EDQM-Untersuchungen zu 4-Chloranilin

Karzinogene Verunreinigung in Paracetamol gefunden

Stuttgart - 23.07.2020, 17:45 Uhr

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)


Das EDQM (Europäisches Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln) hat am 10. Juli bekannt gegeben, dass es Untersuchungen zu einer Verunreinigung im Wirkstoff Paracetamol eingeleitet hat. Konkret geht es um das aromatische Amin 4-Chloranilin. Vorausgegangen war ein Medienbericht in der niederländischen Zeitung „Nieuwe Rotterdamsche Courant Handelsblad (NRC)“. Ein entsprechendes Zertifikat (CEP) des betroffenen chinesischen Wirkstoffherstellers scheint bislang aber noch gültig zu sein. Ist die gefundene Verunreinigung überhaupt bedenklich?

Auch wenn es bereits entsprechende Abschlussberichte gibt: Der Sartan-Skandal des Sommers 2018 und die daraus folgende Nitrosamin-Krise sind noch nicht überwunden. Das ist zumindest zu vermuten, wenn man die begleitende Berichterstattung dazu verfolgt hat. Die Frage bleibt: Können wir in Zukunft sicher sein, dass nicht jederzeit neue „unerwartete“ Verunreinigungen – wie die Nitrosamine im Sommer 2018 – in Arzneimitteln auftauchen? Immerhin wurde die damalige Entdeckung als „unerwartet“ bezeichnet. Und sind die in den Arzneibüchern beschriebenen Methoden überhaupt geeignet, solche unerwarteten Verunreinigungen zu detektieren? Es sind Fragen wie diese, die auch laut Experten nach der Nitrosamin-Krise bleiben: „Die Ereignisse des letzten Jahres sollten Anlass sein, um alles – von der Verlagerung der Produktion in den fernen Osten über die Herstellung und die Audit-Verfahren bis hin zur Analytik – infrage zu stellen und damit letztlich die Gesundheit der Menschen zu sichern“, schrieben 2019 etwa Dr. Helmut Buschmann, Prof. Dr. Fritz Sörgel und Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe in der DAZ („Nitrosamine all überall“, DAZ 2019, Nr. 39, S. 52).

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Und so war es für die drei Experten offenbar auch keine große Überraschung, als im Dezember 2019 plötzlich Nitrosamine in Metformin ein Thema wurden. In diesem Fall lässt die Aufklärung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA jedenfalls noch auf sich warten.

Folgt man den Schilderungen der drei Experten von 2019, kann man sich also fragen: War die Nitrosamin-Krise nur der Beginn einer Ära, in der die Welt der Pharmazie sich regelmäßig mit kanzerogenen Verunreinigungen in Arzneimitteln – jenseits von Nitrosaminen – auseinandersetzen muss? Der Bericht einer niederländischen Zeitung vom 9. Juli 2020 könnte aktuell diesen Eindruck untermauern. In der Zeitung „Nieuwe Rotterdamsche Courant Handelsblad (NRC)“ ist nämlich zu lesen, dass drei Chargen des Wirkstoffs (API) Paracetamol von einem chinesischen Wirkstoffhersteller die karzinogene Substanz PCA enthalten. PCA steht für das aromatische Amin 4-Chloranilin bzw. p-Chloranilin.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Analytik

von Desinfektor am 24.07.2020 um 9:38 Uhr

Mit immer besser werdender Analytik werden wir immer mehr Verunreinigungen finden. Was früher schlicht nicht detektierbar war, wird heute eben gefunden. Wie wollen wir damit umgehen? Müssen wir jede Arzneimittel-Charge zurückrufen und vernichten, in der auch nur geringste Spuren einer vielleicht irgendwie bedenklichen Substanz enthalten sind? Diese Frage ist aus meiner Sicht ab einem gewissen Punkt eher philosophischer als wissenschaftlicher Natur, wir wissen ja schlicht nicht, was passiert, wenn man ab und an µg-Mengen einer CMR-verdächtigen Substanz aufnimmt. Im Kontrast dazu eine scheinbar immer ungesündere Lebensweise: Ein Nahrungsmittel-Skandal jagt den nächsten, es wird geraucht, gesoffen, sich in Sonnenstudios gesonnt; und eben diesen mündigen Konsumenten schreckt man auf, indem man ihm in der Zeitung von krebserregenden Substanzen in für ihn kaum vorstellbaren Mengen erzählt?
Zumindest in Relation setzen sollten wir diese Dinge – und daher lautet die Frage für mich nicht, ob alles gut ist, sondern wie gut die Dinge sein müssen, um innerhalb unseres allgemein akzeptieren Lebensrisikos noch tolerabel zu sein.

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Billig ist riesig !

von ratatosk am 24.07.2020 um 8:42 Uhr

Eigentlich keine Artikel mehr wert, da bekanntes Muster.
Billig, noch nicht illegal, dann her für den deutschen Michel. Was soll man an Kontrolle durch das tolle Bfarm auch erwarten, die bei tausenden Leutchen noch nicht mal Masken bestelllen können, sondern dafür der Beratermaffia 10 ! Millionen in den Rachen schmeißen.
Personalprobleme ? für 10 Mill kann man viele, auch gute Leute beschäftigen, wenn das Einkaufen die Ministerialen schon überfordert.
Aber das ist eben dieser Beratersumpf der auch für sich selbst diese Zertifiziererparadiese wie Securpharm und das e-rezept etc. gebastelt hat. Hauptsache teuer und eine dann ewige Einkommsquellt.

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