Studie zu Transmissionsketten

Wie verlief der erste Corona-Ausbruch in Bayern?

Düsseldorf - 25.05.2020, 09:00 Uhr

In der Firma Webasto in Bayern gab es im Januar dieses Jahres den ersten Ausbruch des Coronavirus. Jetzt haben Forscher die Infektionswege analysiert. (c / Foto: imago images / Overstreet)

In der Firma Webasto in Bayern gab es im Januar dieses Jahres den ersten Ausbruch des Coronavirus. Jetzt haben Forscher die Infektionswege analysiert. (c / Foto: imago images / Overstreet)


Im Januar 2020 gab es den ersten, noch begrenzten Ausbruch des SARS-CoV-2 außerhalb Asiens in Bayern. Forscher um Merle Böhmer vom Bayrischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit haben die insgesamt 17 Fälle, deren Transmissionsketten und Verläufe genau analysiert und Schlussfolgerungen für die gesamte Pandemie daraus gezogen.

Anfang des Jahres 2020 schien der neue Erreger SARS-CoV-2 zwar besorgniserregend – aber in China weit entfernt. Die Nachrichtenlage dazu war zum Teil noch dünn, wie gefährlich das Virus sich noch erweisen sollte, war noch nicht abzusehen – manche sprachen von einer lediglich „kleinen Grippe“.

Im Januar 2020 schließlich brach das Virus aus Asien aus und kam in Europa an. Am 27. Januar kam die Information über den ersten Fall von COVID-19 in Deutschland an, beim Bayrischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Mit strikten Quarantäne-Maßnahmen für die Betroffenen, der konsequenten Rückverfolgung der Ansteckungskette und dementsprechender Quarantäne für alle Kontaktpersonen gelang es zu dem Zeitpunkt, den Ausbruch auf insgesamt, inklusive dem Initialfall, auf 17 zu begrenzen.

Die Forscher des Landesamtes starteten zeitgleich in Kooperation mit dem Robert Koch-Institut (RKI) und der Charité in Berlin die genaue Untersuchung und Dokumentation dieses Ausbruchs. Dessen Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler um Merle Böhmer und Durdica Marosevic vom Bayrischen Landesamt, Udo Buchholz vom RKI und Victor Corman von der Charité  jetzt im renommierten Fachmagazin The Lancet.

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Transmissionskette vollständig nachvollziehbar

Das Bayrische Cluster sei durch sein Auftreten im Umfeld einer Firma in der Nähe von München sehr gut analysierbar gewesen, schreiben die Forscher. Patientin Null war eine chinesische Mitarbeiterin eines Automobilzulieferers, die am 19. Januar per Flugzeug aus Shanghai nach München kam, um in dem Unternehmen Workshops anzuleiten und an Meetings teilzunehmen. Wie sich aus den Untersuchungen zeigte, hatte sie einige Tage zuvor, am 16. Januar, Besuch von ihren Eltern bekommen, die in Wuhan leben. Beide zeigten da Erkältungssymptome. Die Chinesin habe, so schreiben die Forscher in ihrer Untersuchung, am Anreisetag Rücken- und Brustschmerzen gehabt und ein Mittel mit Paracetamol dagegen genommen. Ihre Müdigkeit während des gesamten Aufenthalts in Deutschland schreib sie dem Jetlag zu. Damit startete die Infektionskette des bayrischen Clusters.

Die Forscher hätten anhand von elektronischen Terminkalendern und auf Basis von Interviews mit den nachgewiesenen COVID-19-Patienten dieses Clusters genau nachhalten können, wer sich wann, wo und bei wem mit dem Coronavirus ansteckte.

Dazu untersuchten die Wissenschaftler die Rachen- und Nasenabstriche und konnten auf molekularbiologischer Ebene anhand von Mutationen im Virusgenom die Transmissionskette auch auf dieser Ebene nachvollziehen.

Insgesamt hatten alle 16 Folgepatienten eher milde Symptome. Betroffen waren vier Frauen und zwölf Männer, das Durchschnittsalter betrug 35 Jahre. Zehn der Folgepatienten waren Angestellte der Firma und steckten sich dort an, sechs weitere waren Haushaltsmitglieder der Infizierten.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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