Benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel

DGN rät zu Vitamin D und Calcium gegen Schwindel

Stuttgart - 23.09.2020, 10:30 Uhr

2,4 Prozent aller Menschen erleben irgendwann im Leben einen BPPV – dabei kommt es plötzlich und attackenartig zum Auftreten von starkem Drehschwindel, der durch Kopf- und Körperbewegungen ausgelöst wird. (Foto: tampakto / stock.adobe. com)

2,4 Prozent aller Menschen erleben irgendwann im Leben einen BPPV – dabei kommt es plötzlich und attackenartig zum Auftreten von starkem Drehschwindel, der durch Kopf- und Körperbewegungen ausgelöst wird. (Foto: tampakto / stock.adobe. com)


Steht der sogenannte gutartige Lagerungsschwindel, bei dem es kopfbewegungsabhängig zu kurzen ausgeprägten Drehschwindelattacken kommt, womöglich im Zusammenhang mit einem Vitamin-D-Mangel? Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. informiert aktuell über eine koreanische Studie, die das nahelegt. Die Studie habe gezeigt, dass die Supplementierung von Vitamin D und Calcium dazu beitrug, die Häufigkeit der Schwindelattacken zu reduzieren. Kann man Schwindelattacken also mit Vitamin D und Calcium vorbeugen?

Wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) in einer Pressemitteilung vom 22. September informiert, haben schon frühere Untersuchungen ergeben, dass BPPV-Patienten (benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel = BPPV) oft erniedrigte Vitamin-D-Spiegel und eine erniedrigte Knochendichte aufweisen – „einem Calciummangel entsprechend“. Allerdings sei das sogenannte manuelle Befreiungsmanöver bislang die einzige pathophysiologisch begründete und evidenzbasierte Therapieoption für den BPPV gewesen. Nun stünde erstmals eine medikamentöse Therapie zur Prophylaxe der häufigen Rezidive der verbreiteten Schwindelursache zur Verfügung, erklärt die DGN. Wie kommt sie zu dieser Aussage?

„Befreiungsmanöver“ gegen Schwindel 

Der BPPV gilt laut DGN als gutartig, weil er meist (bei ca. 70 Prozent der Betroffenen) ohne Behandlung wieder abklingt und sehr wirksam zu behandeln ist. Manchmal besteht er jedoch über Monate (in seltenen Fällen Jahre), und es gibt häufig Rezidive (50-56 Prozent innerhalb von zehn Jahren, 80 Prozent davon binnen des ersten Jahres). Währenddessen sind die Patienten stark in ihren Alltagstätigkeiten beeinträchtigt, oft sei nicht einmal Laufen ohne Probleme möglich, schreibt die DGN.

Die Behandlung erfolgt mittels sogenannter Befreiungsmanöver: Der Arzt bewegt den Kopf des Patienten dazu in einer bestimmten Abfolge von Lagerungspositionen, wodurch „Ohrsteinchen“ (Otokonien) den Weg aus dem Bogengang finden sollen.

Otokonien sind laut DGN kleinste Kalkpartikel, die normalerweise fest im Gleichgewichtsorgan (Innenohr) verankert sind. Sie vermitteln dort das Gefühl einer linearen Kopfbewegung im Raum. Lösen sie sich und gelangen in die Bogengänge, werden fälschlicherweise die Gleichgewichts-Sinneszellen aktiviert.

Die DGN bezieht sich auf eine aktuelle koreanische Multicenterstudie. Darin sei erstmals prospektiv der Effekt einer Vitamin-D- und Calcium-Supplementierung zur Prophylaxe des Wiederauftretens des BPPV untersucht worden. „Nach erfolgreicher Behandlung mittels o. g. Befreiungsmanöver wurden die Patienten zu gleichen Teilen randomisiert“, erklärt die DGN das Design der Studie. Patienten in der Interventionsgruppe (n=518) erhielten – wenn ihr Vitamin-D-Blutspiegel <20 ng/ml lag – oral ein Jahr lang täglich Vitamin D (800 I.U.) und Calcium (1000 mg), während die Kontrollgruppe (n=532) nur nachbeobachtet wurde.

Das große Aber: Studie wurde nicht verblindet

Schließlich soll die jährliche Rückfallrate in der Interventionsgruppe mit 37,8 Prozent signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe mit 46,7 Prozent gewesen sein (0,83 gegenüber 1,1 Rezidive pro Personenjahr; Inzidenz RR 0,76; p<0,001). Der Vitamin-D-Spiegel sei bei den behandelten Patienten innerhalb von zwei Monaten von anfangs 13,3 ± 3,9 auf 24,4 ± 7,7 ng/ml angestiegen und habe auch nach einem Jahr noch in diesem Bereich (p<0,001) gelegen. 

„Ein Vitamin-D-Mangel ist in Deutschland nicht selten, daher ist es insbesondere bei BPPV-Patienten mit häufigen Rezidiven oder nach unzureichendem Erfolg der Befreiungsmanöver sinnvoll, die Vitamin-D-Blutspiegel zu untersuchen und bei erniedrigten oder grenzwertigen Spiegeln eine Supplementierung zu beginnen“, betont schließlich DGN-Schwindelexperte Prof. Dr. med. Christoph Helmchen, Leiter der Schwindelambulanz UKSH Lübeck. Vor dem Hintergrund der ausgeprägten Beeinträchtigung durch die Schwindelattacken, die zu Krankschreibungen führe sowie direkte und indirekte Kosten verursache, stünden die geringen Therapiekosten von Vitamin D und Calcium dabei in einer sehr guten Relation.

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Das „Ärzteblatt“ hatte bereits Ende August über die Studie berichtet. Es gab zu bedenken, dass die Studie zwar randomisiert, aber nicht verblindet war – die Teilnehmer der Beobachtungsgruppe erhielten keine Tabletten. Nur die Auswerter der Ergebnisse seien über die Zuordnung der Patienten im Unklaren gelassen worden. Ein Placebo-Effekt lässt sich also nicht ausschließen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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