Modellvorhaben Grippeschutzimpfungen

Kooperationsapotheker suchen Kooperationspartner

Stuttgart - 08.07.2020, 07:00 Uhr

BVDAK-Chef Stefan Hartmann (hier beim Kooperationsgipfel 2019) fühlt sich bei den Verhandlungen über Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in den Apotheken von den Krankenkassen ausgebremst. (c / Foto: DAZ / Peter Ditzel)

BVDAK-Chef Stefan Hartmann (hier beim Kooperationsgipfel 2019) fühlt sich bei den Verhandlungen über Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in den Apotheken von den Krankenkassen ausgebremst. 
(c / Foto: DAZ / Peter Ditzel)


Bald soll es auch hierzulande Grippeschutzimpfungen in Apotheken geben. Zuvor muss diese Präventionsleistung allerdings noch im Rahmen von Modellvorhaben getestet werden. Der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) fühlt sich aktuell etwas ausgebremst. Erste Verhandlungen mit der AOK Bayern führten zu einem ernüchternden Ergebnis für die Kooperationsapotheker. BVDAK-Chef Dr. Stefan Hartmann ist jedoch zuversichtlich, dass neben den klassischen Apothekerverbänden auch andere Interessenvertreter wie der BVDAK bei den Impfprojekten zum Zug kommen werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit den geplanten Grippeschutzimpfungen in Apotheken nicht nur einen Stein ins Rollen gebracht: Zunächst musste er gegen Vorbehalte und Absagen innerhalb des Berufsstandes ankämpfen. Dann hagelte es immer wieder Proteste aus Ärzteverbänden. Schließlich werden auch immer wieder juristische Bedenken angemeldet: Fällt das Impfen unter das Heilkundeverbot? Wer haftet im Fall von unerwünschten Impfreaktionen und -schäden? Spahn hat trotz dieses Gegenwinds die gesetzgeberischen Grundlagen dafür geschaffen, dass deutsche Apothekerinnen und Apotheker Patienten bald gegen Grippe impfen können.

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Dürfen Apotheker überhaupt impfen?

Im März 2020 trat das Masernschutzgesetz in Kraft, das den Weg zu entsprechenden Modellvorhaben hierzulande geebnet hat. In § 132j SGB V heißt es nun, dass Apotheken, Gruppen von Apotheken oder mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene Verträge mit den Krankenkassen über die Durchführung von Modellvorhaben abschließen dürfen. Bemerkenswert an diesem Passus ist, dass damit explizit nicht nur die offizielle Standesvertretung der Apotheker in Form der Verbände ermächtigt ist, regionale Modellvorhaben auszuhandeln und durchzuführen, sondern eben auch einzelne Apotheken oder Gruppen von Apotheken. Explizit ausgeschlossen sind aber gleichzeitig die Spitzenorganisationen der Apotheker, sprich ABDA bzw. DAV („Organisationen der Apotheker auf Landesebene“).

Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK), sieht die aktuellen Entwicklungen als große Chance für den gesamten Berufsstand an. „Mit keinem anderen Gesundheitsminister wurden Grippeschutzimpfungen wahrscheinlicher als mit Jens Spahn“, erklärt Hartmann gegenüber DAZ.online. Dass der Organisator der Kooperationsgipfel ein großer Fan von Grippeimpfungen in der Apotheke ist, war nie ein Geheimnis. Bereits in der Vergangenheit hatte er sich immer wieder dazu geäußert, so auch beim diesjährigen Kooperationsgipfel, der Anfang Februar in München stattfand. Nutzten die Apotheker die Jahrhundertchance Grippeimpfungen nicht, seien sie „tot“, so Hartmann. Er betont, dass es in der Verbändeanhörung 2019 im Bundesgesundheitsministerium immerhin der BVDAK gewesen sei, der sich damals – im Gegensatz zur ABDA – nachdrücklich für das Grippeimpfen in der Apotheke einsetzte.

Konkrete Gespräche mit der AOK

Gesundheitsökonom Professor Uwe May stellte beim Kooperationsgipfel 2020 vor, wie solche Projekte konkret umgesetzt werden können. In DAZ 2019, Nr. 3, S. 54 hatte May sein Konzept mit seinen Kolleginnen Anissa Schneider-Ziebe und Cosima Bauer ausführlich dargelegt. Beim Kooperationsgipfel stellte er eine Kurzversion vor.

Auf Grundlage der neuen Sozialrechtsregelung sieht sich Hartmann mit dem BVDAK dazu prädestiniert, sich bei den Verhandlungen für seine Mitglieder einzusetzen. Mit der AOK Bayern stehe er diesbezüglich in regem Austausch. Es hätte sogar schon sehr konkrete Gespräche gegeben, erklärt er auf Anfrage von DAZ.online. Der BVDAK hat der AOK ein Konzept vorgestellt, das ein bayerisches Pilotprojekt für den ganzen Freistaat vorsieht. Wichtig sei nämlich, so Hartmann, dass man gerade in den Städten – also an den Frequenzstandorten – Apotheken für die Modellprojekte findet und nicht in einem kleinen Dorf auf dem Land.

