Arzneimittelsicherheit

Azithromycin: Erhöhtes Sterberisiko in den ersten fünf Behandlungstagen

Stuttgart - 29.09.2020, 09:15 Uhr

Azithromycin-Präparate in einer französischen Apotheke (Foto: imago images / Starface)

Azithromycin-Präparate in einer französischen Apotheke (Foto: imago images / Starface)


Einer Auswertung von knapp acht Millionen Antibiotika-Verordnungen zufolge verdoppelt Azithromycin im Vergleich mit Amoxicillin sowohl die kardiovaskuläre Sterblichkeit als auch die Gesamtmortalität in einem Zeitraum innerhalb von fünf Tagen nach Therapiebeginn. 

2012 wurden die ersten Sicherheitsbedenken zum Einsatz von Azithromycin veröffentlicht. Diese basierten auf einer retrospektiven Kohortenstudie, die einen Zusammenhang zwischen der Azithromycin-Einnahme und dem Eintreten eines plötzlichen Herztodes zeigte. Aufgrund der bekannten QT-Zeit-Verlängerung von Azithromycin und der in der Studie ermittelten Ergebnisse wurden in der Folge entsprechende Hinweise in die Fachinformation aufgenommen. 

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So soll Azithromycin nicht bei Patienten mit bekannter Prädisposition für ventrikuläre Arrhythmien eingesetzt werden. Die in der Folgezeit durchgeführten epidemiologischen Studien zum kardiovaskulären Risikopotenzial von Azithromycin führten zu keinem einheitlichen Ergebnis. Daher forderte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA 2014 die Hersteller von Azithromycin auf, den vermuteten Zusammenhang zwischen der Einnahme von Azithromycin und einer erhöhten kardiovaskulären Sterblichkeit in einer epidemiologischen Studie zu klären. Das Ergebnis dieser Studie liegt nun vor.

Retrospektive Kohortenstudie zeigt erhöhte Mortalität

Die in Kalifornien durchgeführte Studie basiert auf Daten von zwei Gesundheitssystemen, die zwischen 1998 und 2014 erhoben wurden. Die Kohorte bestand aus Patienten im ­Alter zwischen 30 und 74 Jahren, ­denen zur ambulanten Behandlung Amoxicillin oder Azithromycin verordnet wurde. Dabei fiel die Wahl auf Amoxicillin als Vergleichsantibiotikum, da dieses ein ähnliches Indikationsspektrum wie Azithromycin besitzt und nicht mit einem Risiko für Herztod assoziiert ist. Der primäre Studienendpunkt umfasste die kardiovaskuläre Mortalität und den plötzlichen Herztod. Sekundäre Endpunkte ermittelten die nicht-kardiovaskuläre Mortalität und die Gesamtsterblichkeit. Der betrachtete Zeitraum lag zwischen null und fünf sowie zwischen fünf und zehn Tagen nach Therapiebeginn. Dieses Intervall wurde gewählt, da kardiale Arrhythmien – eine mögliche Ursache der erhöhten kardiovaskulären Mortalität unter Azithromycin – während der Behandlungszeit auftreten, die bei einer Amoxicillin- oder Azithromycin-Therapie in der Regel zwischen fünf und zehn Tagen dauert. Die Studienendpunkte wurden aus den Daten von 1.736.976 Azithromycin-Verordnungen und 6.087.705 Amoxicillin-Verordnungen berechnet. In dem betrachteten Zeitraum verstarben 485 Probanden, davon mehr als die Hälfte aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses.

Kein Einsatz von Azithromycin bei Risikopatienten

Ein Vergleich zwischen der Azithromycin-Gruppe und der Amoxicillin-Gruppe führte zu folgenden Aussagen:

  • Innerhalb der ersten fünf Behandlungstage war die Einnahme von Azithromycin mit einem signifikant erhöhten kardiovaskulären Sterblichkeitsrisiko assoziiert (Hazard Ratio [HR] = 1,82; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,23 bis 2,67). Die Risikodifferenz lag bei ungefähr 13 auf 1.000.000 Verschreibungen bezogen. Im Zeitraum zwischen Tag sechs und zehn war das Risiko nicht erhöht.
  • Das Risiko für einen plötzlichen Herztod war nicht signifikant erhöht (HR = 1,59; 95%-KI: 0,90 bis 2,81).
  • Innerhalb der ersten fünf Behandlungstage war die Einnahme von Azithromycin mit einem erhöhten Risiko für einen nicht-kardiovaskulär bedingten Tod (HR = 2,17; 95%-KI: 1,44 bis 3,26) und mit einem erhöhten Gesamtsterblichkeitsrisiko (HR = 2,00; 95%-KI: 1,51 bis 2,63) assoziiert.

Das erhöhte kardiovaskuläre Risiko kann den Autoren zufolge mit möglichen Arrhythmien und einer QT-Zeit-Verlängerung unter einer Azithromycin-Einnahme erklärt werden. Die Ursache für den Anstieg der nicht-kardiovaskulären Sterblichkeit ist nicht bekannt. Möglicherweise spielen Störfaktoren bei der Datenerhebung eine Rolle. Das kardiovaskuläre Risikopotenzial von Azithromycin sollte bei der Verordnung des Antibiotikums berücksichtigt werden, so der Rat der Studienautoren. 

 

Literatur

Zaroff JG. et al. Association of Azithromycin Use With Cardiovascular Mortality. JAMA Netw Open. 2020;3(6):e208199. doi:10.1001/jamanetworkopen.2020.8199



Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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