Bundesgerichthof

Causa Thomas Bellartz wird erneut aufgerollt

Berlin - 17.06.2020, 12:31 Uhr

Encore une fois? Das Verfahren gegen Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz beginnt von vorn. (x / Foto: hfd)

Encore une fois? Das Verfahren gegen Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz beginnt von vorn. (x / Foto: hfd)


Der Bundesgerichtshof hat das im vergangenen Jahr ergangene Strafurteil gegen Thomas Bellartz wegen des Ausspähens von Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium aufgehoben. Das bedeutet allerdings noch keinen Freispruch für den Apotheke-Adhoc-Herausgeber. Vielmehr haben die Karlsruher Richter den Fall zur erneuten Verhandlung nach Berlin verwiesen. Das Verfahren, das sich über ein Jahr hingezogen hatte, beginnt damit von vorne. Allerdings könnte es diesmal schneller gehen und glimpflicher für den früheren ABDA-Sprecher ausgehen.

Im Januar 2018 hatte nach langjährigen Ermittlungen der Strafprozess gegen Thomas Bellartz und den Mitangeklagten Christoph H. begonnen. Ihnen wurde vorgeworfen, gemeinschaftlich Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium ausgespäht zu haben (§ 202a StGB). Dahinter steckte folgender Sachverhalt: 2006 hatten sich die beiden kennengelernt, kurz darauf wurde Bellartz Leiter der Stabsstelle Kommunikation bei der ABDA. Daneben betrieb er schon damals den Branchendienst Apotheke Adhoc. Christoph H. war als externer Systemadministrator im Bundesgesundheitsministerium beschäftigt. Die beiden kamen spätestens im Januar 2009 überein, dass H. für Bellartz interne Informationen aus dem Ministerium beschaffen sollte, die Bellartz beruflich verwenden wollte. Und so griff H. auf die E-Mail-Konten von hochrangigen, von Bellartz benannten Ministeriumsbeamten und Staatssekretären zu, zog die Daten auf Datenträger und übergab sie Bellartz für Geldsummen zwischen etwa 400 und 600 Euro. Bekommen hat Bellartz dafür beispielsweise einen sehr frühen Entwurf der Apothekenbetriebsordnungs-Novelle. Das war für die ABDA ebenso wie für Apotheke Adhoc ein echter Gewinn an Frühinformation. 

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Das Landgericht Berlin verurteilte Bellartz und H. im April 2019 tatsächlich wegen des gemeinschaftlichen Ausspähens von Daten. Die Staatsanwaltschaft hatte zwar 40 Fälle angeklagt, von denen am Ende nur noch zwei übrig blieben – doch das reichte der Landgerichtskammer, um Bellartz zu 300 Tagessätzen zu je 220 Euro zu verurteilen. Der mitangeklagte H. wurde überdies wegen weiterer Straftaten verurteilt, etwa einem Wohnungseinbruch, mit denen Bellartz allerdings nicht in Verbindung stand. 

Sowohl der Verteidiger von Bellartz als auch H. hatte in dem langwierigen Verfahren mit zahlreichen Zeugen stets darauf gepocht, dass der Straftatbestand des § 202a StGB nicht erfüllt sei. Danach macht sich strafbar, wer sich oder einem anderem Zugang zu Daten verschafft, die für ihn nicht bestimmt sind und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind – und zwar unter Überwindung der Zugangssicherung. Die Anwälte argumentierten hier, dass H. als Systemadministrator gar keine Zugangssicherungen hätte überwinden müssen. In seiner Funktion habe er ganz erlaubt Zugriff auf alle Laufwerke und Postfächer gehabt. Überdies bezweifelten die Angeklagten, dass die IT des BMG überhaupt gesichert war. Und so gingen beide Männer in Revision.

