GKV-Finanzentwicklung im 1. Halbjahr 2020

Krankenkassen erzielen in der Coronakrise Überschüsse

Berlin - 19.08.2020, 17:04 Uhr

Die GKV hat im 1. Halbjahr schwarze Zahlen geschrieben. Allerdings ist das nur eine Momentaufnahme, betont Gesundheitsminister Jens Spahn. (Foto: Marcus Hofmann / stock.adobe.com)

Die GKV hat im 1. Halbjahr schwarze Zahlen geschrieben. Allerdings ist das nur eine Momentaufnahme, betont Gesundheitsminister Jens Spahn. (Foto: Marcus Hofmann / stock.adobe.com)


Die Coronakrise macht´s möglich: Nachdem die Krankenkassen zuletzt wieder Defizite eingefahren hatten, haben sie das 1. Halbjahr 2020 mit einem Einnahmenüberschuss von rund 1,3 Milliarden Euro abgeschlossen. Vor allem für zahnärztliche Leistungen, Krankenhausbehandlungen und Vorsorge- und Rehamaßnahmen gaben die Kassen weniger aus. Ein klares Ausgabenplus gab es dagegen unter anderem bei Arzneimitteln.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat die jüngsten Daten zur Finanzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) veröffentlicht: Während die 105 Krankenkassen im ersten Quartal 2020 noch ein Defizit von 1,3 Milliarden Euro ausgewiesen haben, haben sie im ersten Halbjahr 2020 einen Einnahmenüberschuss in selber Höhe erzielt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn freut sich allerdings nicht zu früh über die schwarzen Zahlen: „Weil Patienten in der ersten Jahreshälfte weniger zum Arzt und ins Krankenhaus gegangen sind, sind die Ausgaben der Krankenkassen vor allem in den Monaten April bis Juni gesunken. Aber das ist nur eine Momentaufnahme. Wie sich das weitere Jahr entwickelt, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Krankenkassen und den Gesundheitsfonds haben wird, werden wir erst im Herbst einschätzen können.“

129,9 Milliarden Euro Einnahmen versus 128,6 Milliarden Euro Ausgaben

Wie errechnet sich der Überschuss? Den Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 129,9 Milliarden Euro standen im 1. Halbjahr Ausgaben von rund 128,6 Milliarden Euro gegenüber. Damit sind die Einnahmen der Krankenkassen, die sie in erster Linie durch vorab festgelegte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, um 4,2 Prozent gestiegen. Die Finanzreserven der Krankenkassen stiegen durch den Überschuss bis Ende Juni auf rund 20,8 Milliarden Euro.

Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten kletterten demgegenüber nur um 2,3 Prozent nach oben – und das bei um 0,3 Prozent gewachsenen Versichertenzahlen. Im 1. Quartal hatte der Ausgabenzuwachs noch bei 5,6 Prozent gelegen.

Bis auf die Knappschaft alle Kassenarten im Plus

Schaut man auf die einzelnen Kassenarten, zeigt sich, dass bis auf die Knappschaft Bahn See (KBS), die ein Defizit von rund 50 Millionen Euro erzielte, alle Krankenkassenarten Überschüsse verbuchen konnten: Die Ersatzkassen erzielten ein Plus von 908 Millionen Euro, die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) von 320 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen (BKK) von 50 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen (IKK) von 46 Millionen Euro und die landwirtschaftliche  Krankenversicherung (LKV) von 21 Millionen Euro.

Entwicklungen bei den Ausgaben

Die einzelnen Ausgabenbereiche entwickelten sich recht unterschiedlich. So hat der Rückgang bei planbaren Leistungen bei den Krankenhausausgaben im 1. Halbjahr zu einem Minus von 2,4 Prozent geführt. Bei Vorsorge- und Reha-Maßnahmen gab es einen Rückgang von 15,2 Prozent, bei zahnärztlicher  Behandlung von 3,6 Prozent, beim Zahnersatz von 9,0 Prozent und bei Heilmitteln von 1,8 Prozent.

Hohe zweistellige Zuwachsraten gab es hingegen bei den Krankengeldausgaben, die einen Anstieg von 14,2 Prozent verzeichneten. Auch bei Arzneimitteln stiegen die Ausgaben – wenn auch nicht mehr so stark wie im 1. Quartal, in dem unter anderem Vorzieheffekte durch Verordnung von Großpackungen ein Plus von 11,5 Prozent zu verzeichnen war. Im 1. Halbjahr sind es zwar „nur“ noch 7,4 Prozent – aber dies sei im Vergleich zu den übrigen Leistungsbereichen „immer noch deutlich überproportional“, so das BMG.

Wie geht es weiter?

Mit dem am 17. Juni vom Bundeskabinett beschlossenen Nachtragshaushalt wurde der GKV ein zusätzlicher Bundeszuschuss von 3,5 Milliarden Euro für 2020 zur Verfügung gestellt, der zum 15. Juli dem Gesundheitsfonds zufloss. Damit wird die Einnahmeentwicklung der GKV und die Liquiditätssituation des Gesundheitsfonds in der 2. Jahreshälfte verbessert. Ferner tragen die zusätzlichen Mittel zum Erhalt der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve des Gesundheitsfonds im Jahr 2020 bei. Denn der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar 2020 noch über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 10,2 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. Halbjahr 2020 ein Defizit von rund 7,2 Milliarden Euro. Laut BMG ist dieses Defizit neben saisonalen Effekten maßgeblich auf konjunkturbedingte Mindereinnahmen sowie auf Ausgleichszahlungen an Leistungserbringer zurückzuführen.

Das BMG verweist zudem darauf, dass sich die Bundesregierung in ihrem Konjunkturprogramm darauf verständigt hat, dass zur Vermeidung einer Belastung von Arbeitnehmern und Betrieben die Sozialversicherungsabgaben in den Jahren 2020 und 2021 eine Grenze von 40 Prozent der Löhne und Gehälter nicht überschreiten sollen. In welchem Umfang dafür im Jahr 2021 zusätzliche Bundesmittel in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialen Pflegeversicherung bereitgestellt werden müssen, wird im Herbst zu entscheiden sein.

GKV-Chefin Pfeiffer: Die GKV kann auch schwierige Zeiten durchstehen

Für Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, belegen die aktuellen Zahlen, dass die GKV auch unter schwierigen Rahmenbedingungen durch das Miteinander von Ärzten, Kliniken, Krankenkassen, der Politik und vieler weiterer im Gesundheitswesen Tätigen die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen kann. „Wir können froh sein, dieses von der Selbstverwaltung getragene System in Deutschland zu haben.“ Allerdings müsse man davon ausgehen, dass die Ausgaben für die medizinische Versorgung auch ohne Corona-Effekte weiter ansteigen werden, während die Einnahmesituation ab dem kommenden Jahr aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr schwierig wird. „Deshalb bedarf es einer großen gemeinsamen Anstrengung aller Akteure im Gesundheitswesen und der Politik, um die finanzielle Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung auch im kommenden Jahr zu sichern“, so Pfeiffer.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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