Mein liebes Tagebuch

23.08.2020, 08:00 Uhr

Es bewegt sich was in der Aposzene, vieles vorwärts, aber die Apothekenzahlen rückwärts 

Es bewegt sich was in der Aposzene, vieles vorwärts, aber die Apothekenzahlen rückwärts 


20. August 2020

Endlich, endlich, es geht weiter mit dem Apothekenstärkungsgesetz! Das Kabinett hat die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats zum Kabinettsentwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG) verabschiedet – das Startsignal, dass die Apothekenreform nun ins parlamentarische Verfahren gehen kann. Mein liebes Tagebuch, endlich, es wurde auch Zeit. Fast ein halbes Jahr lang dümpelte unser Gesetz dahin. Jetzt geht’s weiter: In ihrer Stellungnahme lehnen die Bundesminister ganz klar das Rx-Versandverbot ab, es sprächen rechtliche Bedenken dagegen. Nun ja, damit ist diese unsere Hoffnung so gut wie gestorben. Am 11. September steht der Kabinettsentwurf auf der Tagesordnung des Bundestags. Dass es nun endlich weitergeht, ist auch für Friedemann Schmidt, dem ABDA-Präsidenten, ein Grund zur Freude: Endlich komme Bewegung in die Sache, das Bundeskabinett habe „einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan, um die Apotheken vor Ort und damit die Arzneimittelversorgung im Lande zukunftsfähig zu machen“, sagte Schmidt. Na, na, mein liebes Tagebuch, ob damit wirklich die Arzneimittelversorgung „zukunftsfähig“ gemacht wird, muss sich erst noch zeigen. Immerhin, man wolle sich nun „konstruktiv und kritisch in den Meinungsbildungs- und Gesetzgebungsprozess des Bundestages einbringen“, freut er sich weiter.  Und fügt hoffnungsvoll hinzu: „Die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel muss endlich wiederhergestellt werden, und neue pharmazeutische Dienstleistungen sollten dringend eingeführt und honoriert werden.“ Ja, äh, mein liebes Tagebuch, die Preisbindung des VOASG betrifft doch nur die GKV-Arzneimittel und bringt damit einen Mords-Sprengstoff für unsere System mit. Und was die „neuen pharmazeutischen Dienstleistungen“ betrifft, so mag das ein guter Ansatz sein, allerdings, was wissen wir darüber? Wenig bis nichts! Um welche Dienstleistungen wird es sich im Detail handeln? Können sie alle Apotheken erbringen? Wie werden sie honoriert werden? Werden sie die Krankenkassen bezahlen? Mehr offene Fragen geht nicht – meine Freude darüber hält sich noch in Grenzen.

 

Hybrid-Antriebe kennen wir von Elektro-Autos, nichts Halbes nichts Ganzes. Die ABDA hat nun das Format der Hybrid-Veranstaltung für sich entdeckt! Und das geht so: Ein Teil der Vorstände ist persönlich im Apothekerhaus anwesend, andere Vorstandsmitglieder nehmen per Video-Schalte daran teil. So geschehen z. B. an diesem Donnerstag, an dem sich auf diese Weise der ABDA-Gesamtvorstand getroffen hat. Und so hat man z. B. über die jüngsten Entwicklungen des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes und des Krankenhaus-Zukunftsgesetzes (KHZG), Stichwort Botendiensthonorar, gesprochen. Und man hat auch einstimmig eine Resolution beschlossen, initiiert vom Bayerischen Apothekerverband und Berliner Apothekerverein. Mit der Resolution spricht man sich dafür aus, die durch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung erweiterten pharmazeutischen Handlungsspielräume, die nur befristet gelten, „zu verstetigen“, sprich: Man findet diese Handlungsspielräume „im Interesse einer dauerhaften Verbesserung der Patientenversorgung“ so gut, dass sie auch weiterhin gelten sollen. Gemeint sind beispielsweise die erweiterten Möglichkeiten, bei der Arzneimittelabgabe ein anderes wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben zu dürfen, wenn das verordnete Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig ist. Oder die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen (auseinzeln). Oder, ganz klar, die Beibehaltung des Botendiensthonorars – hier ist die Bundesregierung unserem Wunsch bereits zuvor gekommen, indem sie diese  Regelung ins KHZG aufgenommen hat, allerdings mit halbierter Honorar. Mein liebes Tagebuch, alles in allem, es wäre wünschenswert, wenn die Politik diese Resolution wohlwollend aufnehmen und umsetzen würde. Da sollte die ABDA dran bleiben. Und weil die Hybrid-Sitzung der ABDA so gut angekommen ist, sollen nun auch weitere Mitgliederversammlungen der Bundesapothekerkammer, des Deutschen Apothekerverbands und der ABDA als Hybrid-Veranstaltungen durchgeführt werden. Und wie wär’s da mit einem Hybrid-Apothekertag?

