Neuer Apothekentarif

Passgenauere Vergütung der Apothekerleistungen in der Schweiz

Remagen - 18.05.2020, 12:15 Uhr

Für Schweizer Apotheker gibt es nach einer Einigung zwischen Pharmasuisse und dem Versicherungsanbieter Curafutura ein neues Vergütungsmodell. (s / Foto: imago images / Geisser)

Für Schweizer Apotheker gibt es nach einer Einigung zwischen Pharmasuisse und dem Versicherungsanbieter Curafutura ein neues Vergütungsmodell. (s / Foto: imago images / Geisser)


Der Schweizer Apothekerverband Pharmasuisse und der Verband der innovativen Krankenversicherer Curafutura haben einen neuen Apothekentarif für ihre Vergütung durch die Krankenversicherung auf den Weg gebracht. Mit ihrem Modell wollen sie die Beratungsleistungen konsequenter nach dem Verursacherprinzip abbilden und die Vergütung der dadurch bedingten Personalkosten aus der Vertriebsmarge herauslösen. Damit sollen die Arzneimittelkosten spürbar gesenkt werden.

In der Schweiz werden spezielle Leistungen der Apotheken innerhalb der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) durch den Apothekentarif, die Leistungsorientierte Abgeltung (LOA) vergütet. Für diesen Tarif haben der Apothekerverband Pharmasuisse und der Verband der innovativen Krankenversicherer Curafutura ein neues Modell entwickelt und dieses beim Bundesrat zur Genehmigung eingereicht

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Auf der Basis der derzeit geltenden LOA IV/1 fließen die Personalkosten der Apotheken für die Erbringung der pharmazeutischen Leistungen in die Vertriebsmarge ein. Sie sollen nun dort herausgenommen und in den neuen Apothekentarif LOA V verschoben werden. Die Vertriebsmarge soll in Zukunft nur noch die effektiven Logistikkosten der Arzneimittel abgelten.

Was ändert sich mit dem neuen Modell?

Die wichtigste Neuerung im neuen Apothekentarif ist das Verursacherprinzip. Hiernach soll die Vergütung besser auf die individuellen Betreuungs- und Beratungsbedürfnisse der Kunden abgestimmt und spezifischer errechnet werden können. Das Tarifmodell ist baukastenartig aufgebaut: Die LOA V besteht nicht mehr aus fixen Pauschalen. Die Leistung addiert sich stattdessen aus den unterschiedlichen Anforderungen aufgrund Patiententyp, Art des Rezepts sowie Erklärungsbedarf des Medikaments. Anforderungen sind zum Beispiel „neuer Patient“ oder „neues oder bestehendes Medikament der Abgabekategorie A oder B der Spezialitätenliste“. Die individuelle Berechnung der LOA-Gebühr soll damit auf dem tatsächlich erbrachten Betreuungsaufwand beruhen und zu einem gerechteren Tarif und einer besseren Akzeptanz bei den Patienten führen.

Wie beim Maler und in der Autowerkstatt

In einer Pressmitteilung vergleichen Pharmasuisse und Curafutura ihren neuen Vergütungsansatz mit der Bezahlung von Handwerkerleistungen. Beim Maler oder in der Autowerkstatt würde schließlich auch das Produkt (z.B. Farbe oder Pneu) und die Fachleistung (z.B. Streichen der Wände oder Aufziehen der Pneus) separat berechnet. Nun würden auch bei der Apothekenvergütung erbrachte pharmazeutische Leistungen und Produkte im Rahmen der LOA V getrennt und transparent ausgewiesen.

