Post aus Brüssel

Kein Stopp-Schild für Spahns Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz

Stuttgart - 06.10.2020, 16:40 Uhr

Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat an Jens Spahn geschrieben. Zumindest macht er dem Minister beim VOASG keinen Strich durch die Rechnung – ob er es für europarechtskonform hält, lässt er allerdings offen. (Foto: imago images / Le Pictorium)

Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat an Jens Spahn geschrieben. Zumindest macht er dem Minister beim VOASG keinen Strich durch die Rechnung – ob er es für europarechtskonform hält, lässt er allerdings offen. (Foto: imago images / Le Pictorium)


Mehr als ein Jahr lang wartete man auf eine Rückmeldung der EU-Kommission – nun liegt sie vor: Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geschrieben und pfeift in diesem Brief das geplante Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz zumindest nicht zurück. Auf ausdrückliche Zustimmung trifft dagegen die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Auftrag gegebene ökonomische Analyse zum Apothekenmarkt. Dass Deutschland das E-Rezept verpflichtend einführen will, gefällt Breton ebenfalls. 

Fast vier Jahre ist es her, dass sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der deutschen Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel beschäftigte und zu dem Urteil kam, dass diese im grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel nicht mit europäischem Recht vereinbar sei. EU-Versender müssen sich nach Ansicht der Luxemburger Richter also nicht an die Festpreise halten und können ihren Kunden auch auf verschreibungspflichtige Arzneimittel Rabatte gewähren – schließlich könnten sie nur über den Preis in Wettbewerb mit den deutschen Präsenzapotheken treten.

Ein zäher politischer Prozess

Um die deutsche Arzneimittelpreisbindung und die flächendeckende Versorgung durch Präsenzapotheken zu erhalten, wurde unmittelbar nach dem EuGH-Urteil noch das Rx-Versandverbot von der Standesvertretung mit höchster Priorität verfolgt – einer ordnungspolitischen Maßnahme, die auch der Generalanwalt im damaligen Verfahren vorstellte und für die der Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sogar einen Gesetzentwurf verfasste.

Ein zäher politischer Prozess zog sich seitdem dahin. Zwar wurde das Rx-Versandverbot von vielen namhaften Juristen immer als Königsweg dargestellt, doch nach der Bundestagswahl 2017 und dem Amtswechsel im Bundesgesundheitsministerium war klar: Gröhes Nachfolger Jens Spahn ist kein Freund des Rx-Versandverbots und bot der Standesvertretung stattdessen einen Blumenstrauß unzähliger weiterer Reformvorhaben im Apothekenmarkt an. Ein Bestandteil: Das Rx-Boniverbot, das im Sozialrecht verankert sein soll. Im Entwurf des Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) ist die entsprechende, höchst umstrittene Regelung nun in das parlamentarische Verfahren eingebracht und wird von den Gesundheitsexperten des Bundestags beraten.

Doch Spahn wollte von Anfang an eines klären – maßgeblich auf Druck des Koalitionspartners SPD: Ist das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz überhaupt mit europäischem Recht vereinbar oder nicht? Spahn selbst hatte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton kontaktiert und stand eigenen Angaben zufolge immer wieder in Kontakt mit ihm. Auch sein Staatssekretär Thomas Steffen traf sich regelmäßig auf Leitungsebene mit Kommissionsvertretern – dennoch passierte über ein Jahr lang nichts. Auch das Handelsblatt beschäftigte sich zuletzt mit dem Thema: Die Zeitung hakte bei der EU-Kommission nach, wie diese vor dem Hintergrund des mittlerweile erschienenen IGES-Gutachtens den Gesetzentwurf bewertet. Die Antwort eines Kommissionssprechers wollte nicht vorgreifen. Doch sie zeigte schon, dass Europa das E-Rezept schätzt und Spahns Pläne nicht rundweg abgelehnt werden.

Ein Loblied auf das E-Rezept

Nun ist weitere Bewegung in die Sache gekommen: DAZ.online liegt ein Antwortschreiben von Breton an Spahn vor. Darin geht er zunächst auf das vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten, erstellt vom IGES-Institut, unter Beteiligung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ein: „Ich denke, dass Ihre Studie ein wichtiger Schritt nach vorne ist beim Verständnis darüber, wie der Arzneimittelmarkt – nicht nur in Deutschland – sondern in ganz Europa funktioniert.“ Die Studie zeige insbesondere, wie bedeutend die Digitalisierung – vor allem das E-Rezept – für das Apothekengeschäft sei. Breton zeigt sich höchst erfreut, dass Deutschland das E-Rezept verpflichtend einführen will. Und er „vertraut“ darauf, dass die bevorstehende Diskussion im Bundestag über das VOASG „zu einem verbesserten Zugang deutscher Patienten zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Binnenmarkt führen wird“.

Letztlich stellt der EU-Kommissar fest, dass das VOASG den Zugang deutscher Patienten zu Arzneimitteln verbessere. Er freue sich daher, über den Ausgang des Gesetzgebungsprozesses informiert zu werden. Laut eines aktuellen Handelsblatt-Artikels, sieht das Gesundheitsministerium in dem Schreiben die Erlaubnis der EU-Kommission, das Gesetz final umzusetzen. Nach den Vorstellungen von Spahn, dem Gesundheitsausschuss, aber auch der Standesvertretung der Apotheker soll das VOASG noch dieses Jahr in Kraft treten.

Ob Spahns geplante Boni-Regelung im Sozialrecht allerdings auch mit dem EuGH-Urteil von 2016 und generell mit dem Europarecht vereinbar ist, diesen Hinweis sucht man im Brief vergeblich. Immerhin findet man keine negative Äußerung. Aber die Antwort darauf wird am Ende wohl der EuGH geben müssen.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Sechs - setzen !

von Dirk Krüger am 06.10.2020 um 19:18 Uhr

Wie schön, dass sich der Herr Kommissar über das e-Rezept freut und er uns Deutsche dafür lobt, dass wir nun endlich kapieren, "wie der Arzneimittelmarkt funktioniert". Hohler geht es kaum. Relevanz gleich null. Thema verfehlt. Sechs - setzen!

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