 

Es ist viel Bewegung im Markt der Apothekendienstleister, z. B. bei Noventi. Der Apothekendienstleister hat Großes vor, er will seine Palette an Kooperationspartnern ausbauen und gleich zwei weitere Telemedizin-Anbieter (Fernarzt und Wellster Healthtech) in die Apotheken-App callmyApo integrieren. (Mit dem Telemedizinanbieter Zava arbeitet Noventi bereits seit Anfang des Jahres zusammen). Als Gesellschafter der Initiative ProAvO möchte Noventi gemeinsam mit seinen Partnern eine Mega-Gesundheitsplattform schaffen. Als Konkurrenz hat man die ganz großen Plattformen wir Amazon oder Alibaba im Visier. Das Ziel formuliert Noventi-Vorstand Dr. Sven Jansen so: „Durch die Anbindung über callmyApo bringen wir die Telemedizin in die Apotheke vor Ort und weg von Versandhändlern im Ausland.“ Apotheken sollen so ihren Kunden eine „attraktiven digitalen Zusatz-Service“ anbieten können. Nun ja, Wellster Healthtech betreibt eine Website, die sich auf Männergesundheit (!) spezialisiert hat mit verschreibungspflichtigen und rezeptfreien Medikamente zu einem „bezahlbaren Preis“. Der andere Anbieter fernarzt.com ist dagegen etwas breiter aufgestellt und bietet Verordnungen beispielsweise für Verhütung, Akne, Migräne, Reisedurchfall, Bluthochdruck und Genitalherpes. Mein liebes Tagebuch, wie das alles letztendlich aussehen und in der Praxis laufen soll, davon können wir derzeit nur träumen oder fürchten, je nach Gemütslage. Immerhin, bevor DocMorris und Co. alle Telemedizinanbieter aufkaufen, nehmen sie lieber unsere Apothekendienstleister unter die Fittiche. Der Plattform-Markt wird noch für Überraschungen sorgen.



Peter Ditzel (diz), Apotheker
Herausgeber DAZ / AZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

"Der Türöffner"

von Thomas Beck am 23.08.2020 um 15:29 Uhr

Durchaus lesenswert
"Der Türöffner: Wie Jens Spahn den gläsernen Patienten herbeiregiert"
Quelle:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=63919

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Was spricht gegen Antigen-Schnelltests und ein bisschen Schützenhilfe für das RKI ...

von Christian Timme am 23.08.2020 um 14:40 Uhr

Man muss Jens Spahn nicht gerade "helfen" aber unterstützen könnte man den Herren schon ... nennen wir es einfach "Corona-Transparenz-Initiative". Oder ist Corona schon "akzeptierten Alltag" in der Apotheke?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Zuverlässig

