Zuckersüßes Beratungswissen – Teil 11

Milchzucker – ein Enzym sorgt für Toleranz

Korntal-Münchingen - 04.08.2020, 09:15 Uhr

Für die große Mehrheit der erwachsenen Weltbevölkerung ist Milchzucker unverträglich. In Mittel- und Nordeuropa sind rund 15 Prozent der Menschen lactoseintolerant. (m / Foto: imago images / YAY images)

Für die große Mehrheit der erwachsenen Weltbevölkerung ist Milchzucker unverträglich. In Mittel- und Nordeuropa sind rund 15 Prozent der Menschen lactoseintolerant. (m / Foto: imago images / YAY images)


„Lactose-frei“

Für Milcherzeugnisse, die das Etikett „lactosefrei“ tragen, gibt es gesetzlich geregelte Kennzeichungsvorschriften. Hersteller können ihre Produkte als lactosefrei bezeichnen, wenn diese weniger als 0,1 g Lactose pro 100 g / 100 ml enthalten. Der Milchzucker in Milch, Joghurt und Sahne wird durch Zugabe einer definierten Menge Lactase enzymatisch gespalten. In den so behandelten Produkten sind dann die Lactose-Bausteine Glucose und Galactose enthalten, die süßer schmecken als intakter Milchzucker. Das wirkt auf manche Verbraucher zunächst irritierend, ist aber leicht erklärbar. Die bessere Verträglichkeit wird den größten Skeptiker überzeugen.

Verbraucher darf nicht in die Irre geführt werden

Auch auf anderen Lebensmitteln findet man inzwischen oft den Hinweis „lactosefrei“. Wenn man weiß, wie beliebt Lactose als Hilfsstoff in der Nahrungsmittelindustrie ist, kann das für sehr empfindliche Menschen mit Lactoseintoleranz durchaus hilfreich sein. Für Produktgruppen, die nicht zu den Milcherzeugnissen zählen, gibt es keine gesetzlichen Kennzeichnungsvorschriften. Allerdings darf der Verbraucher nicht in die Irre geführt werden. 

Nach Ansicht der Verbraucherzentralen ist es sinnvoller und für den Verbraucher informativer, mit dem Hinweis „von Natur aus lactosefrei“ zu werben. So ist zum Beispiel Schnitt- und Hartkäse in der Regel lactosefrei, weil der ursprünglich vorhandene Milchzucker bei der Käsereifung durch Bakterien abgebaut wird. 

Man stößt leider oft auf die Ansicht, lactosefreie Produkte seien „gesünder“ als lactosehaltige. Für Menschen mit Lactoseintoleranz sind sie es auf jeden Fall, weil diesen Verdauungsprobleme erspart werden und sich die Lebensqualität erhöht. Wer Milchzucker problemlos verträgt, kann dagegen getrost auf Lactosefreies verzichten und Geld sparen.

Lactose in Arzneimitteln

Die als Hilfsstoff in Arzneimitteln eingesetzte Lactose ist mengenmäßig so gering (50 bis 300 mg pro Arzneiform), dass sie eher keine Rolle spielt. Meist lösen erst Mengen über 10 g Lactose unerwünschte Symptome aus. Doch es kommt natürlich auf die Empfindlichkeit des Menschen, auf die Menge der insgesamt zu einem Zeitpunkt eingenommenen Tabletten/Granulate und die Dosierung jedes einzelnen Medikaments an. 

Wenn ein Patient Unverträglichkeiten befürchtet, ist es im Sinne einer besseren Compliance sinnvoll, seine Bedenken ernst zu nehmen. Hier kann die Apotheke wertvolle Unterstützung leisten, indem sie dem Patienten Informationen über den Lactose-Gehalt seiner Medikation zur Verfügung stellt bzw. Alternativen für ihn auswählt. 
Angaben über den Lactose-Anteil (und andere Hilfsstoffe) in Arzneimitteln findet man im Beipackzettel und erhält sie im Zweifelsfall direkt vom Hersteller. Manche Hersteller bieten inzwischen lactosefreie Sortimente an. Es gibt auch eine kostenpflichtige App, die sich an den Verbraucher richtet. Sie listet kritische Inhalts- und Hilfsstoffe von Medikamenten auf und zeigt Alternativen auf. 

Übrigens, homöopathische Tabletten und Verreibungen, auch die beliebten Schüssler-Salze, enthalten als Trägerstoff Milchzucker. Nach dem homöopathischen Arzneibuch hergestellte Globuli enthalten als Grundlage Saccharose.

Calciummangel? Die Apotheke ist gefragt

Wer wegen einer Lactoseintoleranz auf Milchprodukte verzichtet, sollte seinen Calciumbedarf mit anderen Nahrungsmitteln decken. Hartkäse ist von Natur aus lactosefrei und ein guter Calciumlieferant. Kohl und andere grüne Gemüse sind pflanzliche Calciumquellen. Auch calciumreiche Mineralwässer können eine sinnvolle Ergänzung sein. Sollte das alles nicht genügen, sind ausreichend dosierte Calcium-Tabletten eine hilfreiche Empfehlung. Außerdem: Gegebenenfalls den Vitamin-D-Spiegel überprüfen und regelmäßig oder zumindest in den lichtarmen Monaten zur Einnahme von Vitamin-D-Präparaten raten!



Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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