BPhD-Umfrage

So steht es um die mentale Gesundheit von Pharmaziestudierenden

Berlin - 22.05.2020, 15:14 Uhr

Vor allem die hohe Stoffdichte im Studium wird von vielen Pharmazeuten als Stressfaktor empfunden. (Foto: imago images/Action Pictures)

Vor allem die hohe Stoffdichte im Studium wird von vielen Pharmazeuten als Stressfaktor empfunden. (Foto: imago images/Action Pictures)


Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) wollte wissen, wie mental belastet Studierende der Pharmazie sowie Pharmazeuten im Praktikum hierzulande sind. Jetzt liegen die Ergebnisse der beiden Umfragen vor.

Das Pharmaziestudium ist herausfordernd, keine Frage. Und auch im Praktischen Jahr (PJ) stehen angehende Apotheker vor für sie völlig neuen Problemen. Was macht das mit der mentalen Gesundheit der Pharmazeuten? Das wollte der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) herausfinden. Denn: „Mentale Gesundheit ist ein wesentlicher Faktor für effektives und nachhaltiges Lernen“, unterstreicht der Verband in einer Mitteilung.

Bei der Umfrage zum Pharmaziestudium hat mit 3.869 Teilnehmern fast jeder dritte Pharmaziestudierende in der Bundesrepublik (29,8 %) plus 190 Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) mitgemacht. An der Umfrage zum PJ beteiligten sich 355 PhiP. „Anhand der Ergebnisse können die aktuelle Lage unter den Studierenden und PhiP bewertet und Stressfaktoren ermittelt werden“, schreibt der BPhD. Ziel ist es demnach, Methoden zur Förderung der mentalen Gesundheit zu entwickeln und Stress zu reduzieren.

Das Studium: Zeit ist Mangelware

Das Pharmaziestudium wird den Umfrageergebnissen zufolge von 94 Prozent der Studierenden als stressig empfunden. Stressfaktoren haben oft einen direkten Bezug zum Studium und seinen Inhalten: Als sehr stressig oder stressig empfinden die Umfrageteilnehmer den Stoffumfang (etwa 87 Prozent), die mangelnde zeitliche Vereinbarkeit von Studium und Freizeit (83 Prozent), das Anforderungsniveau der Veranstaltungen (63 Prozent), eine unausgewogene Verteilung der Anforderung an die Studierenden über das Semester (57 Prozent) sowie unvollständige und unzureichende Materialien (50 Prozent). Besonders bedenklich: Etwa ein Achtel der Befragten (475 Studierende, rund 12,5 Prozent) leidet nach eigener Aussage an einer studienbedingten psychischen Erkrankung.

Nur wenige empfehlen ihr Studium uneingeschränkt weiter

Das hohe Stresslevel bleibt nicht ohne Folgen: Lediglich 8 Prozent der Studierenden empfehlen das Studium weiter. Rund zwei Drittel (66,3 Prozent) gaben an, dass sie das Studium nur jemandem mit großem Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern empfehlen würden. Jeder Fünfte (20 Prozent) würde niemandem dazu raten, sich für ein Pharmaziestudium zu entscheiden. Der Anteil der Studierenden, der das Fach Pharmazie nicht weiterempfehlen würde, steigt mit der Studiendauer an und liegt im achten Semester bereits bei 35 Prozent. Das bereitet dem BPhD mit Blick auf den ohnehin schon raren Apothekernachwuchs große Sorge. „Der BPhD fordert bereits seit einigen Jahren eine Verlängerung und Entzerrung des Studiums“, betont der Verband.

Diese Forderung gründet sich auf den Ergebnissen der Umfrage „Zukunft des Pharmaziestudiums” vom Februar 2016 und fand Ausdruck im „Thesenpapier zur Bewertung und Überarbeitung der Approbationsordnung und Verbesserung des Pharmaziestudiums” vom November 2016, heißt es. „Die aktuellen Umfrageergebnisse verleihen dieser Forderung noch einmal Nachdruck.“

Das Praktische Jahr: finanzielle Sorgen dominieren

Pharmazeuten im Praktikum bewerten vor allem ihre finanzielle Situation als stressig. Die Höhe der Ausbildungsvergütung variiert dabei recht stark: Einige PhiP gaben an, weniger als 800 Euro brutto zu erhalten, während andere mehr als 1.500 Euro brutto verdienen. „Besonders in Ballungsräumen ist diese Vergütung zum Bestreiten der Lebenshaltungskosten nicht ausreichend“, betont der BPhD. Zusätzlich empfinden die PhiP die Vergütung vor dem Hintergrund des Wissensstands aus ihrer bisherigen Ausbildung als nicht angemessen (rund 70 Prozent).