von Karl Friedrich Müller am 23.08.2020 um 12:30 Uhr

Sind Politik und Spahn nicht. Oder eben doch: im Nichteinhalten von Zusagen.
RxVV weg
Gleiche Preise weg
Gleich lange Spieße schon lange weg
Boniverbot vermutlich weg
Makelverbot weg
Bessere Bedingungen in der Pflege weg
Datenschutz in der TI weg
Einfach alles weg.
Vermutlich dürfen wir bald Boni auf RX geben, fragt sich nur: wovon?
Ebenso zuverlässig ist die Haltung von DocMorris, Gesetze zu ignorieren. Versucht man doch die Apotheken fürs eigene Geschäft einzuspannen und dafür noch Gebühren zu kassieren- das Makelverbot umgangen. Schon präventiv, sozusagen.
Ebenso zuverlässig finden sich hirnlose Kollegen, angeblich schon 1000, die bereit sind, das mitzumachen, Gier frisst eben Hirn.
Damit dürfte zuverlässig die Apothekendichte rapide abnehmen, es wird wieder Mitarbeiter auf dem Markt geben . Eine Zeit lang. Die netten Arbeitgeber werden weg sein und es wird für Mindestlohn gearbeitet, bis endlich alles ruiniert ist, nicht nur die Apotheken.
Spahn hat dann seine Millionenvilla abbezahlt.
Seine Drohungen gegenüber Apotheken hat er eingehalten, das einzige: er macht für uns nix
Da hat das Kuschen der ABDA auch nix gebracht.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Coronainfiziertenzahl

von Peter am 23.08.2020 um 12:13 Uhr

Sehr geehrter Herr Ditzel,
die Zahl der positiven PCR-Tests nimmt rasant zu, da auch massiv die Testungen ausgedehnt werden. Ein Blick in die Krankenhäuser würde Ihnen zeigen, dass die Krankheitsfälle weiterhin abnehmen (238 Patienten auf Intensiv im Zusammenhang mit Corvid). Was bedeutet das?. Sind es falsch positiv Testungen die wir sehen oder hat sich das Virus soweit abgeschwächt, das es nur noch zu einem Schnupfen führt?
Was ist übrigens aus SARS COV 1 geworden?
Der war ganz plötzlich weg....

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Spahn als RXVV Verweigerer

von Heiko Barz am 23.08.2020 um 11:35 Uhr

Die Frage ist nur, Herr Ditzel, guten Morgen, wer wird denn Ihrer Meinung nach in 10 Jahren noch in seiner voll digitalisierten Apotheke sitzen?
Wenn wir weiterhin jährlich 400 - mit steigender Tendenz - Apos verlieren, dann fehlen in 10 Jahren bis zu 5000 Apos. Dem 10000er Level kommen wir gefährlich nahe. Damit ist aber eine flächendeckende Versorgung mit AM nicht mehr gewährleistet. Spätestens dann greifen ganz andere Mechanismen in den Arzneimittelmarkt und der Begriff Patient ( der Geduldige ) wird in der Wortbedeutung eine völlig neue, ausschließlich merkantile Bewertung erfahren.
Zu dem Zeitpunkt ist der Herr Spahn, so hofft er jedenfalls, Kanzler der Bundesrepublik oder besser wird er in den einschlägigen Chefetagen der bekannten und „beschützten“ Arzneimittelpiraten einen sicheren Platz erhalten.
Über das Geschwätz der fehlenden Rechtsgrundlagen zum RXVV könnten wir doch nur noch ausgiebig lachen, wenn da nicht, wie Sie rechtweisend bemerken, Gegengutachten vorlägen, die von unseren - mit Pflichtbeiträgen versehenen - eigenen Verbandsspitzen in hinterste Schubläden vergraben wurden - zum eindeutigen Nachteil der „Schutzbefohlenen“.
Dass die meisten der EU-Länder ohne diesen überdurchschnittlichen „Kotau“ der EU-Kommission gegenüber und ohne diese demonstrative, überflüssige Gehorsamkeit das RXVV einfach ausgeführt haben, zeigt doch, Herr Spahn liegt hier falsch, aber wer künftiger Kanzler werden will, der muß sich ja mit der Brüssseler Administration gut stellen.

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