Apothekenwirtschaftsdaten

2019: Weniger Apotheken, mehr Engpässe, mehr OTC-Versand

Berlin/Kiel - 04.06.2020, 15:59 Uhr

Die Apothekenzahl ist im vergangenen Jahr weiter gesunken, wobei der Apothekenumsatz der verbliebenen Betriebsstätten leicht stieg. Ebenfalls gestiegen sind der OTC-Versand und die Zahl der Lieferengpässe. (s / Foto: imago images / Westend61)

Die Apothekenzahl ist im vergangenen Jahr weiter gesunken, wobei der Apothekenumsatz der verbliebenen Betriebsstätten leicht stieg. Ebenfalls gestiegen sind der OTC-Versand und die Zahl der Lieferengpässe. (s / Foto: imago images / Westend61)


Die ABDA hat am heutigen Donnerstag die Wirtschaftsdaten der Apotheken für das Jahr 2019 in einer Videokonferenz vorgestellt. Die Daten zeigen, dass sich die bestehenden Trends fortgesetzt haben: Die Zahl der Apotheken sank und der Umsatz der Durchschnittsapotheke stieg. Sehr deutliche Entwicklungen gibt es weiterhin im Bereich der Arzneimittel-Lieferengpässe. Und: Der Marktanteil der Versandhändler im OTC-Markt ist erneut gestiegen.

Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin für Ökonomie, berichtete, dass die Apothekenzahl seit 2014 sogar beschleunigt zurückgehe. Im Berichtsjahr 2019 habe sich der Trend zur Filialisierung wieder verstärkt. Bei den Filialen habe es 2019 weniger Schließungen und mehr Übernahmen gegeben. Im Berichtsjahr sank die Gesamtzahl der Apotheken in Deutschland von 19.423 auf 19.075, die Zahl der Filialen stieg von 4.541 auf 4.602.

Trotz der sinkenden Apothekenzahl hat die Zahl der Beschäftigten in Apotheken weiter zugenommen, sie stieg auf 160.588 (Vorjahr: 159.141). Davon seien etwa die Hälfte Teilzeitbeschäftigte – und diese hätten wesentlich die Mehrarbeit in der Coronakrise geschultert. Diese sehr flexible Reaktion spreche für die Leistungsfähigkeit dezentraler Strukturen, folgerte Korf. Der Frauenanteil in den Apotheken ist weiterhin hoch: Knapp 90 Prozent aller Beschäftigten sind weiblich.

Die ABDA hat auch analysiert, in welchen Tätigkeitsbereichen die Zahl der beschäftigten Apotheker am schnellsten gewachsen ist. Mit rund 830 wuchs die Zahl der in öffentlichen Apotheken angestellten Apothekerinnen und Apothekern im Vergleich zu anderen Beschäftigungsbereichen am schnellsten. 370 Approbierte wurden neu in der pharmazeutischen Industrie angestellt, 94 Apothekerinnen und Apotheker nahmen ihre Arbeit in einer Klinikapotheke auf.

Entwicklung der Apothekenzahl im Jahr 2019 im Detail. (Grafik: ABDA)

Immer mehr Rx-Arzneimittel

Außerdem betonte Korf den immer weiter steigenden Anteil der Rx-Arzneimittel. Im Jahr 2019 betrug ihr Anteil am Absatz 55,3 Prozent und am Umsatz sogar 81,7 Prozent. „Die öffentliche Apotheke lebt von Rx-Arzneimitteln“, sagte Korf. Doch das Umsatzwachstum sei klar auf den anhaltenden Trend zu hochpreisigen Arzneimitteln zurückzuführen. Kurz ging die ABDA-Ökonomiechefin auch auf den OTC-Versandhandel ein. Mit Blick auf den Absatz liege der OTC-Versand inzwischen bei einem Marktanteil von 15,4 Prozent, das entspricht einer Steigerung von 7,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Beim Umsatz hat der OTC-Versand sogar schon einen Anteil von 16,4 Prozent.

Wie in früheren Jahren machte Korf deutlich, dass die Vergütung der Apotheken weiter hinter der Entwicklung der GKV-Einnahmen und des Bruttoinlandsprodukts zurückgeblieben ist. Konkret sind die GKV-Einnahmen seit 2004 um knapp 74 Prozent gestiegen, das BIP um knapp 52 Prozent, die Tariflöhne für Apothekenbeschäftigte um knapp 33 Prozent, die Apothekenvergütung hingegen nur um rund 15 Prozent. Mit Blick auf die Effekte der Coronakrise sagte Korf, dass sich 2020 die Relationen verändern würden. Die Einnahmen des Gesundheitsfonds würden voraussichtlich um 5 bis 7 Milliarden Euro sinken. In den Krankenhäusern würden höhere Kosten entstehen, die jedoch zunächst durch das Verschieben von Leistungen kompensiert werden.

Durchschnittsumsatz gestiegen

Beim Blick auf die Umsatzverteilung unter den Apotheken betonte Korf die große Diskrepanz zwischen den Durchschnittszahlen und der typischen Apotheke. Die häufigste Umsatzgrößenklasse erzielte 2019 einen Nettoumsatz von weniger als 1,75 Millionen Euro pro Jahr, aber der Durchschnittsumsatz betrug 2,587 Millionen Euro. Dabei lägen 61 Prozent der Apotheken unter dem Durchschnitt. Dieser Durchschnitt stieg gegenüber dem Vorjahr um 8,7 Prozent. Zu diesem Wachstum tragen die sinkenden Apothekenzahlen und der große Anteil der hochpreisigen Arzneimittel wesentlich bei. Die Hochpreiser dürften auch für den hohen Wareneinsatz von 77,0 Prozent des Nettoumsatzes (Vorjahr: 76,2 Prozent) verantwortlich sein. 

Das durchschnittliche Betriebsergebnis stieg bei absoluter Betrachtung auf 148.436 Euro (Vorjahr: 144.085 Euro), sank aber bei relativer Betrachtung auf 5,7 Prozent des Nettoumsatzes (Vorjahr: 6,1 Prozent). Korf betonte, dass das um den Verbraucherpreisindex korrigierte Betriebsergebnis sogar unter dem Wert von 2016 lag.

Problemthema Lieferengpässe

Besonderes Augenmerk richtete Korf auf die Lieferengpässe. Gemäß ABDA-Datenpanel empfanden 99,3 Prozent der befragten Apotheker die Lieferengpässe als zunehmend oder stark zunehmend. Im Jahr 2019 seien 18 Millionen GKV-Packungen mit dem Sonderkennzeichen „Nichtverfügbarkeit“ gekennzeichnet worden. Damit habe sich diese Zahl in zwei aufeinander folgenden Jahren jeweils verdoppelt. Denn 2018 habe es noch 9,3 Millionen solcher Sonder-PZNs gegeben, 2017 nur 4,7 Millionen.

Eine ausführliche Darstellung der Apothekenwirtschaftsdaten für 2019 finden Sie in der nächsten DAZ.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Apothekenvergütung + 3% in 16 Jahren!

von Thomas Eper am 04.06.2020 um 17:14 Uhr

Kann mir jemand mal erklären, wie die 15% mehr Apothekenvergütung zustande kommen?
Ich kann mich nur an 3% in 16 Jahren plus Almosen erinnern.
Oder will uns die eigene Standesvertretung die Umsatzverlagerung durch das Apothekensterben als Steigerung der Apothekenvergütung verkaufen!

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?

von Anita Peter am 04.06.2020 um 17:10 Uhr

Ist es so schwierig den Umsatz im Median darzustellen, um auch mal realistische Zahlen zu präsentieren?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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