Nutzenbewertung des G-BA

Anwendungsbegleitende Datenerhebung bei Zolgensma

Stuttgart - 20.07.2020, 13:00 Uhr

Anwendungsbegleitende Datenerhebungen sollen schneller eine bessere Datenbasis zur Bewertung des Zusatznutzens von Orphans und Arzneimitteln mit bedingter Zulassung schaffen. (m / Foto: G-BA)

Anwendungsbegleitende Datenerhebungen sollen schneller eine bessere Datenbasis zur Bewertung des Zusatznutzens von Orphans und Arzneimitteln mit bedingter Zulassung schaffen. (m / Foto: G-BA)


Der G-BA will künftig durch anwendungsbegleitende Datenerhebungen klinische Wissenslücken schließen, die bei Arzneimitteln mit bedingter Zulassung, mit Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen oder für Orphan Drugs teilweise bestehen. Ziel ist es, schnell eine bessere Datenbasis zur Bewertung des Zusatznutzens zu schaffen. Für Zolgensma beschloss der G-BA am Donnerstag erstmals eine solche Erhebung.

Nicht immer liegen bei Zulassung eines Arzneimittels vollständige klinische Daten vor, die dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erlauben, dessen Zusatznutzen zu beurteilen. Das gilt vor allem für Arzneimittel mit bedingter Zulassung, mit Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen und für Arzneimittel gegen seltene Leiden, sogenannte Orphan Drugs.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) will nun durch eine anwendungsbegleitende Datenerhebung dieser Krux begegnen. Dadurch will man vorhandene Wissenslücken schließen, während gleichzeitig Patienten in der Gesetzlichen Krankenversicherung die betreffenden Arzneimittel bereits erhalten. Damit werde möglichst früh eine bessere Datenbasis zur Bewertung des Zusatznutzens geschaffen, erklärt der G-BA in einer Mitteilung vom Donnerstag.

Zolgensma: erstes Arzneimittel für anwendungsbezogene Datenerhebung

Um diesen Weg zu beschreiten, hat der G-BA die Grundzüge des Verfahrens zur Forderung einer anwendungsbegleitenden Datenerhebung und Auswertung für die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit bedingter Zulassung, mit Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen und von Arzneimitteln gegen seltene Leiden festgelegt. Dafür muss auch die G-BA-eigene Verfahrensordnung geändert werden, eine entsprechende Ergänzung beschloss der G-BA am Donnerstag in Berlin. Diese muss nun noch vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) genehmigt werden. Zolgensma ist das erste Arzneimittel, bei dem nun anwendungsbezogen Daten erhoben und ausgewertet werden sollen. Zolgensma ist bedingt von der EMA zugelassen.

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„Aus Gründen der Patientensicherheit ist es gerade bei Arzneimitteln, die trotz schwacher Studienlage unter atypischen Umständen zugelassen worden sind, von immenser Bedeutung, dass eine Datenerhebung zur weiteren Beurteilung des Nutzens oder Schadens möglichst früh beginnt und die Anwendung der Therapie auch an die Behandlungseinrichtungen gebunden wird, die an der Datenerhebung mitwirken. Für Zolgensma, eine erst kürzlich zugelassene Gentherapie gegen spinale Muskelatrophie, hat der G-BA heute erstmals die Erforderlichkeit einer anwendungsbegleitenden Datenerhebung festgestellt, da bislang keine aussagekräftigen Daten für die Beurteilung des langfristigen Nutzens oder Schadens der Behandlung vorliegen und vergleichende Daten zu Therapiealternativen fehlen“, erklärt Professor Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel. Der G-BA habe in diesem Fall das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit den Vorbereitungen für eine anwendungsbegleitende Datenerhebung beauftragt.

Die anwendungsbegleitende Datenerhebung zum Zweck der Nutzenbewertung läuft zulasten des pharmazeutischen Herstellers. Der G-BA kann frühestens zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens des entsprechenden Arzneimittels die Datenerhebung verlangen.

Drei große Schritte 

Das Verfahren gliedert sich in drei große Schritte. Zunächst muss festgestellt werden, ob eine anwendungsbegleitende Datenerhebung überhaupt erforderlich ist. Dabei stützt man sich auf Informationen aus Studienberichten und auf mögliche Evidenzlücken aus dem Zulassungsverfahren. Durch einen fachlichen Austausch mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) will der G-BA zudem eine doppelte Datenerhebung vermeiden. Stellt das Beschlussgremium des G-BA fest, dass eine anwendungsbegleitende Datenerhebung erforderlich ist, werde der Unterausschuss Arzneimittel mit der Vorbereitung eines Konzeptentwurfs beauftragt, informiert der G-BA. Die wissenschaftliche Ausarbeitung des Konzeptentwurfs fällt dem G-BA oder dem IQWiG im Auftrag des G-BA  zu. Folgende Punkte sollen darin enthalten sein: 

  • die Anforderungen an Art, Dauer und Umfang der Datenerhebung, 
  • die Fragestellung, die Gegenstand der Datenerhebung und Auswertungen sein soll, einschließlich der zu erfassenden patientenrelevanten Endpunkte, 
  • die Methodik der Datenerhebung sowie der Auswertung durch den pharmazeutischen Unternehmer.

Stellungnahme möglich

Im nächsten Schritt geht der Konzeptentwurf an die beteiligten Stellen, darunter BfArM und PEI, wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaften, die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, der betroffene pharmazeutische Unternehmer sowie, falls erforderlich, weitere einzubindende sachverständige Personen und Organisationen, die die Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung bekommen sollen.

Im Anschluss legt der G-BA per Plenumsbeschluss fest, ob er vom pharmazeutischen Unternehmer eine anwendungsbegleitende Datenerhebung und Auswertungen fordert. Er bestimmt die Vorgaben an die anwendungsbegleitende Datenerhebung und die Auswertungen, und er bestimmt die Zeitpunkte für die Überprüfung der Datenerhebung und für die Abgabe der Auswertungen in Form eines Dossiers für die Durchführung einer erneuten Nutzenbewertung. 

Um vollständige und valide Daten aus der Versorgung von Versicherten mit dem entsprechenden Arzneimittel zu erhalten, kann der G-BA laut eigenen Angaben die Versorgung mit diesen Arzneimitteln auf Leistungserbringer beschränken, die an der geforderten anwendungsbegleitenden Datenerhebung mitwirken. In regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch alle 18 Monate, überprüfe der G-BA, ob die Datenerhebung durchgeführt werde oder nicht mehr durchgeführt werden könne, ob sie hinreichende Belege für eine erneute Nutzenbewertung erbringen werde und ob Bedarf für Anpassungen an den Vorgaben des Beschlusses bestünden, so der G-BA.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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