Umstrukturierung des Vertriebsanteils

Neben der Revision der LOA wollen die Tarifpartner auch eine Umstrukturierung des Vertriebsanteils bei rezept-und kassenpflichtigen Arzneimitteln vornehmen, um die Abhängigkeit der Vergütung von Preisen und Mengen weiter zu reduzieren. Aktuell besteht dieser aus einem preisbezogenen Zuschlag auf den Fabrikabgabepreis (degressiv gestaffelte Marge von zwölf, sieben oder null Prozent) und einem Fixzuschlag je Packung (nach sechs Preisklassen zwischen vier und 240 Franken). Anstelle der bisherigen degressiven Spanne für den Fixzuschlag bringen Pharmasuisse und Curafutura einen einheitlichen Zuschlag von 9,45 Franken ins Spiel. Der flexible Teil der Vertriebsmarge für verschreibungspflichtige Arzneimittel soll auf 3 Prozent des Fabrikabgabepreises gesenkt und die Marge auf maximal 300 Franken begrenzt werden. 

Keine Quersubventionierung mehr

Unter dem Strich soll die Umschichtung zur Entlastung des Gesundheitswesens führen, weil dadurch der Anreiz gemindert wird, teurere Medikamente abzugeben. Außerdem soll das Reformpaket auch die Abgabe günstiger Generika fördern. Pharmasuisse und Curafutura rechnen ab Einführung der neuen Lösung mit einem Sparpotenzial von mehreren Hundert Millionen Franken. Mit der Marge hätten die Kosten bei den Tiefpreismedikamenten in der Vergangenheit nicht gedeckt werden können, wird als Begründung für den neuen Ansatz weiter ausgeführt. Sie hätten deswegen durch die teureren Medikamente quersubventioniert werden müssen. Damit soll nun Schluss sein. Die Protagonisten sprechen von einer „kostendämpfenden Umverteilung im Sinne der Kostenwahrheit“. Die günstigsten Medikamente würden sich dadurch preislich zwar etwas nach oben bewegen, aber Patienten mit hochpreisigen Medikamenten würden nicht mehr durch die Quersubventionierung bestraft.

Günstige Medikamente könnten sich massiv verteuern

Die Luzerner Zeitung sieht das nicht ganz so. Sie befürchtet, dass günstige Medikamente dadurch massiv teurer werden und bringt ein paar Zahlenbeispiele. So würde etwa eine 16er-Packung des bekannten Schmerzmittels Dafalgan 12,50 Franken kosten, statt wie heute 7,20 Franken, rechnet die Zeitung vor. Das entspreche einem Aufschlag von 73 Prozent. Der Preis des Asthma-Inhalators Ventolin würde von 8,75 auf 13,95 Franken steigen (+59 Prozent). Dagegen wäre der Cholesterinsenker Crestor mit 104,95 Franken um rund 15 Franken günstiger zu haben. Der Systemwechsel brächte also gerade für chronisch Kranke mit teuren Medikamenten eine Entlastung.

Nun ist der Bundesrat für die Genehmigung des neuen Apothekertarif am Zug. Zu der Umgestaltung der Vertriebsmarge hatte dieser im Herbst 2018 selbst zwei Vorschläge vorgelegt, die allerdings bei den Stakeholdern durchfielen. Eine Entscheidung nach diesem Stellungnahmeverfahren liegt bislang nicht vor. Schon damals hatten Curafutura und Pharmasuisse ihr alternatives Abgeltungsmodell auf den Tisch gelegt und wollen dieses nun offenbar in trockene Tücher bringen. Ob der Bundesrat jetzt auf das Modell umschwenkt, sei offen, schreibt die Luzerner Zeitung.

Die beiden Verträge zum aktuelle Apothekentarif (LOA IV/1), die am 1. Januar 2016 in Kraft traten, gelten noch bis zum 31. Dezember 2021. Die Verbände wollen sowohl LOA V als auch ihre Vorschläge zur Gestaltung der Vertriebsmarge aber Anfang nächsten Jahres in Kraft gesetzt sehen. Der neue Apothekertarif macht nach Ansicht von curafutura-Direktor Pius Zängerle nur als Gesamtpaket einen Sinn.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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