Verteilung von Apothekenstandorten

IGES-Gutachten: Daten zeigen vielerorts grenzwertige Erreichbarkeit von Apotheken

Süsel - 11.09.2020, 07:00 Uhr

Vielerorts hängt die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln von einer einzigen Apotheke ab. (Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)

Vielerorts hängt die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln von einer einzigen Apotheke ab. (Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)


Versorgung hängt oft an einer einzigen Apotheke

Bei den dünnbesiedelten Gemeindetypen ist jedoch eine andere Zahl mindestens ebenso wichtig. Im Zehn-Minuten-Auto-Radius liegen in kleinen Kleinstädten durchschnittlich 4,8 Apotheken und in Landgemeinden 3,5 Apotheken. Im Fünf-Minuten-Auto-Radius sind es in kleinen Kleinstädten jedoch nur 1,8 Apotheken und in Landgemeinden 1,3 Apotheken. Leider benennen die Autoren nicht die naheliegende Konsequenz: Wenn diese Zahl unter 2,0 liegt, steht nach der Schließung einer Apotheke im Durchschnittsfall keine andere Apotheke mehr zur Verfügung. Die Versorgung hängt dort also an einer einzigen Apotheke. Die Daten zeigen, dass dies die durchschnittliche Situation in kleinen Kleinstädten und Landgemeinden ist, soweit es um die Erreichbarkeit mit dem Auto innerhalb von fünf Minuten geht.

Schwierige Erreichbarkeit zu Fuß

Noch viel deutlicher wird dies bei der Erreichbarkeit zu Fuß. In kreisfreien Großstädten erreichen 55,0 Prozent der Einwohner in zehn Minuten eine Apotheke, in städtischen Kreisen sind es nur 30,6 Prozent. In diesem Radius befinden sich in kreisfreien Großstädten durchschnittlich 2,1 Apotheken und in städtischen Kreisen 1,7 Apotheken. Bemerkenswert erscheint auch, dass sogar in städtischen Kreisen nur 62,1 Prozent der Einwohner in 20 Minuten zu Fuß eine Apotheke erreichen. Offenbar ist Flächendeckung längst nicht nur ein Thema für den ländlichen Raum, sondern die Versorgung muss auch an den Rändern großer Städte thematisiert werden. Wahrscheinlich sind sozial schwache Vororte dabei ein zentraler Aspekt. Doch dies geht aus der Darstellung im IGES-Gutachten nicht hervor.

Das Gutachten bietet allerdings noch weitere Einblicke in die Situation ländlicher Regionen. In kleinen Kleinstädten erreichen demnach nur 20,4 Prozent der Einwohner in zehn Minuten zu Fuß eine Apotheke, in Landgemeinden nur 13,5 Prozent. In diesem Radius befinden sich im Durchschnitt 1,3 Apotheken in kleinen Kleinstädten und 1,1 Apotheken in Landgemeinden. Innerhalb von zwanzig Minuten erreichen 44,8 Prozent der Bewohner kleiner Kleinstädte zu Fuß eine Apotheke, in Landgemeinden 27,6 Prozent. In diesem Radius befinden sich durchschnittlich nur 1,6 Apotheken in kleinen Kleinstädten und 1,1 Apotheken in Landgemeinden.

Strukturelles Problem - kein Spezialfall

Daraus lässt sich ein klares Fazit ziehen: Die wohnortnahe Arzneimittelversorgung hängt vielerorts an einer einzigen Apotheke. Dies ist kein Einzelphänomen an besonderen Standorten, sondern die Durchschnittssituation auf dem Lande, in kleinen Städten und in den Randbereichen städtischer Kreise. Aus dem Spezialfall ist ein Strukturproblem geworden. Die Apothekendichte ist auf einem Niveau angekommen, das vielerorts die Grenze der gewohnten und gewünschten Versorgung darstellt. Das steht nicht im IGES-Gutachten, aber das Gutachten liefert nun die Daten, die diese Feststellung untermauern.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Erreichbarkeit von Apotheken

von Christoph Witzke am 11.09.2020 um 14:43 Uhr

Komisch: getreu dem alten Lehrsatz "in Deutschland gibt es eh zu viele Apotheken" bekommen wir von allen möglichen "Fachleuten" Vorbilder wie Dänemark oder Norwegen empfohlen, wo es mit deutlich geringerer Apothekendichte auch super funktioniert. Da kann der Fahrt Weg zur Apotheke aber gerne auch mal 50 km betragen …

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