Wissenschaftler rechnen mit zwei Jahren

Wie lange dauert die COVID-19-Pandemie?

Remagen - 07.07.2020, 07:00 Uhr

Wissenschaftler antizipieren unterschiedliche Szenarien für die Dauer der Corona-Pandemie. (m / Foto: melita / stock.adobe.com)

Wissenschaftler antizipieren unterschiedliche Szenarien für die Dauer der Corona-Pandemie. (m / Foto: melita / stock.adobe.com)


Wellenförmiger Verlauf von Grippeepidemien

Trotzdem meinen die US-Forscher: „Wir können möglicherweise aus früheren Grippepandemien lernen, wenn wir versuchen wollen, ein Zukunftsszenario der COVID-19-Pandemie zu zeichnen.“ Hierzu verweisen sie auf acht globale Grippepandemien, von denen vier seit 1900 aufgetreten sind: 1918-19, 1957, 1968 und 2009-10. Auch wenn es meist keine klaren Muster gibt, hatten sieben der acht großen Pandemien einen frühen Höhepunkt, der im Laufe weniger Monate ohne nennenswerte menschliche Eingriffe verschwand. Etwa sechs Monate nach dem ersten Höchststand wurde dann ein zweiter substanzieller Höchststand beobachtet. Außerdem zeigten einige Pandemien im Laufe von zwei Jahren nach der ersten Welle weitere, kleinere Wellen.

Drei verschiedene Szenarien

Die CIDRAP-Visionäre können sich für die Zukunft der COVID-19-Pandemie theoretisch drei verschiedene Szenarien vorstellen:  

  • Szenario 1: Auf die erste Welle von COVID-19 im Frühjahr 2020 folgt im Sommer eine Reihe sich wiederholender kleinerer Wellen, die sich dann über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren fortsetzen. Das Auftreten dieser Wellen kann geografisch variieren und davon abhängen, welche Einschränkungen gelten und wie sie gelockert werden. 
  • Szenario 2: Auf die erste Welle folgt im Herbst oder Winter 2020 eine größere Welle und danach eine oder mehrere kleinere Folgewellen im Jahr 2021. Dieses Szenario würde im Herbst erneute Beschränkungen erfordern, um die Ausbreitung von Infektionen und die Überbelastung der Gesundheitssysteme zu verhindern. Dieses Muster ähnele dem, was bei der „Spanischen Grippe“ (Pandemie 1918-19) beobachtet worden sei, meinen die Autoren, und auch bei den Pandemien 1957-58 und von 2009/10.
  • Szenario 3: Hiernach würde die erste Welle durch einen „Schwelbrand" („Slow Burn“) mit einer laufenden Übertragung abgelöst, jedoch ohne klares Wellenmuster. Zwar wurde dieses dritte Muster bei früheren Grippepandemien nicht beobachtet, aber die Wissenschaftler ziehen es für COVID-19 trotzdem in Betracht. Das Szenario würde wahrscheinlich nicht unbedingt Beschränkungen erfordern, aber weiterhin zu Krankheits- und Todesfällen führen.

Botschaft an die Politik: Lieber vom Worst Case ausgehen

Basierend auf den Erfahrungen mit Grippeepidemien raten die US-Wissenschaftler den politischen Entscheidungsträgern abschließend dazu, für das Worst-Case-Szenario (Szenario 2) zu planen und Strategien zu entwickeln, die einen ausreichenden Schutz für Beschäftigte im Gesundheitswesen sicherstellen. Außerdem sollten sie konkrete Pläne in petto haben, um neu auftretenden Krankheitsspitzen mit Einschränkungen abfangen zu können. Die US-Forscher erwarten, dass die COVID-19-Pandemie wahrscheinlich noch 18 bis 24 Monate andauern wird, da sich die Herdenimmunität erst allmählich entwickelt. Angesichts der Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 müssten 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung immun sein, um die kritische Schwelle zu erreichen, mit der die Pandemie gestoppt werden könnte.

Allerdings wisse man bislang nicht, wie lange die erworbene Immunität überhaupt anhalte, und mit einem Impfstoff rechnen sie nicht vor „irgendwann im Jahr 2021“.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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