Apotheker fordern Reaktion

Mehrwertsteuersenkung im Bundestag – DAV spricht mit Politik

Berlin/Süsel - 11.06.2020, 13:19 Uhr

DAV-Chef Fritz Becker warnt vor Millionen-Verlusten für Apotheker, sollte der Bundestag die Mehrwertsteuer temporär absenken. (Foto: Schelbert)

DAV-Chef Fritz Becker warnt vor Millionen-Verlusten für Apotheker, sollte der Bundestag die Mehrwertsteuer temporär absenken. (Foto: Schelbert)


Durch die geplante Mehrwertsteuersenkung würden die Apotheken über den Kassenabschlag zusätzlich belastet. Doch der Deutsche Apothekerverband ist im Gespräch mit der Politik, um diesen offenbar unbeabsichtigten Nebeneffekt zu verhindern oder auszugleichen. Dies hat der DAV-Vorsitzende Fritz Becker am heutigen Donnerstag bestätigt. Indes zeichnet sich ab, dass die Mehrwertsteuersenkung im Eilverfahren auch im Bundestag verabschiedet werden könnte.

Schon am kommenden Freitag soll die geplante Absenkung der Mehrwertsteuer im Kabinett beschlossen werden. Als Teil ihres Konjunkturpakets will die Bundesregierung die Steuer von derzeit 19 auf 16 Prozent absenken. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz soll von aktuell 7 auf 5 Prozent sinken – beide Maßnahmen sollen allerdings zeitlich begrenzt ab dem 1. Juli dieses Jahres für ein halbes Jahr gelten. Nach Informationen von DAZ.online will auch der Bundestag dazu ein Eilverfahren in Gang setzen. Denn schon Ende Juni soll das entsprechende Gesetz im Parlament beschlossen werden. Die Nachrichtenagentur dpa nennt den 29. Juni als möglichen Termin für Sondersitzungen des Bundestags und des Bundesrats zum Beschluss der Maßnahmen.

Für die Apotheker könnte die Absenkung der Mehrwertsteuer mit herben finanziellen Verlusten verbunden sein. Auf diesen Zusammenhang hatte DAZ.online bereits am Freitag voriger Woche aufmerksam gemacht. Wenn Apotheken derzeit für ein Arzneimittel 1,77 Euro brutto weniger erhalten, mindert das ihren Nettoumsatz um 1,487 Euro. Wenn der Mehrwertsteuersatz jedoch auf 16 Prozent sinkt, vermindert der Kassenabschlag den Nettoumsatz um 1,526 Euro. Für jedes abgerechnete Arzneimittel nehmen die Apotheken also netto 4 Cent weniger ein. Bei etwa 310 Millionen Rx-Arzneimitteln zulasten der GKV in einem halben Jahr würde dies eine Einbuße von 12,4 Millionen Euro für alle Apotheken oder etwa 650 Euro pro Durchschnittsapotheke nach sich ziehen, wurde bei DAZ.online bereits am Freitag erläutert.

In seinem jüngsten Statement im Newsroom der ABDA äußert sich Fritz Becker, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), zur zeitweiligen Absenkung des Mehrwertsteuersatzes. Der DAV begrüße das Anliegen der Bundesregierung, die Wirtschaft zu stärken und die negativen Folgen der Pandemie abzufedern. Die Mehrwertsteuersenkung möge dabei generell helfen, führe aber bei der Arzneimittelversorgung auch zu Schwierigkeiten. Eine Nachfragesteigerung sei bei Arzneimitteln nicht gewollt. Durch die Mehrwertsteuersenkung würden die Apotheken nicht nur administrativ, sondern auch finanziell zusätzlich belastet. Außerdem sei die Zeit für die Umsetzung bis zum 1. Juli knapp.

