Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

13.09.2020, 08:00 Uhr

Jetzt geht's weiter mit dem Stärkungsgesetz für unsere Vor-Ort-Apotheken. Stärkung? (Foto: Alex Schelbert)

Jetzt geht's weiter mit dem Stärkungsgesetz für unsere Vor-Ort-Apotheken. Stärkung? (Foto: Alex Schelbert)


11. September 2020

Ja, jetzt ist der Teleclinic-Zur-Rose-Deal endlich im Bundesgesundheitsministerium angekommen. Die AG Gesundheit der Unionsfraktion im Bundestag hat darum gebeten, die Folgen des Teleclinic-Zur-Rose-Deals mit Blick auf das Zuweisungsverbot rechtlich zu prüfen. Das wird nun geschehen. Was dabei genau im Mittelpunkt der Prüfung stehen wird, ist bisher noch nicht bekannt. Möglicherweise eben diese Verschmelzung von Arzneimittelverschreiber und -händler unter einem wirtschaftlichen Dach und/oder die Tatsache, dass Teleclinic-Rezepte aktuell von nur einer Apotheke beliefert werden können.

 

Der Teleclinic-Zur-Rose-Deal bringt dem Telemedizin-Anbieter Teleclinic nun noch weiteren juristischen Ärger. Die fernbehandelten Patienten können ihre Rezepte nämlich nur noch sehr eingeschränkt einlösen. Nur eine Apotheke in der Nähe von Stuttgart steht noch zur Verfügung. Das führt zum Teil zu dramatischen Situationen, wie ein aktueller Fall zeigt: Ein nach einer telemedizinischen Behandlung ausgestelltes Rezept für eine dringende Akutversorgung hätte eigentlich nur bei dieser Apotheke eingelöst werden können. Nur durch das Engagement von Apotheker Thomas Grittmann, Park-Apotheke in Miltenberg, konnte geholfen werden. Grittmann will nun das Gebaren von Teleclinic nicht hinnehmen. Mit Unterstützung der Noweda geht er mithilfe des Anwalts Morton Douglas gegen TeleClinic vor. Die Forderung: Solange Rezepte von Teleclinic-Ärzten nicht in allen Apotheken Deutschlands eingelöst werden können, sollen diese Telemediziner keine Rezepte mehr ausstellen dürfen. Da Teleclinic nicht auf die Abmahnung reagierte, kommt es im Oktober zur mündlichen Verhandlung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Da gibt’s noch mehr Ärger.

 

Es hat sich schier unendlich lange hingezogen, nun war es also endlich soweit: 14 Monate, nachdem das Kabinett unser VOASG beschlossen hatte, stand die Erste Lesung im Bundestag an. Und die Fraktionen konnten sagen,  was sie von diesem Gesetz halten. Doch bevor es ins Eingemachte ging, gab’s ein dickes Dankeschön von Jens Spahn für uns Apothekers, für PTA, für PKA und überhaupt alle Apotheken-Mitarbeiter*innen. Sie hätten in den vergangenen Corona-Wochen eine „Wahnsinnsarbeit“ geleistet. So isses, mein liebes Tagebuch, gut dass es mal im Bundestag gesagt wurde – und übers Dankeschön freuen wir uns. Ja, und dann zur Sache: Unser Bundesgesundheitsminister sieht im Apothekenstärkungsgesetz tatsächlich ein Gesetz, das die Apotheken stärkt, der Name sei Programm. Und das E-Rezept sei angestoßen, es gebe klare Regeln und der Patient entscheide, welche Apotheke sein Rezept bekommt. Tja, mein liebes Tagebuch, warten wir ab, was am Ende wirklich dabei herauskommt und inwieweit die ausländischen Arzneiversandhäuser die E-Rezepte abgreifen. Ich kann mich des Eindrucks nicht verwehren, dass an der niederländisch-deutschen Grenze bereits Goldgräberstimmung herrscht.

Immerhin versprach der Bundesgesundheitsminister fairen Wettbewerb bei den Preisen: „Kein Wildwest mehr beim Bonus“ (allerdings nur in den Fällen, in denen die GKV zahlt). Und bis zum nächsten EuGH-Urteil.

