Versandhandelskonflikt

Das Rx-Versandverbot lebt noch – in der CSU

Berlin - 03.06.2020, 11:45 Uhr

Die CSU-Gesundheitsexpertin Emmi Zeulner und ihr Fraktionskollege Wolfgang Stefinger fordern das Rx-Versandverbot, um die Versorgung durch Vor-Ort-Apotheken zu sichern. (s / Foto: imago images / Thiel)

Die CSU-Gesundheitsexpertin Emmi Zeulner und ihr Fraktionskollege Wolfgang Stefinger fordern das Rx-Versandverbot, um die Versorgung durch Vor-Ort-Apotheken zu sichern. (s / Foto: imago images / Thiel)


Während der Coronakrise ist ein bedeutendes apothekenpolitisches Thema aus dem Fokus geraten: der Versandhandelskonflikt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will kein Rx-Versandverbot und verhandelt daher nun schon seit mehreren Monaten in Brüssel rund um sein geplantes Rx-Boni-Verbot. Weil Spahn bislang keine Fortschritte gemacht hat, melden sich nun zum wiederholten Male Fachpolitiker aus seiner eigenen Fraktion zu Wort. Die CSU-Politiker Emmi Zeulner und Stephan Pilsinger wollen die Apotheken mit einem Rx-Versandverbot schützen.

Die Bilanz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist beachtlich. Er packte gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit zahlreiche Bereiche im Gesundheitswesen an und legte eine Vielzahl von Gesetzentwürfen und Verordnungen vor. Insbesondere bei der Digitalisierung legt Spahn ein Tempo vor, das die Gesundheitsminister der vergangenen Legislaturperioden nicht annähernd erreichten. Ein für die Apotheker sehr wichtiges Thema stellt aber auch ihn vor Probleme: der Versandhandelskonflikt. Spahn hatte den Streit um die von den EU-Versendern angebotenen Rx-Boni quasi von seinem Vorgänger Hermann Gröhe (CDU) übernommen. Doch so wie Gröhe seinerzeit mit dem von ihm geplanten Rx-Versandverbot nicht durchkam, hat auch Spahn noch immer keine Lösung für das Problem gefunden.

Dabei hat sich Spahn das Leben ein Stück weit selbst schwer gemacht: Denn laut Koalitionsvertrag besteht in dieser Legislaturperiode nun endlich Einigkeit zwischen Union und SPD, dass man sich für das Rx-Versandverbot als Lösung des Versandhandelskonflikts „einsetzen“ wolle. Doch Spahn sieht das anders. Sein Ministerium legte mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz einen Entwurf vor, mit dem Spahn dem Verbot aus dem Weg geht – mit einem Rx-Boni-Verbot, das im SGB V ausschließlich für GKV-Versicherte etabliert werden soll. Doch es gibt viele, insbesondere juristische Zweifel an diesem Vorhaben. Und so versprach der Minister, sich nach dem Kabinettsbeschluss und vor der Befassung im Parlament mit der EU-Kommission über den Plan abzustimmen.

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Der Kabinettsbeschluss ist im Juli ein Jahr alt – und noch immer hat Spahn keine Lösungen vorgelegt. Dem Vernehmen nach haben in den vergangenen Tagen erneut Gespräche in Brüssel stattgefunden – Spahn hatte dies in einem Gespräch mit AKWL-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening auch versprochen. Aber weiterhin ist nicht bekannt, wie EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton auf Spahns Vorschlag im Detail reagiert hat. Spahns eigener Fraktion schmeckt das gar nicht. Zur Erinnerung: Insbesondere Gesundheitspolitiker aus der Unionsfraktion hatten sich sehr lange – und dann auch erfolgreich – dafür eingesetzt, dass das Rx-Versandverbot in den Koalitionsvertrag kommt. Weil nun immer noch keine Lösung da ist, werden die Fachpolitiker aus der Union jetzt zunehmend unruhig.

Jüngstes Beispiel: die CSU-Politiker Emmi Zeulner und Wolfgang Stefinger. Im Gespräch mit dem „Münchener Merkur“ verweisen die beiden Politiker jetzt auf die derzeitigen Leistungen der Vor-Ort-Apotheken in der Coronakrise. Zeulner sei bewusst, dass der Internethandel gerade in Zeiten von Kontaktbeschränkungen sehr gefragt sei. Aber: „Bei allen Vorteilen einer digitalen und vernetzten Welt bringt es der Mama mit dem kranken Kind am Wochenende nichts, dass irgendwo eine Online-Apotheke  sitzt, die mit Rabatten lockt.“ Man brauche für solche Fälle – vor allem auf dem Land – die Apotheke vor Ort. Gerade in der Krise seien es die Apotheken gewesen, die innerhalb kürzester Zeit beispielsweise Desinfektionsmittel hergestellt und zu jeder Zeit die Versorgung sichergestellt haben, so Zeulner.

