AMK-Äquivalenzdosen zu Antidepressiva

Venlafaxin richtig austauschen

Stuttgart - 02.09.2020, 13:00 Uhr

Antidepressiva sind besonders sensible Arzneimittel, wenn es um einen Austausch geht. Die AMK hilft bei Trizyklika wie Amitriptylin, SNRI wie Venlafaxin und SSRI wie Fluoxetin mit Äquivalenzdosen. (x / Foto: hikrcn / stock.adobe.com)

Antidepressiva sind besonders sensible Arzneimittel, wenn es um einen Austausch geht. Die AMK hilft bei Trizyklika wie Amitriptylin, SNRI wie Venlafaxin und SSRI wie Fluoxetin mit Äquivalenzdosen. (x / Foto: hikrcn / stock.adobe.com)


Was tun, wenn Venlafaxin nicht lieferbar ist? Auch Duloxetin und Milnacipran hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin, aber in unterschiedlichem Ausmaß. Ein Austausch sollte bei Antidepressiva möglichst vermieden werden. Wenn alle Stricke reißen, helfen zumindest die Äquivalenzdosistabellen der AMK zu SNRI, SSRI und Trizyklika. Meistens zumindest, denn nicht immer lassen sich vergleichbare therapeutische Dosen angeben. Was gilt es bei Duloxetin zusätzlich zu beachten? 

Um durch die Coronakrise antizipierten Lieferengpässen zu begegnen, erlaubt der Gesetzgeber durch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungs-Verordnung (SARS-CoV-2-AMVersVO) Apotheken im Fall der Nichtverfügbarkeit eines verordneten Arzneimittels die Aut-simile-Substitution. Das heißt: Nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt dürfen Apotheken ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel abgeben. Damit dies möglichst reibungslos gelingt, hilft die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) mit Äquivalenzdosistabellen.

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Nun stehen auch Austauschhilfen für Antidepressiva wie Trizyklika, SSRI und SNRI, zur Verfügung. Ein Austausch bei antidepressiven Arzneimitteln ist alles andere als trivial, meist sind Ärzte und Patienten froh, wenn die Betroffenen gut eingestellt sind. Doch die Erfahrung lehrte, dass ein Wechsel erforderlich sein kann, wie die anhaltenden Lieferengpässe bei Venlafaxin zeigen.

Austausch von Venlafaxin: gleich und auch wieder nicht

Neben Venlafaxin gehören Duloxetin (Cymbalta®, Yentreve® und Generika) und Milnacipran (Milnaneurax®) in die Gruppe der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehmmer. Wenn auch alle drei Wirkstoffe die Wiederaufnahme der beiden Botenstoffe hemmen, so tun sie dies doch in unterschiedlichem Ausmaß. Venlafaxin besitzt eine 30-fach größere Selektivität für Serotoninrezeptoren und erhöht vorwiegend die Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt. Vor allem im niedrigen Dosisbereich soll die Serotonin-Präferenz ausgeprägt sein. Im Vergleich dazu wirkt Duloxetin ausgewogener auf die beiden Botenstoffe und besitzt nur eine etwa zehnfach größere Selektivität für Serotonin. Milnacipran, das erst seit 2016 die Zulassung hat, blockiert die Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme ungefähr gleich stark. DAZ.online hat sich in einer Serie zu Venlafaxin dem komplexen Thema gewidmet.

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Laut AMK entsprechen 150 mg Venlafaxin 60 mg Duloxetin, für Milnacipran nennt die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker keine äquivalente Dosis. Zu beachten ist außerdem, dass Duloxetin über CYP1A2 metabolisiert wird, das Enzym wird durch Rauchen induziert und kann somit höhere Dosen Duloxetin erfordern beziehungsweise bei Umstellung auf Venlafaxin könnte sodann auch eine geringere Dosis genügen. Zusätzlich ist Duloxetin auch bei Frauen mit mittelschwerer bis schwerer Belastungsinkontinenz zugelassen (20 mg zweimal täglich).

Vorsicht beim Austausch: Amitriptylin oder Amitriptylinhydrochlorid

Auch bei den Trizyklika gibt es beim Umstellen depressiver Patienten einiges zu beachten, zumal manche Wirkstoffe in manchen Stärken, zum Beispiel Amitriptylin-neuraxpharm retard (25 mg, 50 mg, 75 mg), zusätzlich zur langfristigen Schmerzbehandlung im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts zugelassen sind und eingesetzt werden. Amitriptylin zählt aufgrund eines ausgeprägten H1-Antagonismus zu den trizyklischen Wirkstoffen mit stark bis sehr stark sedierenden Eigenschaften. Beim Austausch ist zu beachten, dass sich bei manchen Präparaten (mit 8,84 mg, 22,1 mg; 44,19 mg; 66,29 und 88,38 mg) die Stärke auf die Reinsubstanz „Amitriptylin“ bezieht, manchmal auf die Reinsubstanz oder auf die Verbindung als „Amitriptylinhydrochlorid“ (10 mg, 25 mg, 50 mg, 75 mg) Stärke bezieht und bei 100 mg stets auf das Hydrochlorid.

Wo finden sich die Äquivalenzdosistabellen?

Die Vergleichstabellen stehen auf der AMK-Homepage unter Hinweise und Materialien für Apotheken → Äquivalenzdosistabellen bereit. 

Auch Doxepin, Trimipramin und Opipramol zählen zu den TZA mit stark sedierenden Eigenschaften. Allerdings nennt die AMK bei Opipramol keine äquivalenten Dosierungen: „Bei gegebener Wirksamkeit und Verträglichkeit wird eine Umstellung auf ein anderes TZA nicht empfohlen; zudem kann keine Äquivalenzdosis 
angegeben werden“, merkt die AMK an.

Ausschleichen und einschleichen

Die AMK schreibt hierzu: „Grundsätzlich sollte sowohl ein Austausch der Darreichungsformen als auch der Arzneistoffe derselben Arzneistoffklasse mit Vorsicht und unter Beachtung der patientenindividuellen Faktoren erfolgen.“ Ein Arzneistoffwechsel sollte unter enger ärztlicher Betreuung erfolgen und, wenn möglich, ausschleichend dosiert und nach dem Absetzen einschleichend dosiert werden. Bei den SSRI erklärt die AMK zusätzlich: „Aufgrund der Halbwertzeit des aktiven Metaboliten Norfluoxetin von 4 bis 16 Tagen ist bei einem Wechsel von Fluoxetin auf einen anderen SSRI eine 14-tägige Pause zu berücksichtigen.“ Die Halbwertszeit von Fluoxetin liegt zwischen zwei und sechs Tagen.

Welche Äquivalenzdosistabellen gibt es bereits?

Die AMK hat bereits Äquivalenzdosen für ACE-Hemmer, Sartane, Betablocker, Bisphosphonate, Calciumkanalantagonisten, Diuretika, orale Glucocorticoide, inhalative Glucocorticoide, PPI und Triptane sowie Statine veröffentlicht. Jüngst kamen orale Antibiotika, Antibiotika für Kinder und Antidiabetika hinzu. Auch gibt es bereits Austauschhilfen für nichtopioide Schmerzmittel. Vor kurzem hatte die AMK die Äquivalenzdosen zu Benzodiazepinen veröffentlicht.

Die AMK betont, dass „vor Anwendung der einzelnen Arzneistoffe (...) eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung, auch auf Basis der jeweils aktuellen Fachinformation erfolgen“ sollte. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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