Umsatzsteuer auf Herstellerrabatt

AOK Hessen will Vereinbarung mit Apotheken – welche Risiken bestehen?

Koblenz - 03.09.2020, 07:00 Uhr

Einige Krankenkassen gehen aufgrund eines finanzgerichtlichen Urteils davon aus, die vergangenen Jahre zu viel anteilige Umsatzsteuer an die Apotheker als Leistungserbringer gezahlt zu haben. (Foto: imago images / Andreas Gora)

Einige Krankenkassen gehen aufgrund eines finanzgerichtlichen Urteils davon aus, die vergangenen Jahre zu viel anteilige Umsatzsteuer an die Apotheker als Leistungserbringer gezahlt zu haben. (Foto: imago images / Andreas Gora)


Was versucht die AOK Hessen zu erreichen?

Aktuell geht die AOK Hessen wieder aktiv auf Apothekeninhaber zu. Sie beabsichtigt den Abschluss von Verfahrensvereinbarungen herbeizuführen, um weitere Klageverfahren beziehungsweise die ansonsten erforderliche Erweiterung bisheriger Verfahren zu vermeiden.

Die Verfahrensvereinbarung sieht vor, dass der Apothekeninhaber zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten, gegenüber der AOK Hessen auf die Einrede der Verjährung auf mögliche Ansprüche auf Rückzahlung der Umsatzsteuer auf den gesetzlichen Herstellerrabatt zu Gunsten der AOK Hessen ab dem Jahre 2015 verzichtet. 

Ferner sieht die Vereinbarung vor, dass sich der Apothekeninhaber verpflichtet die jeweils relevanten Steuerbescheide, wo dies rechtlich noch möglich ist, zur Abwicklung etwaiger Rückforderungen, nicht bestandskräftig oder rechtskräftig werden zu lassen.

Welche Risiken bestehen für die Apothekeninhaber?

In der Änderbarkeit der Umsatzsteuerbescheide liegt jedoch eines der größten Risiken für die Apothekeninhaber. Zum einen ist äußerst fraglich, dass die Finanzverwaltung etwaige Feststellungen sozialgerichtlicher Urteile auch für umsatzsteuerliche Zwecke anerkennt, zum anderen müssen die Umsatzsteuerbescheide abgabenrechtlich noch änderbar sein. Umsatzsteuerveranlagungen unterliegen als Steueranmeldungen dem sogenannten Vorbehalt der Nachprüfung und können innerhalb der Festsetzungsfrist von vier Jahren grundsätzlich jederzeit geändert werden. Nach Eintritt der Festsetzungsfrist sind Änderungen jedoch grundsätzlich nicht mehr möglich. Um hier kein Risiko einzugehen, müssen die Umsatzsteuerfestsetzungen zwingend offen gehalten, das heißt der Eintritt der Festsetzungsfrist verhindert werden. Dies ist jedoch regelmäßig nicht mehr möglich. Für das Jahr 2015 ist in einer Vielzahl von Fällen bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Ferner ist in einigen Fällen der Vorbehalt der Nachprüfung zum Beispiel im Rahmen von Betriebsprüfungen bereits aufgehoben worden.

Auch sind Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide, entgegen der Vorschläge vieler Krankenkassen, nicht mehr zulässig. Einsprüche können nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides wirksam eingelegt werden. Die Steuerbescheide 2015 bis 2018 liegen jedoch schon seit einem längeren Zeitraum vor, sodass die Einspruchsmöglichkeit nicht mehr gegeben sein wird. 

Eine weitere Möglichkeit ist, im Rahmen eines Antrags auf Änderung die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks unter Bezugnahme auf das laufende Verfahren am Bundesfinanzhof (V R 34/18) zu erwirken (hier geht es um das bereits genannte Urteil des FG Münster). Hierbei sei jedoch angemerkt, dass die Finanzbehörden von vorläufigen Steuerfestsetzungen nur Gebrauch machen sollen, soweit hierzu durch Schreiben oder gleichlautende Erlasse des Bundesfinanzministeriums entsprechende Anweisungen vorliegen. Dies ist für das laufende Verfahren V R 34/18 bisher nicht der Fall.

Eine letzte Möglichkeit ist, bereits jetzt einen Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung zu stellen und die Erstattung der möglicherweise zu viel gezahlten Umsatzsteuer zu beantragen. Jedoch sind die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags mehr als fraglich. Es kann damit höchstens vorübergehend Zeit gewonnen werden.



Niko Hümmer, Steuerberater
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Phalanx bilden, Spieße umdrehen!

von Andreas P. Schenkel am 08.09.2020 um 20:39 Uhr

Kollegen! Schickt der AOK Hessen ein Schreiben mit dem Angebot, gegen Zahlung einer unwiderruflich und unzurückklagbar zu leistenden Vereinbarungs-Abschlussgebühr in Höhe von 10.000,00 € (zuzüglich vollständigem Vertragserrichtungshonorar für den apothekerlichen Anwalt), zahlbar in voller Höhe innerhalb 4 Wochen nach Zugang, die geforderte Erklärung unverzüglich abzugeben. Alleine dies wird derart viele Verwaltungsvorgänge auslösen, um die SoFas (Sozialfacharbeiter, wie bezeichnend!) komplett mit Arbeit zuzudecken. Die Summe erscheint angesichts der 5 Jahre Umsatz das finanzielle Risiko für beide Seiten angemessen abzubilden, ist je nach Umsatzgröße freilich anzupassen. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Vertrag ist mittels §§ 53 -61 SGB X (ja, es gibt wirklich mehr als 10 Sozialgesetzbücher, wir sind gesegnet!) wohl abschließbar. Und rechtlich zulässige Angebote kann man ja mal machen. Wie sagte ein mittlerweile 75-jähriger berühmter Bayer: "Schaun mer mal.". Und ich entgegne: "Dann seng ma schoo.".

Lasst euch dies niemals gefallen. Hackt die AOK verwaltungsrechtlich!

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Dienstleistung ohne Honorierung!

von Thomas Eper am 03.09.2020 um 9:22 Uhr

Als erstes sollte mal klar gestellt werden, dass wir mal wieder eine Dienstleistung ohne Honorierung für die Kassen erbringen; sogar mit finanziellem Risiko, da manche Hersteller uns die Zahlung verweigern (z.B. ADL-Pharma).

Also "liebe" Krankenkassen: bitte künftig entweder eine Vergütung an uns zahlen, oder selber eintreiben.

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Kaisers Bart?

von Karl Friedrich Müller am 03.09.2020 um 8:44 Uhr

So ganz blicke ich nicht durch.
Die AOK will was durchsetzen, auf das sie keinen Anspruch hat.
Apotheken sollen geschröpft werden. Oder?
Und. Was geht uns der Herstellerabschlag an? Wenn die AOK mit der Regelung - die auf UNSERE KOSTEN läuft - nicht zufrieden ist, soll sie den Abschlag selbst einfordern und wir sind raus.
Wäre die sauberste Lösung.

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