Eine andere Strafkammer am Landgericht soll nun entscheiden

Nun hat der Bundesgerichtshof einen Beschluss in der Sache gefasst. Am gestrigen Dienstag wurde dieser veröffentlicht – und er dürfte H. und Bellartz nur bedingt gefallen. H.s Revision wurde gänzlich verworfen – nur weniger Geld aus seinen Taterträgen muss er zurückzahlen, statt 70.900 Euro nur noch 53.200 Euro. Was Bellartz betrifft, wurde das Urteil hingegen aufgehoben. Doch Schluss ist damit nicht: Soweit das Urteil aufgehoben wurde, wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen. Das heißt: Der Fall wird nochmals aufgerollt.

BGH zweifelt nicht am „Datenklau“

Doch warum wurde das Urteil gegen Bellartz aufgehoben, wenn der Bundesgerichtshof § 202a StGB durch H. doch erfüllt sah? Der Karlsruher Strafsenat führt in seinem Beschluss aus, dass „die auf rechtsfehlerfreier Beweisführung beruhenden Feststellungen“ des Landgerichts die Verurteilung H.s wegen Ausspähens von Daten tragen. Die Daten seien nicht für ihn bestimmt gewesen, denn sein Zugriffsrecht habe sich auf rein technische Aufgaben beschränkt. Sie seien auch besonders gegen einen unberechtigten Zugriff gesichert gewesen – die Passworte der Behördenmitarbeiter für ihre E-Mails reichten dafür. Es komme für das Vorliegen einer Zugangssicherung nicht darauf an, ob Experten leicht auf die dahinter stehenden Daten zugreifen könnten. Die Sicherung müsse auch nicht speziell gegenüber dem Täter wirken. Daher sei es unerheblich, dass H. als Administrator der tatsächliche Zugriff möglich war. „Überwunden“ habe H. diese Sicherung ebenfalls. Darunter sei jede Handlung zu verstehen, die geeignet ist, die jeweilige Sicherung auszuschalten oder zu umgehen. Auch wenn der Täter dies ohne besonderen Aufwand schaffe, sei der Tatbestand erfüllt.

Keine Mittäterschaft, sondern Anstiftung?

Was nun Bellartz betrifft, so hatte das Landgericht ihn als Mittäter von H. qualifiziert: Sie sollen also aufgrund eines gemeinsamen Tatplans die Tatausführung gemeinsam verwirklicht haben. Diese Auffassung teilt der Bundesgerichtshof jedoch nicht. Im Beschluss heißt es: „Auf die konkrete Tatbegehung, das Ausspähen von Daten, hatte der Angeklagte B. keinen Einfluss und konnte auch keinen nehmen. Ihm war auch nicht bekannt, wie H. eine mögliche Zugangssicherung überwinden würde; er nahm allein an, dass dieser dabei möglicherweise würde ‚tricksen‘ müssen“. Zwar habe er ein erhebliches Interesse am Taterfolg gehabt und durch die Bezahlung sowie die konkrete Nennung der auszuspähenden Postfächer auch Einfluss auf H.s Tat gehabt. Damit unterscheide er sich aber nicht von anderen Fällen am Taterfolg interessierter Anstifter, denen es an der Einflussnahme auf die konkrete Tathandlung fehle. Sprich: Der BGH geht nur von einer Teilnahmehandlung aus, einer Anstiftung, nicht aber von einer Mittäterschaft, die gleich der Täterschaft zu bestrafen ist.

Ausdrücklich sagt der BGH, dass die (tatsächlichen) Feststellungen von diesem Wertungsfehler des Landgerichts nicht betroffen seien. Sie könnten deshalb bestehen bleiben. Sonst werden bei einer Aufhebung des Urteils meist auch die Feststellungen aufgehoben. Doch hier wird man wohl von einer neuen umfangreichen Beweiserhebung absehen können.

Der Bundesgerichtshof hat erwogen, ob er selbst den Schuldspruch von Mittäterschaft auf Anstiftung ändert. Doch letztlich sieht er sich daran gehindert (durch § 265 Abs. 1 StPO) – und zwar, weil es nicht gänzlich ausgeschlossen sei, dass sich Bellartz gegen diesen Vorwurf „anders – und zwar erfolgreicher – als bislang geschehen verteidigt hätte“.

Nun darf man gespannt sein, wann das Landgericht Berlin wieder terminiert.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Mai 2020, Az.: 5 StR 614/19



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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