Selbstmedikation bei PDE-5-Hemmern

OTC-Switch bei Viagra – sinnvoll, sicher und häufig?

Remagen - 26.06.2020, 14:55 Uhr

In manchen Ländern gibt es Sildenafil auch ohne Rezept. In Deutschland scheiterte der OTC-Switch bislang. (Foto: Maksymiv Iurii / stock.adobe.com)

In manchen Ländern gibt es Sildenafil auch ohne Rezept. In Deutschland scheiterte der OTC-Switch bislang. (Foto: Maksymiv Iurii / stock.adobe.com)


Neuseeland

Den Anfang hat im Jahr 2014 Neuseeland gemacht und dem Switch-Antrag von Douglas Pharmaceuticals für Sildenafil mit dem Markennamen Silvasta® zugestimmt. Seit etwa fünf Jahren gibt es dort orale Präparate mit bis zu 100 mg Sildenafil pro Dosis-Einheit als feste Form ohne Rezept. Allerdings wurde die Freigabe an weitere Bedingungen verknüpft. So muss das Medikament unter anderem für Männer im Alter von 35 bis 70 Jahren bestimmt sein, und die Apotheker müssen für die Abgabe besonders geschult sein. Außer Silvasta® gibt es auf dem neuseeländischen Markt noch weitere rezeptfreie Sildenafil-Medikamente, zum Beispiel Viagra® und Avigra® von Pfizer Neuseeland und Vedafil® von Mylan.

Polen

Seit Mai 2016 ist Sildenafil (25 mg) zudem in Polen rezeptfrei erhältlich (beschränkt auf zwei Tabletten pro Packung) und wird dort von Adamed unter dem Brand MaxOn Active® vermarktet. 

Großbritannien

Für bestimmte Patienten gab es Sildenafil in UK schon seit dem Jahr 2007 ohne Rezept. Als erste Apotheke hatte Boots diese Möglichkeit über eine sogenannte „Patient Group Direction“ (PGD) eröffnet. Nach einer solchen Vereinbarung zwischen Arzt und Apotheker können rezeptpflichtige Mittel an bestimmte Patienten in Apotheken ohne Rezept abgegeben werden. Viele andere Apotheken waren diesem Beispiel gefolgt und boten Sildenafil und andere Phosphodiesterase-5-Inhibitoren wie Tadalafil (Cialis®, Eli Lilly), Vardenafil (Levitra®, Bayer) und Avanafil (Spedra®, Menarini) über PGDs an hierfür in Frage kommende Patienten an. Insofern wäre der Sprung zur kompletten Freigabe nicht mehr groß, schrieb das Pharmaceutical Journal im Mai 2017

Und das klappte dann auch. Seit Ende 2017 gibt es Sildenafil-Tabletten in England, Schottland, Nordirland und Wales auch so ohne Rezept. Konkret ging es bei dem Switch von einer „POM“ (Prescription-only-Medicine) zu einer „P-medicine“ (Pharmacy-medicine) um das Fertigarzneimittel „Viagra Connect 50 mg“ von Pfizer. Die Käufer müssen mindestens 18 Jahre alt sein. In dem öffentlichen Beurteilungsbericht der Arzneimittelbehörde zu der Umstufung wird ausführlich auf den Benefit und die möglichen Risiken der Freigabe eingegangen. Die MHRA kommt zu dem Ergebnis, dass die Verfügbarkeit von Sildenafil-Filmtabletten für Männer mit erektiler Dysfunktion von Wert sein könnte. Die Patienten könnten von einem Apotheker auf ihre Eignung für das Präparat geprüft und auf etwaige Risiken aufmerksam gemacht werden, wie etwa Situationen, in denen die Einnahme nicht angebracht sein könnte, oder auch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Zudem könnten die Apotheker die Patienten gegebenenfalls zum Arzt schicken. Auch das Risiko direkter Gefahren oder eines Missbrauchs wird als gering erachtet.

Im Übrigen glaubt die MHRA, dass das geringe Risiko bei weitem durch die Vorteile aufgewogen werde. Damit komme schließlich eine ansonsten schwer zu erreichende Gruppe von Männern immerhin in den Bereich der Gesundheitsversorgung, nämlich in die Apotheke. Außerdem würden die Risiken durch Fälschungen aus dem illegalen Markt gemindert.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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