Und das waren weitere Reaktionen in der Bundestagssitzung: Für Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, ist das VOASG allemal besser als ein Rx-Versandhandelsverbot. Es müsse wieder gleich lange Spieße zwischen EU-Versendern und inländischen Apotheken geben. Fraglich, mein liebes Tagebuch, ob die Spieße durch das VOASG wieder gleich lang werden. Die Bundestagslesung zeigte auch, dass es nach wie vor Anhänger des Rx-Versandverbots gibt: Für Emmi Zeulner (CSU) ist es noch immer der Königsweg, um die Gleichpreisigkeit zu garantieren. Und Gesundheitspolitiker Michael Hennrich gestand, dass er tief im Herzen“ Anhänger des Verbots sei – aber damit wohl ein Stück weit „old fashioned“. Auch die Linksfraktion bekannte sich zum Rx-Versandverbot ebenso wie die AfD-Fraktion. Dagegen können FDP und Grüne weder mit einem Rx-Versandverbot noch mit einer sozialrechtlichen Rx-Boni-Lösung etwas anfangen. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) ist sogar überzeugt, dass das VOASG EU-rechtswidrig sei und zu Schadenersatzforderungen gegen Deutschland führen könne. Dass die EU-Versender im VOASG über das Sozialrecht an die Festpreise gebunden werden sollen, sei ein „Taschenspielertrick“. Und die Grüne Kordula Schulz-Asche sieht darin sogar eine juristische Finte. Sie hätte lieber eine bessere Vergütung für die pharmazeutische Beratung statt einer ausschließlichen Abhängigkeit des Honorars von der Packungsabgabe – das sei für sie wesentlich für die Zukunft der Apotheken. Mein liebes Tagebuch, ja, das sind sie, die unterschiedlichen Meinungen und Ansichten, immer wieder schön. Was noch besonders bemerkenswert war: Michael Hennrich sprach im Bundestag auch den Teleclinic-Kauf durch Zur Rose an: Hier werde die seit 780 Jahren geltende Regel durchbrochen, dass Ärzte nicht am Medikamentenverkauf verdienen sollen, dies sei ein „fundamentaler Paradigmenwechsel“. Er wünscht sich, dass eine Regelung gefunden wird, dieses Thema zu beenden. Mein liebes Tagebuch, das wünschen wir uns auch. Dringend!



Peter Ditzel (diz), Apotheker
Herausgeber DAZ / AZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Weichenstellung ...

von Reinhard Herzog am 13.09.2020 um 14:42 Uhr

Hatte es nicht einmal geheissen:
Lieber kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz?

Welchen Knopf muss man jetzt noch drücken, um das VOASG auf den Abstellplatz zu befördern?

Das ist doch so gespickt mit juristischen Feinsinnigkeiten und Fallen - das lässt man doch in dieser Sachlage lieber mal sein.

Was verbessert sich denn substanziell dadurch?
Die Dienstleistungen werden sich als veritables Kuckucksei entpuppen, die neuen Preisregelungen werfen mehr Fragen auf als sie beantworten, die Zuweisung von Rezepten ist auch heute schon geregelt ...

Neuer Anlauf in 2022 in anderer Regierungskonstellation, wobei die Schnittmenge zu den Grünen als wahrscheinlicher neuer Regierungspartner wohl viel größer ist als zur jetzigen SPD. Außerdem sollte dann Corona mitsamt seiner Auswirkungen halbwegs durch sein, sodass man einfach seriöser planen kann.
Im Verlaufe von 2022 dann wirklich eine Apothekenreform mit Hand und Fuß, gerne auch unter Abwurf von manch Ballast.

Haben wir v1 auf der Startpiste des VOASG schon überschritten, oder ist ein Startabbruch noch möglich?
Und dann bitte einfach Mut ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Knöpfe drücken, net luschig sein

von Wolfgang Müller am 13.09.2020 um 20:12 Uhr

Faszinierend, das Ganze. Schön, dass wenigstens auch Sie sich das so DEUTLICH anzusprechen trauen!

Immerhin sind die aktuellen Papiere des AVWL und sogar der ABDA auch keinesfalls anders zu verstehen, als dass dieses VOASG noch unbedingt abgewendet werden muss. Weil es sich einfach inzwischen als sowieso schon schlecht gemachter, aber eben vor Allem auch: von der Zeit komplett überholter Ramsch erwiesen hat.

Diesen Lernprozess hat sich nun also auch die ABDA zugebilligt. Trotz ihres sehr komplexen, zu prätentiöser Trägheit geradezu zwingenden, damit auch grundsätzlich ein wenig entschuldbaren organisatorisch bedingten Gruppenzwanges.

Der AVWL hat meiner Erinnerung nach sogar von Anfang an klar gegen das VOASG und stattdessen für einen erneuten Gang vor den EuGH plädiert. Hat also von Allen die aktuell eindeutig beste Legitimation, die Führung in diesem Elend zu übernehmen; was eben auch die zu drückenden Knöpfe beträfe. Denn irgendjemand "bei uns da oben" muss ja nun Spahn auch mal KLAR, wenn auch diplomatisch, sagen: "Schluss mit dem Quatsch".

