Verbandschef Seyfarth, LAV Hessen

„Wir können E-Rezept!“

Dresden - 30.07.2020, 11:45 Uhr

Der Vorsitzende des Apothekerverbands Hessen, Holger Seyfarth, will ein klares Signal nach außen senden: „Wir können E-Rezept!“ (Foto: HAV)

Der Vorsitzende des Apothekerverbands Hessen, Holger Seyfarth, will ein klares Signal nach außen senden: „Wir können E-Rezept!“ (Foto: HAV)


In Hessen läuft ein Pilotprojekt, bei dem innerhalb des Ärztlichen Bereitschaftsdiensts (ÄBD) das E-Rezept zum Einsatz kommt. Die Apotheken sind mit an Bord - doch welche Rolle spielen sie dabei wirklich?

Mit dem Slogan „Wohnzimmer statt Wartezimmer“ bewirbt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) ein Pilotprojekt, wonach innerhalb des Ärztlichen Bereitschaftsdiensts (ÄBD) Videosprechstunden angeboten werden. Nun ist der Service um das elektronische Rezept erweitert worden. Demnach können Patienten aus Hessen, die außerhalb der Praxisöffnungszeiten akute Beschwerden haben, unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer für den ÄBD, 116117, einen Termin vereinbaren und werden dann von einem Arzt per Videotelefonie angerufen.

„Ergibt die Untersuchung, dass ein Arzneimittel notwendig ist, stellt der Arzt ein E-Rezept aus, welches die Patienten im Portal ,MORE – Mein Online-Rezept‘ unter www.mein-onlinerezept.de einfach und schnell verwalten können“, heißt es in einer Presseerklärung der KV. Die Patienten können das E-Rezept einer der derzeit rund 600 teilnehmenden hessischen Apotheken vor Ort zuweisen und das Arzneimittel dort abholen. „Ist ein Arzneimittel nicht vorrätig, bekommen Patienten eine Information und gehen entweder erst dann in die Apotheke, wenn das Arzneimittel verfügbar ist, oder geben das Rezept an eine andere Apotheke.“ Doppelte Wege in die Apotheke seien damit passé. Das E-Rezept ersetzt das herkömmliche Papierrezept und lässt sich den Informationen zufolge vollständig online verwalten.

Laut KV kann die Videosprechstunde von Versicherten aller Krankenkassen in Anspruch genommen werden, das E-Rezept dagegen zunächst nur von Patienten, die bei der AOK Hessen, der DAK-Gesundheit oder der Techniker Krankenkasse versichert sind. Weitere Kooperationspartner der KV Hessen sind der Hessische Apothekerverband (HAV) und der Abrechnungs- und IT-Dienstleister Optica. „Gemeinsam möchten wir mit dem Projekt die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben. Für eine optimierte, qualitativ hochwertige Versorgung von morgen und das Wohl der hessischen Patienten“, so die Projektpartner.

Ärzte wollen frühzeitig Weichen stellen

Im Februar sagte Frank Dastych, Vorstandsvorsitzender der KVH, mit dem Modellprojekt werde ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft gemacht. Primäres Ziel sei, die ärztliche Versorgung in Hessen flächendeckend und langfristig zu sichern. „Dies wird realistisch nur dann funktionieren, wenn wir mit dem frühzeitigen Ausbau der telemedizinischen Möglichkeiten schon heute die Weichen stellen.“

Die KHV stelle mit dem Projekt ihre Innovationskraft unter Beweis, „denn wir sind deutschlandweit immerhin eine der ersten KVen, die Videosprechstunde und E-Rezept gemeinsam an den Start bringen“, so Dastych. Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV), ergänzte seinerzeit: „Nur mit Apotheken, die E-Rezepte empfangen und verarbeiten können, bieten Videosprechstunden den Patienten echten Mehrwert. Die Apotheken vor Ort sind heute schon hervorragend digital aufgestellt. Für sie ist das Projekt die logische Weiterentwicklung dessen, was sie bereits heute tun.“

Ärzte-Projekt mit E-Rezept-Anhängsel?

Die Botschaft nach außen lautete damals wie heute offenbar: „Wir Apotheker machen mit beim E-Rezept-Projekt.“ Hinter vorgehaltener Hand heißt es jedoch, das Projekt sei in erster Linie ein Ärzte-Telemedizinprojekt – mit einem E-Rezept-Anhängsel. Wegen der Beschränkung auf den Ärztlichen Bereitschaftsdienst sei der Markt klein, die Hürden dagegen hoch, etwa weil Patienten sich zunächst bei MORE anmelden müssen und nicht sofort loslegen können. Zudem müssen die Apotheken mit Procas eine spezielle Software vorhalten, um die Rezepte zu bedienen. Anderenfalls ist ein PDF-Ausdruck vonnöten.

Was sagt HAV-Chef Seyfarth dazu? „Ja, es ist ein Gemeinschaftsprojekt, das die KV initiiert hat“, bestätigt er auf Nachfrage von DAZ.online. „Und wir nehmen daran teil, um zu zeigen, dass wir auf das E-Rezept bestens vorbereitet sind.“ Von den Apotheken solle demnach das Signal ausgehen: „Wir können E-Rezept“, beziehungsweise „Wenn es einer kann, dann wir“. Im Moment handele es sich nur um ein Pilotprojekt innerhalb des ÄBD, aber: „Wir erwarten viel vom E-Rezept“, sagt Seyfarth. Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand: Sowohl die Versorgungssicherheit als auch die Erstattungsfähigkeit wären beim E-Rezept zu 100 Prozent sichergestellt.

Berliner Projekt geht in Phase zwei

Auch in Berlin und Brandenburg geht es in Sachen digitale Verordnung voran. Dortige Apothekeninhaber können sich ab sofort auf der Webseite www.mein-apothekenportal.de für die Teilnahme am E-Rezept-Pilotprojekt des Berliner Apothekervereins (BAV) und des Deutschen Apothekerverbands (DAV) registrieren. „Damit startet die Phase zwei des vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Modellvorhabens für eine innovative und praktikable E-Rezept-Lösung in der Zukunftsregion Digitale Gesundheit (ZDG). Mit der Ausweitung von Berlin auf Brandenburg sollen jeweils knapp 100 Ärzte und Apotheken sowie mehrere Krankenkassen einbezogen werden“, heißt es in einer Presseerklärung.

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Berliner E-Rezept-Projekt geht in die nächste Phase

Der DAV richtet seinen Fokus im Pilotprojekt nun verstärkt auf zusätzliche Service-Funktionen für Apotheken und Patienten. „So soll neben einer Verfügbarkeitsanfrage für das verordnete Arzneimittel eine zusätzliche Dialogfunktion zwischen Patient und Apotheke zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch die Fernübertragung von E-Rezepten, die – gerade zu Zeiten der Corona-Pandemie – auch ohne direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient in der Arztpraxis funktionieren muss. Auch die Versorgung von Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen soll im Pilotprojekt erprobt werden.“



Anja Köhler, Freie Journalistin
redaktion@daz.online


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