Signale von NARZ und Noventi

AvP-Insolvenz: Andere Rechenzentren gut aufgestellt

Süsel - 18.09.2020, 13:00 Uhr

Nach der AvP-Insolvenz bieten jetzt andere Apothekenrechenzentren wie NARZ und Noventi Hilfe an. (Screenshot: narz-avn.de)

Nach der AvP-Insolvenz bieten jetzt andere Apothekenrechenzentren wie NARZ und Noventi Hilfe an. (Screenshot: narz-avn.de)


Wie erhalten Apotheken schnell Geld für neue Rezepte? Für Apotheken, die von der AvP-Insolvenz betroffen sind, ist dies eine der wichtigsten und eine sehr eilige Frage. Insbesondere die großen apothekereigenen Rechenzentren NARZ und Noventi signalisieren, dass sie dieser Aufgabe gewachsen sind. Zugleich kursieren blumige Begriffe wie „Hilfsprogramm“ und „Rettungsfonds“. Doch was ist damit gemeint?

Im Zusammenhang mit den Problemen um das Rechenzentrum AvP richtet sich die Aufmerksamkeit bisher auf die ausstehenden Zahlungen von AvP. Doch für die Zukunft der betroffenen Apotheken ist es mindestens ebenso wichtig, schnell Geld für neue Rezepte zu erhalten. In diesem Zusammenhang hatte der auf Apotheken spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas den betroffenen Apothekern geraten, die Verträge mit AvP fristlos zu kündigen.

Nun suchen offenbar viele Apotheker nach einem Rechenzentrum, das schnell ihre neuen Rezepte abrechnet. Die Rechenzentren verzeichnen sehr viele Anfragen bei den Außendienstmitarbeitern. Doch vor welchen Herausforderungen steht ein Rechenzentrum, wenn plötzliche Hunderte oder gar Tausende neue Kunden bedient werden möchten? Was können umgekehrt die Apotheker in einer solchen Situation von einem Rechenzentrum erwarten? Offenbar stehen dabei zwei Aspekte im Mittelpunkt: die Kreditlinie und die technische Verarbeitungsfähigkeit.

Die Kreditlinie und damit letztlich die Kreditwürdigkeit ist die entscheidende Voraussetzung, damit ein Rechenzentrum Zahlungen an die Apotheker leisten kann, bevor es Geld von den Krankenkassen erhält. Für viele Apotheken ist dieser zeitliche Vorsprung entscheidend für ihre Liquidität. So können sie wiederum schnell ihren Verpflichtungen beim Großhandel nachkommen. Wenn ein Rechenzentrum plötzlich sehr viel mehr Kunden hat, braucht es also eine größere Kreditlinie. Angesichts der AvP-Insolvenz dürften Banken dabei nun deutlich vorsichtiger agieren als bisher.

Frühes Angebot von Noventi

Schon sehr früh positionierte sich Noventi dazu. Die Noventi-Gruppe befindet sich im alleinigen Eigentum des FSA, eines Vereins von Apothekern. Sie ist damit ein apothekereigenes Unternehmen und nach eigenen Angaben das größte europäische Abrechnungsunternehmen im Gesundheitsmarkt. Noventi wendet sich inzwischen mit einer Medienkampagne offensiv an die AvP-Kunden. Schon am Mittwoch erklärte der Noventi-Vorstandsvorsitzende Dr. Hermann Sommer den betroffenen Apothekern: „Wir tun alles, was uns möglich ist, um ihnen zu helfen.“ Noventi habe kurzfristig ein Hilfsprogramm entwickelt, um die nötige Sicherheit und Liquidität für den laufenden Betrieb der Apotheken vor Ort sicherzustellen. Dafür stünden 250 Millionen Euro zur Verfügung. Voraussetzungen für eine Unterstützung seien der Abschluss eines Abrechnungsvertrags bei Noventi und die erste Einlieferung von Rezepten. 

Große Kapazität beim NARZ

Doch Noventi steht mit seinem Einsatz nicht allein. Das Norddeutsche Apothekenrechenzentrum (NARZ) wendet sich zwar nicht ausdrücklich in den Medien an AvP-Kunden, präsentiert aber seine Leistungen auf seiner Internetseite als „Soforthilfe“. Eigentümer des NARZ sind die norddeutschen Apothekerverbände. Das NARZ ist Marktführer in den norddeutschen Bundesländern.

Auf Anfrage von DAZ.online erklärte Dr. Jörn Graue, der zugleich NARZ-Vorstandsvorsitzender und Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins ist, dass auch das NARZ über eine Kreditlinie von 250 Millionen Euro verfüge. Diese könne noch erweitert werden. Graue versicherte, dass das NARZ alle Zahlungen auch für neue Kunden leisten könne. Er ergänzte, das NARZ sei auch technisch bestens auf zusätzliche Arbeit eingerichtet. Denn es setze neue Server ein. „Wir können das Doppelte abrechnen“, versicherte Graue. Bei steigendem Bedarf könnten Extra-Schichten gefahren werden. Damit zeigen schon die beiden Branchenriesen NARZ und Noventi, dass der Markt der Rechenzentren finanziell und technisch leistungsfähig ist. Zudem ist dieser Markt noch größer und es stehen weitere Rechenzentren für neue Kunden bereit.

Kreditlinie statt Hilfsgeld

Angesichts der außergewöhnlichen Situation, die es bisher im Apothekenmarkt nicht gegeben hat, kursieren allerdings auch Missverständnisse. Blumige Begriffe wie „Hilfsprogramm“ oder „Rettungsfonds“ werden teilweise mit einer staatlichen Maßnahme verwechselt, die einen zeitweiligen Ersatz für die ausgefallenen Zahlungen leisten würde. Forderungen nach solchen staatlichen Hilfsmaßnahmen wurden bereits vereinzelt erhoben. Doch die apothekereigenen Rechenzentren sind selbstverständlich Wirtschaftsunternehmen. Es kann nicht erwartet werden, dass sie Rettungsgelder wie aus einem staatlichen Rettungsschirm gewähren. Zahlungen von Rechenzentren an Apotheken können sich nur auf eingereichte Rezepte beziehen. Die Höhe von Vorauszahlungen kann angesichts der besonderen Situation möglicherweise höher sein als sonst üblich. Doch solche Liquiditätshilfen erfordern stets einen Gegenwert, hier in Form von abzurechnenden Rezepten. Sie können sich hingegen nicht auf Rezepte beziehen, die bereits abgerechnet wurden und für die die Apotheker aufgrund der AvP-Insolvenz kein Geld erhalten haben. 

Die Frage nach dem verfügbaren Geld bezieht sich also nicht auf geschenkte Hilfsgelder, sondern auf die Kreditlinie, die den Rechenzentren zur Verfügung steht und mit der sie wirtschaften können. Voraussetzung für Zahlungen von Rechenzentren ist stets, dass Rezepte eingereicht werden. Es geht also darum, künftige Zahlungen für die Apotheke zu sichern, damit die Apotheken weiter arbeiten können. Da jeden Tag neue Rezepte in der Apotheke eingelöst werden, ist dieses Thema derzeit noch eiliger als die Frage, wie viel Geld betroffene Apotheken von AvP zu erwarten haben. Denn die Prüfungen des vorläufigen Insolvenzverwalters werden sicher noch einige Zeit dauern.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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