Becker warnt vor Millionen-Verlusten für Apotheken

Bei mehr als 80 Prozent des Umsatzes der Apotheken gehe es um preisgebundene Rx-Arzneimittel. Die Apotheke könne weder „Preisvorteile“ weitergeben noch sei die Nachfrage preissensibel. Dagegen sei der Apothekenabschlag, der als Rabatt an die GKV gezahlt wird, mit 1,77 brutto pro Arzneimittel nominal festgelegt. Becker erklärt dazu:


Sinkt der Mehrwertsteueranteil an diesem Abschlag, wächst die Nettobelastung der Apotheke, während die Krankenkasse finanziell profitiert. Der Effekt macht einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr aus.“

DAV-Chef Fritz Becker


Steigerung des Kassenabschlags als unerwünschter Nebeneffekt

Angesichts dieser Zusammenhänge folgert Becker nun: "Gerade nachdem die Apotheken monatelang an der ‚Coronafront‘ geackert haben, ist es bestimmt nicht Ziel der Politik, dass sie im Zuge des Konjunkturprogramms Nachteile erleiden. Hier geht es um einen unbeabsichtigten und unerwünschten Nebeneffekt, den der Gesetzgeber verhindern bzw. ausgleichen kann. Genau dazu sind wir im Gespräch mit der Politik.“

Allerdings teilt Becker nicht mit, wie der Effekt verhindert werden soll. DAZ.online hatte aus Kreisen der Landesapothekerverbände erfahren, dass die Senkung des Kassenabschlags auf 1,73 Euro brutto pro Arzneimittel für das zweite Halbjahr als Ausgleichsmöglichkeit diskutiert wird.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

DAV & Co. ... Selbstbeschäftigung in der Endlosschleife ...

von Christian Timme am 11.06.2020 um 19:50 Uhr

Zum Glück haben wir zwei Nasenlöcher ... DAV und BAK ... und der Zeigefinger ist die ABDA ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Apothekerliches Klein-Klein ...

von Reinhard Herzog am 11.06.2020 um 14:27 Uhr

Es hat schon seinen Grund, warum wir so behandelt werden, wie wir es allenthalben erfahren ...

Kleinkariertes Pfennig- bzw. Cent-Gefuchse, wo Euro angemessen wären. Andere Branchen erheben "Hygienepauschalen" (vom Friseur bis zum Gastwirt) bzw. bekommen sie auch von den Kassen bezahlt. Selbst die sonst ebenfalls nicht auf Rosen gebetteten Physiotherapeuten (1,50 € je Verordnung).

Da wäre z.B. 1,00 € je Rezept nur (zu) billig ... und der Mehrwertsteuernachteil beim Kassenrabatt sind demgegenüber nicht mehr als die berühmten "Peanuts". Die sachlogische Begründung liegt schlicht im Patienten- und Mitarbeiterschutz samt damit verbundener Aufrechterhaltung der Versorgung.

Aber jeder bekommt eben das, was er "verdient". Verdient in dem Sinne, wie er sich bei den Entscheidungsträgern und coram publico verkauft ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Apothekerliches Klein-Klein: JA, ABER ...

von Dr. Ralf Schabik am 11.06.2020 um 18:35 Uhr

Grundsätzlich unterschreibe ich Ihren Kommentar sofort. Aber ich denke, hier müssen wir differenzieren: Die Mehrwertsteuer-Geschichte ist ein exakt bezifferbarer Schaden, der sehr einfach im laufenden Gesetzgebungsverfahren verhindert werden kann, indem beispielsweise der Kassenabschlag angepasst wird. Da können auch die Kassen nicht ernsthaft maulen, denn sie haben ja dennoch den Vorteil der Mehrwertsteuer-Senkung. Insofern halte ich den separaten Vorstoß des DAV für absolut zielführend - auch unter dem Aspekt, dass es durchaus Erwähnung wert ist, dass wir Apotheker wegen "nur" vier Cent aktiv werden und eben NICHTS zu verschenken haben.
Alle anderen Punkte (Schutzmassnahmen, Boni für Mitarbeitende, Streichung von Bürokratie) arten aus, weil da vielschichtige Probleme artikuliert werden müssen und auch echte Kosten entstehen, die zu zahlen sind. Kosten, die VOR der Mehrwertsteuersenkung schon existierten und auch hinterher auflaufen werden. Da wird es noch erbitterte Kämpfe geben (müssen) - von daher sollten wenigstens das Thema "Mehrwertsteuer" vorher schon abgearbeitet sein.

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