlich den Bürgern zu eigene Institution (18. oder 19. Milliarden-Rettung) der Hauptpartner der AvP war. Sind früher mal Zahlungen Trotz teurer Blitzüberweisung nicht pünktlich auf dem Apotheken-Konto erschienen, lag das NIE an der AvP sondern immer an der "Commerzbank" oder der Hausbank.
So langsam wird klaaar wo die hunderte von Millionen hin sind. Aber alles legal! Jau! Und die "Klein" Kriminellen haben ja angeblich auch noch nicht vollständig bezahlt.


Und wenn´s nutzt - Neue Bewegung - ok!

Das VOASG darf so nicht kommen!

von Dr. Heidrun Hoch am 11.10.2020 um 12:54 Uhr

Das VOASG darf SO NICHT kommen!
Zur Begründung zitiere ich Herrn Prof. Dr. Hilko Meyer aus seinem Artikel „Arzneimittelpreisrecht auf dem Prüfstand“ aus Arzneimittel & Recht , Ausgabe 4/20:

„Die Abkehr vom Geltungsanspruch der deutschen Preisregelungen für die aus anderen EU-Staaten an deutsche Patienten versandten Arzneimittel durch Streichung des § 72 Abs. 1 Satz 4 AMG gibt grundsätzliche Positionen des deutschen Gesetzgebers im Bereich seiner originären, durch Art. 168 Abs. 7 AEUV anerkannten Zuständigkeiten für den nationalen Gesundheitsschutz und die Organisation des Gesundheitswesens auf.“

Auch „untergräbt die Ausklammerung weiter Bereiche des einheitlichen RX-Abgabepreises (PKV-Versicherte, Selbstzahler, Kostenerstattung aus Einzelverträgen)
die unionsrechtlich bedeutsame Kohärenz und Widerspruchsfreiheit der vorgetragenen Rechtsgründe.“

Das bedeutet: Durch das VOASG in der vorliegenden Form ist kein Ende der Wettbewerbsverzerrung zulasten der Vor-Ort-Apotheken in Sicht!

Schlimmer noch, es wird die Grundlage gelegt, bei einem erneuten Verfahren vor dem EuGH zu scheitern.

So freut sich denn auch Binnenmarktkommissar Thierry Breton, dass das VOASG den Zugang deutscher Patienten zu Arzneimitteln verbessere...

Dieses Gesetz „Apothekenstärkungsgesetz“ zu nennen ist Zynismus pur.

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Neue Bewegung

von Anita Peter am 11.10.2020 um 9:22 Uhr

Liebe Kollegen,

bitte schliessen Sie sich alle der Bewegung von Frau Guttenberger an! Kurze Email reicht:

guttenberger@ratsapo24.de

Wir können nicht länger tatenlos dem Treiben der Politik und der ABDA zusehen. Die ABDA vertritt uns nicht mehr! Wir brauchen eine Bewegung die sich auch um die untere Hälfte der Vor Ort Apotheken kümmert und sich politisches Gehör verschafft.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Neue Bewegung

von Roland Mückschel am 11.10.2020 um 9:51 Uhr

Gemacht!

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