Das ist der aktuelle Stand der Verhandlungen

Wie sind die Verhandlungen bisher gelaufen? „Die Vertreter der AOK Bayern waren sehr freundlich zu uns“, so der BVDAK-Chef. Doch die Vorstellungen seines Verbands konnte er bisher nicht hundertprozentig umsetzen. Hartmann wörtlich: „Der BVDAK hat das bisher einzige Umsetzungskonzept für den Apothekenmarkt erarbeitet und hat die Apotheker immer aufgefordert, an möglichen Modellprojekten teilzunehmen, und zwar kooperationsunabhängig.“ Daher wäre es wichtig und konsequent, wenn neben den klassischen Apothekerverbänden in den Ländern auch andere Interessenvertreter und Einzelapotheken an den geplanten Modellvorhaben partizipieren dürften. Die AOK Bayern wollte sich auf Anfrage von DAZ.online nicht zum Stand der Verhandlungen äußern.

Ausgebremst fühlt sich Hartmann – aber nicht gestoppt. Die AOK Bayern hält er beim Thema „Impfen in der Apotheke“ nach wie vor für einen wichtigen und verlässlichen Partner. Andere (kleinere) Krankenkassen hätten mitunter nicht die Expertise oder das Interesse, auf diesem Gebiet demnächst tätig zu werden. Dabei hat Spahn die Kassen per Gesetz dazu verpflichtet, mit den Apothekern entsprechende Verträge abzuschließen, wenn die Apotheker sie dazu auffordern. Denn in SGB V § 132j heißt es wörtlich: 


„Die Krankenkassen oder ihre Landesverbände haben mit Apotheken, Gruppen von Apotheken oder mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene, wenn diese sie dazu auffordern, Verträge über die Durchführung von Modellvorhaben in ausgewählten Regionen zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, in Apotheken mit dem Ziel der Verbesserung der Impfquote abzuschließen.“

Sozialgesetzbuch V § 132j  Absatz 1 Satz 1




Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

d´accord . . . aber:

von Uwe Hansmann am 08.07.2020 um 12:20 Uhr

Lieber Ralf König,

natürlich ist alles, was uns "unverzichtbarer" macht, zunächst einmal zu begrüßen. Soweit bin ich bei Ihnen.

Was die Umsetzung von Schulungen und anderen, notwendigen Dingen, für die Durchführung von Impfungen durch Apothekenpersonal angeht, ist der Herbst - so glaube ich - sehr sportlich zu sehen.

Eine Frage, die mich in diesem Zusammenhang immer noch bewegt, ist die nach der Haftung.

Ich kann bis dato nicht erkennen, daß über die herkömmlichen Haftpflichtversicherungen für unsere Betriebe diese Dinge mit abgebildet sind.

Ich denke, Sie werden mir da weitere Infos geben können.

Das wäre schön.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: d´accord . . . aber

von Ralf König am 08.07.2020 um 12:55 Uhr

Gerade weil es sportlich ist, gilt es jetzt keine Zeit mehr zu verlieren. Wir dürfen das Spiel auf Zeit nach dem Motto: Schade aber jetzt klappt es halt nicht mehr - nicht akzeptieren.
Wenn Apotheken impfen, ist dies eine Leistung im Rahmen des gültigen gesetzlichen Rahmens. Daher werden die Versicherer hierzu Ihre Produkte erweitern. Es geht ja hier um Grippeimpfungen bei denen Risikodaten der letzten Jahrzehnte vorliegen. Daher sehe ich hier kein Problem.
Aßt und aktiv unsere Zukunft gestalten und einfordern. Mehr Mut - weniger Angst.

Die Zeit läuft

von Ralf König am 08.07.2020 um 10:19 Uhr

Das Jahr 2020 wird als historisches Impfjahr in die Geschichte eingehen. Durch Corona ist zu erwarten, dass die Impfbereitschaft der Bevölkerung so groß wie nie sein wird. Hier ein zusätzliches niederschwelliges Impfangebot durch uns Apotheker zu machen, ist nicht nur politischer Wille, sonder absolut zeitgemäß. Erfahrungen aus Frankreich und der Schweiz zeigen die Akzeptanz und den Erfolg für den Gesundheitsschutz. Jetzt sind alle gefordert schnell die notwendigen Schulungen und den Ablauf festzulegen, damit wir im Herbst starten können. Aktives Einbringen und Übernahme von Verantwortung macht uns unverzichtbar, nicht Plakate.

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