Druck aus der Unionsfraktion auf Spahn wird größer

Der fränkischen CSU-Abgeordneten und ihrem Kollegen Stefinger aus München ist der juristische Streit ums Rx-Versandverbot bewusst. In dem Zeitungsbericht erklären sie aber, dass sie es notfalls auf eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof ankommen lassen würden. „Unser gemeinsames nationales Interesse muss es sein, die Strukturen der Versorgung mit Medikamenten wieder zurückzuholen und uns auch von anderen Ländern unabhängiger zu machen. Das hat uns die COVID-19-Pandemie nochmals deutlich vor Augen geführt.“ Anders als Spahn glauben die beiden CSU-Gesundheitsexperten laut „Münchener Merkur“ auch, dass eine Klage gegen das Rx-Versandverbot vor Gericht keine Chance hätte. Sie verweisen dazu auf das Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Professor Udo Di Fabio. Zur Erinnerung: Die ABDA hatte unter anderem von Di Fabio eine Kurzversion eines Gutachtens zum Rx-Versandverbot veröffentlicht. Die kompletten Versionen der eigens von der ABDA in Auftrag gegebenen juristischen Expertisen wurden hingegen nie bekannt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Unionspolitiker Spahn in dieser Angelegenheit Druck machen. Schon im vergangenen Jahr stieß der Verzicht des Ministers auf das Rx-Versandverbot auf heftigen Gegenwind in seiner Fraktion. Und die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, hat erst vor einigen Wochen gegenüber DAZ.online erklärt, dass sich im Versandhandelskonflikt nun schnell etwas bewegen solle. Maag forderte, dass man das Rx-Boni-Verbot notfalls auch ohne Zustimmung aus Brüssel ins Parlament einbringen solle. Und der CDU-Gesundheitspolitiker Georg Kippels hatte erklärt, dass man das Rx-Versandverbot wieder einfordern müsse, wenn das Rx-Boni-Verbot in Europa nicht durchsetzbar sei.

Auch in der SPD hat es in dieser Legislaturperiode erstmals positive Signale zum Rx-Versandverbot gegeben. In den vergangenen Wahlperiode hatte sich die SPD-Fraktion vehement gegen das Verbot gestemmt. Im DAZ.online-Geschichtentaxi erklärte Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, allerdings, dass sie aus Gründen der Vertragstreue einen Gesetzentwurf zum Rx-Versandverbot mittragen würde.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Gleiches mit Gleichem

von Justitia am 03.06.2020 um 19:14 Uhr

Ganz ehrlich, ich verstehe die ganze Diskussion um das RxVersandverbot nicht. Es ist politisch nicht gewollt und wird also auch nicht kommen.
Aber warum schauen wir nicht mal nach vorne und sagen den Versandhändlern aus NL den Kampf an? Es gab doch bereits mal das Modell „Vorteil 24“ von der LINDA. Kam bei den Kunden super an und hat im Endeffekt den Rabatt aus Mehrwertsteuervorteilen fair zwischen Apotheken und Kunden aufgeteilt. Warum fängt unsere Vertretung nicht mal an, auf Angriff zu schalten. Jede deutsche Apotheke wird Pick-Up-Station einer holländischen Apotheke (Selbstverständlich im Sinne der deutschen Apothekerschaft geführt). Die Vor-Ort-Apotheke kassiert eine Beratungspauschale von der holländischen Apotheke und der Kunde bekommt anteilig vom Rx-Wert einen Coupon für das freiverkäufliche Sortiment.
Ich garantiere, dass wir in einem Jahr das RxVersandverbot haben, da der deutsche Staat Milliarden von Mehrwertsteuer verlieren wird (geht ja zu großen Teil nach Holland) oder/und die holländische Apotheke stellen ihren Versand nach Deutschland ein, da sie schlechter in der Beratung und auch noch langsamer sein werden.
Also liebe Kollegen, nicht weiter jammern, sondern packen wir es an!
Alle sind herzlich dazu eingeladen bei den entsprechenden Stellen in diese Richtung mal Druck zu machen!

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TI als Lösung?

von Beobachter am 03.06.2020 um 16:23 Uhr

Wir haben heute den Bescheid von der LAK bekommen, dass wir den HBA nun beantragen können. Das haben wir auch gleich gemacht.
Auf der Rückseite steht: "...den HBA können Sie in ganz Deutschland nutzen, solange Sie Mitglied der LAK und ...Approbation sind."
Die EU-Versandhäuser oder Verter solcher sind KEIN Mitglied irgendeiner LAK.
Wenn dem so wäre, dann müssten sie sich an die jeweiligen Vorschriften halten. Tun sie aber nicht. Selbst wenn einer von denen einen HBA bekäme, dann muss er/sie der Inhaber der Firma sein. Denn "Apotheken" können nur von einem persönlich haftenden Apotheker geführt werden. All das liegt hier nicht vor.
Folge ist: Die EU-Versandhäuser bekommen keinen HBA und somit keine TI und damit kein E-Rezept. Fertig!
Sollte irgendein Politiker hier Sonderregelungen erwirken wollen, dann zieht das eine Welle an Klagen nach sich und es wird denjenigen auf die Füße fallen.
Und Jens Spahn's Kumpel Müller ist nicht nicht mehr dabei. Also warum sollte er?

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Tausche RxVV gegen ... ein paar Mrd. ohne weitere Auflagen und vorgegebene Mittelverwendung mit Aussicht auf Erlass der Rückzahlung ...

von Christian Timme am 03.06.2020 um 15:27 Uhr

Also diese Entscheidung aus Karlsruhe war ja schon ganz nett ... aber so ein paar Nullen links vom EU-Kom(m)a ... von dem neuen Coronaöl könnten gerade im Moment "enorm" helfen ...

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Rx-Versandverbot?

von Roland Mückschel am 03.06.2020 um 15:15 Uhr

Lebt leider in der Standespolitik und der Mehrzahl der
Apotheken nicht mehr.
Wirklich dagegen sind nur die Apotheken die wissen oder
vermuten dass sie die Bestimmung als Beute ereilen wird.
Das sind nur eine Minderheit. Und ein spezieller Teil hofft
dass das Schicksalsrad sie nach oben bringen wird.

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