In der öffentlichen Apotheke verdienen den Umfrageergebnissen zufolge die meisten Pharmazeuten im Praktikum zwischen 900 und 1.000 Euro. In dieser Spanne liegt auch die Ausbildungsvergütung nach Tarifvertrag, aktuell sind das 947 Euro brutto (Stand: Mai 2020). Mit zuvor abgeschlossener Ausbildung verdient rund ein Viertel mehr als 1.500 Euro brutto.

Regelung zu Krankheitstagen stresst PhiP

Zudem nannten viele Teilnehmer auch die Regelung zu den Krankheitstagen als Stressfaktor (45 Prozent). Nach der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) werden Unterbrechungen bis zur Zahl der gewährten Urlaubstagen im Bundesrahmentarifvertrag der ADEXA von diesen abgezogen. Wie mit darüberhinausgehenden Unterbrechungen verfahren wird, obliegt den Arbeitgebern. „Entsprechend zeigt sich ein Flickenteppich an Lösungen für diese Situation: Zum Teil müssen die Stunden nachgearbeitet werden oder die Urlaubstage werden gekürzt“, moniert der BPhD. Einige Vorgesetzte seien dagegen kulant und ließen Krankheitstage zu, ohne dass ein Nacharbeiten erforderlich sei.

„Auch die aktuelle epidemische Lage zeigt, dass diese Regelung zu starr ist“, schreibt der BPhD. Wird ein PhiP unter eine behördlich angeordnete Quarantäne gestellt oder wechselt die Apotheke zur Sicherstellung der Versorgung in den Schichtbetrieb, könne dies dazu führen, dass kaum Tage für einen Erholungsurlaub bereitstehen. „Zudem muss in dieser Zeit auch die Vorbereitung auf den Dritten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung erfolgen“, erinnern die Studierenden. Überdies stelle der Praxisbegleitende Unterricht (PBU) für viele aufgrund der damit verbundenen Kosten für Anreise und Unterkunft eine zusätzliche Belastung dar. Weitere Stressfaktoren im PJ sind unter anderem die Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit (63 Prozent), das neue Arbeitsumfeld (44 Prozent), der Kontakt zu Patienten (40 Prozent) sowie das Anforderungsniveau der Tätigkeiten (38 Prozent).

Fazit: Studium entzerren, Methoden zur Stressbewältigung lehren

Im November 2019 beauftragte die Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK) die Standespolitik damit, auf eine Novellierung der Approbationsordnung hinzuwirken. „Eine Entzerrung des Studiums hat in den „Thesen zur Ausbildung des Apothekers“ der BAK keine Erwähnung gefunden, ist aber aus Sicht der Studierenden zwingend notwendig“, mahnt der BPhD. Als Folge der ständig neuen Erkenntnisse und Therapiemöglichkeiten nehme die Stoffdichte im Studium immer weiter zu. 

„Viele Studierende fühlen sich einerseits mit der Stoffmenge überfordert und vermissen andererseits tiefergreifende selbstständige Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten. Durch die zeitliche Entlastung würden hierfür Freiräume geschaffen, die sich sowohl positiv auf den Wissensstand und die Fähigkeiten als auch auf die mentale Gesundheit der Absolvierenden auswirken können.“

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Im Praktischen Jahr zeigen die Umfrageergebnisse als wesentliche Stressoren die Ausbildungsvergütung und die Regelung zu den Fehltagen. „Hier bedarf es einer Anpassung und Flexibilisierung der Ausbildungssituation, die im Zuge der Novellierung der Approbationsordnung Einzug halten muss“, fordern die Studierenden. Methoden zur Stressbewältigung sollten aus ihrer Sicht Teil der Einführungsveranstaltungen an allen Pharmaziestandorten werden.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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