Erektile Dysfunktion

PDE5-Hemmer – Gibt es einen „besten?

München - 26.06.2020, 14:55 Uhr

Anwender reagieren hinsichtlich unerwünschter wie auch erwünschter Effekte unterschiedlich. Der Hamburger Urologe Prof. H. Porst rät seinen Patienten zum „Ausprobieren“. (Foto Maksymiv Iurii / stock.adobe.com)

Anwender reagieren hinsichtlich unerwünschter wie auch erwünschter Effekte unterschiedlich. Der Hamburger Urologe Prof. H. Porst rät seinen Patienten zum „Ausprobieren“. (Foto Maksymiv Iurii / stock.adobe.com)


Die vier zugelassenen PDE5-Inhibitoren Sildenafil (Viagra, Generika), Vardenafil (Levitra, Generika), Tadalafil (Cialis, Generika) und Avanafil (Spedra) haben vergleichbare Wirkeffekte und unerwünschte Wirkungen, unterscheiden sich aber deutlich bezüglich der Pharmakokinetik. Je nachdem, ob ein schneller oder eher ein anhaltender Effekt gewünscht wird, empfehlen sich verschiedene Substanzen. 

Die Entwicklung von Sildenafil (Viagra®) war der wohl erfolgreichste Irrweg der Pharmaforschung. Der gefäßerweiternde, zur Behandlung von Bluthochdruck und Angina pectoris gedachte Wirkstoff imponierte bei Männern mit ungeahnten (Neben)Wirkungen auf die Erektion. Die Umwidmung zum Potenzmittel im Jahr 1998 revolutionierte die Therapie der erektilen Dysfunktion (ED), die heute klar von Sildenafil & Co. dominiert wird. Ihre Effekte sind so vorhersagbar, dass heute vor einer weiterführenden ED-Diagnostik einfach ein oraler Therapieversuch mit einem PDE5-Hemmer durchgeführt wird.1

Identische Wirkweise

Im Mechanismus der Erektion wird in den Schwellkörpern des Penis (Corpus cavernosum) Stickstoffmonoxid (NO) freigesetzt. NO aktiviert die Guanylatcyclase, in der Folge wird cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) gebildet. Dieses lässt die glatte Muskulatur im Corpus cavernosum erschlaffen, Blut durchfließt die kavernösen Arterien, und der Penis erigiert. cGMP unterliegt dabei dem Abbau durch eine Phosphodiesterase (PDE Typ 5). Diese wird durch selektive PDE5-Hemmer blockiert. Die damit erhöhten cGMP-Spiegel ermöglichen und unterhalten die Erektion. Allen Erektionsstörungen – psychischen wie organischen – ist das Zuwenig an cGMP gemeinsam, weshalb die PDE5-Hemmung hier einen Königsweg darstellt. Voraussetzung ist und bleibt die sexuelle Erregung, ohne die der Mechanismus gar nicht erst in Gang kommt. 

Schnelle Effekte

Für alle Substanze wurde ein frühester Wirkbeginn zwischen 10 und 16 Minuten nachgewiesen. Der frühest mögliche Wirkeintritt ist nicht gleichbedeutend mit dem Erreichen einer bestmöglichen Erektion.2 Sildenafil und das 2003 eingeführte Vardenafil erreichen ihre maximale Blutkonzentration (Cmax) und damit den maximalen Effekt meist 30 bis 40 Minuten nach der (nüchternen) Einnahme. Die Fachinformation gibt die Spanne mit 30 bis 120 Minuten an. Bei der Vardenafil-10-mg-Schmelztablette, die ohne Flüssigkeit eingenommen wird, sind es 45 bis 90 Minuten. Für den neuesten Vertreter der PDE5-Hemmer, Avanafil (2014), werden 30-45 Minuten angegeben, er soll besonders rasch wirken. 

Beeinträchtigt wird die Anflutgeschwindigkeit bei allen drei Substanzen durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme, vor allem fettes Essen. Hiervon unbeeindruckt zeigt sich allein Tadalafil, bei dem allerdings ohnehin 120 Minuten bis zur Cmax angegeben werden.

Unterschiedliche Wirkdauer

Tadalafil ist der pharmakokinetische Sonderfall: Mit seiner Halbwertszeit von 17,5 Stunden erreicht die Substanz eine Wirkdauer von 36 Stunden und mehr, was ihr den Beinamen „Wochenendpille“ eintrug. Die Halbwertszeiten von Sildenafil (3 bis 5 Stunden) und Vardenafil (4 bis 5 Stunden) lassen dosisabhängig auf eine Wirkdauer von 4 bis 10 Stunden hoffen. Bei Avanafil liegt die Halbwertszeit zwischen 6 und 17 Stunden. Als Faustregel gilt, dass bei der Höchstdosis (!) eines PDE-5-Hemmers die klinische Wirkdauer der 2,5- bis 3-fachen Halbwertszeit entspricht. 

Singulär ist für Tadalafil auch die Zulassung für die tägliche Anwendung in der Niedrigdosis von 5 mg, sowohl zur Behandlung der ED als auch des benignen Prostatasyndroms. Bei täglicher Gabe stellt sich nach fünf Tagen ein Steady-State ein. Die langfristige abendliche Gabe von PDE-5-Inhibitoren verbessert die nächtliche Regeneration des Penisschwellkörpers durch Bluteinstrom; den Potenz-fördernden Effekt macht man sich auch bei der sexuellen Rehabilitation nach Prostatektomie zunutze. 

Orale Pharmaka zur Therapie der erektilen Dysfunktion im Vergleich

(Quelle: Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion – Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie 2018)

Nebenwirkungen und Gegenanzeigen (fast) gleich

Häufigere Nebenwirkungen sind bei allen Substanzen Kopfschmerzen (etwa 14 bis 15 Prozent), Flush/Gesichtsröte (4 bis 14 Prozent), Sodbrennen (4 bis 10 Prozent), verstopfte Nase (3 bis 9 Prozent), und Dyspepsien. Bei Tadalafil wurden auch Rücken-, Muskel- und Extremitätenschmerzen bei etwa 5 Prozent der Anwender beobachtet.2

Farbsehstörungen in gleicher Häufigkeit treten nicht allein bei Sildenafil auf, sondern laut Fachinformation auch bei den anderen PDE5-Hemmern. Die genannten Nebenwirkungen sind meist leicht bis mäßig stark und bedingen nur selten einen Therapieabbruch. Zudem reagieren die Anwender oft individuell unterschiedlich sowohl hinsichtlich unerwünschter wie auch erwünschter Effekte, betonen Experten wie der Hamburger Urologe Prof. H. Porst. Er rät seinen Patienten zum „Ausprobieren“ der verschiedenen Optionen.2

Warnhinweise für PDE5-Inhibitoren gelten bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren. Absolut kontraindiziert sind sie bei Patienten, die Nitrate oder andere NO-Donatoren wie Molsidomin einnehmen. Bei ausufernder NO-Wirkung kann es zu einem lebensbedrohlichen Kreislaufkollaps kommen. Bei Patienten mit schwereren Augenerkrankungen (z. B. Retinitis pigmentosa) sind sie ebenfalls kontraindiziert.

Weitere Indikationen 

Zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) sind, neben der ED, Sildenafil (z. B. Revatio®, Mysildecard®, Granipadam®) und Tadalafil (z. B. Adcirca®) zugelassen, Tadalafil zudem zur Therapie des benignen Prostatasyndroms.

 

Literatur

1 Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. AWMF-Registernummer: 030/112

2 https://www.porst-hamburg.de/spezielle-andrologie/potenzstoerungen.html [23.6.2020]



Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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