Wobei sich die ABDA bei erneutem Spahn´schem Fauchen im Zweifelsfall ja leider immer noch in hochnotpeinlich allerbeflissenste, quälende Diskussionen begeben könnte - trotz dieses aktuellen, bemerkenswerten Papieres: Sich wider alle Vernunft doch lieber nochmal kleinlaut zu einem "VOASG um wirklich jeden Preis" zu entscheiden.

Weil da ja "Dienstleistungen" als unwiderstehliches Suchtmittel drinstehen. Und dies ja jetzt eine "einmalige" Chance dafür sein könnte, "dieses Fenster ist vielleicht nur kurz offen", blabliblub.

Also, da muss jetzt mal jemand richtig ran gehen/auf den Tisch hauen, der/die im Gegensatz z. B. zu uns beiden Schlaumeiern a) bereits ein passendes Amt hat (also mindestens: Verbandsvorsitzende/r) und b) "net luschig" ist, wie mein Doktorvater zu sagen pflegte.

Kollateralschaden

von Reinhard Rodiger am 13.09.2020 um 13:50 Uhr

Apotheken sterben als kollaterale Folge bester Intentionen.Eine davon ist die Herstellung gleich langer Spieße für die mit den niedrigen Margen und denen mit höheren Margen und weniger Arbeit.Dazu findet sich nichts Konkretes. Vielmehr wird verzögert und das Naheliegende missachtet.Das ist die Einhaltung deutscher Rechtsprechung.Es muss sichergestellt sein,dass deutsche Gesetze auf die ausländischen Firmen mit höheren Margen und weniger Arbeit (Hollandversand) angewendet und durchgesetzt werden.
Das wird jedoch seit Jahren vermieden.Das ist das eigentliche Wild-West.Der Skandal ,der durch die irreführende Bezeichnung Apothekenstärkungsgesetz unsichtbar gemacht wird.

Es ist ein Meisterstück von Spahn durch einfache Umettikettierung abzulenken.Schade,dass das vom Bundestag anscheinend nicht beachtet wird.

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Komplette und komplexe Unwissenheit über die Deutsche Apothekenlage im Bundestag

von Heiko Barz am 13.09.2020 um 11:54 Uhr

Ja wie denn nun, Frau Dittmer, was sind denn bei ihnen „gleichlangen Spieße“?
Es kann keine „gleichlangen Spieße“ geben, solange die Deutschlandrechtlich inakzeptablen Arzneimittelversender aus Holland ihr unkontrolliertes Unwesen an den Deutschen Patienten ungestraft begehen. Und die verantwortungslosen K-Kassen spielen wie immer leider sehr vordergründig mit.
Ich bin eigentlich erschüttert über den offensichtlichen Phlegmatismus der Deutschen Gilde der sogenannten Pharmazieräte. Die meisten von denen sind selbstständige Kollegen, die Tag für Tag mir ansehen müssen, wie Deutsches Apothekenrecht und die APO-Betriebsverodnung von den Holländern mit Füßen getreten werden. Die Apothekenüberwacher, die ja untereinander gut vernetzt sind, könnten dem BMG und Spahn erklären, wie man den „Wildwest-Manien“ von D.Morris und Co mit breiter Brust Einhalt gebieten kann. Aber auf dem Feld rühret sich leider gar nichts. Es ist ja auch viel einfacher, die Coronavorschriften bei der Deutschen Basis Apotheke flächendeckend zu überwachen und die nötigen Monita zu erstellen.
Zurück zu Frau Dittmer, ich behaupte, dass ihr Spruch von den „gleichlangen Spießen“ völlig substanzlos ist, denn wenn sie diesen Spruch analysieren würde, dann müßte sie zum Wohle der Deutschen Patienten das —RXVV — bedingungslos fordern. Selbst die Bühlersche Petition kam bei der CSU-Frau in den Vordergrund. Da wird wohl die Mannschaft aus der Heidestrasse wieder Schüttelfrost bekommen haben.
Es gibt für das komplexe Dilemma nur einen Goldstandart zu Lösung und das ist das uneingeschränkte —- RXVV —- ,dass von 21 EU-Ländern ohne den geringsten juristischen EU-Druck zu Wohle ihrer Patienten und völlig unaufgeregt durchgeführt wurde. Was dagegen haben wir eigentlich falsch gemacht? Herr Spahn!

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von Anita Peter am 13.09.2020 um 8:18 Uhr

Wenn zukünftig pharmazeutische Dienstleistungen ( was immer das sein soll... das wissen ja weder ABDA noch die Politik ) die flächendeckende Versorgung sichern sollen und so ein weiteres Apothekensterben verhindert werden soll, dann wird man da einen Mrd-Betrag (!!) reinpumpen müssen. Denn Non RX und zukünftig auch RX wird weiter massiv in den Versand abwandern.

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