RKI-Vize Schaade zur Ausbreitung des Coronavirus

Warum steigt die Reproduktionszahl?

Berlin - 12.05.2020, 14:00 Uhr

Professor Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts, informierte in einem Pressebriefing zu den aktuellen Entwicklungen bei der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus. (s / Foto: Imago/snapshot)

Professor Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts, informierte in einem Pressebriefing zu den aktuellen Entwicklungen bei der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus. (s / Foto: Imago/snapshot)


Die Modellrechnung

Der Reproduktionszahl R liegt eine komplexe Modellrechnung zugrunde, die das RKI im Epidemiologischen Bulletin vom 23. April 2020 beschreibt. Demnach lässt sich mithilfe des sogenannten Nowcastings R unter Berücksichtigung des Diagnose-, Melde- und Übermittlungsverzugs abschätzen. Dabei bestimmen die Experten zunächst ein Zeitintervall, das als Generationenzeit bezeichnet wird. Basierend auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft gehen sie davon aus, dass zwischen Ansteckung und dem Auftreten erster Symptome im Schnitt fünf Tage vergehen. Infizierte sind aber wohl bereits zwei Tage vor Krankheitsbeginn ansteckend, sie können also drei Tage, nachdem sie sich das Virus eingefangen haben, andere infizieren.

Die Generationenzeit bezieht sich auf die mittlere Zeitspanne von der Infektion einer Person bis zur Infektion der von ihr angesteckten Folgefälle. Für SARS-CoV-2 schätzt das RKI diese Zeitspanne „auf etwa vier Tage, weil die Infektiosität zu Beginn der Infektion besonders hoch ist und sich die infizierte Person vor dem Symptombeginn nicht darüber bewusst ist, dass sie bereits andere anstecken kann“.

Generationenzahl kann schwanken

Die Generationszeit sei jedoch keine stabile Eigenschaft des Erregers, betonen die Forscher. Ebenso wie die Reproduktionszahl hängt sie laut RKI von verschiedenen Faktoren ab und kann sich über die Zeit verändern. „Zum Beispiel führen Maßnahmen zur Isolation von bestätigten Fällen und Quarantäne von Kontaktpersonen nicht nur zu einer Verringerung der Anzahl von Folgefällen, sondern auch zu einer Verkürzung der Generationszeit, weil die wenigen Ansteckungen direkt am Anfang der Infektion passieren.“

Unter der Annahme, dass die Generationenzeit aktuell konstant ist, ergibt sich die Reproduktionszahl R aus dem Quotienten der Zahl der Neuerkrankungen zweier aufeinander folgenden Zeitabschnitte von jeweils vier Tagen. Sind im zweiten Zeitabschnitt mehr Menschen erkrankt als im ersten, resultiert daraus eine Reproduktionszahl größer als 1. Der so ermittelte Wert R wird dem letzten der betrachteten acht Tage zugeordnet. Da für diese Rechnung der Beginn der Symptome herangezogen wird, muss für das entsprechende Infektionsgeschehen noch die Inkubationszeit von fünf Tagen berücksichtigt werden, sodass der R-Wert grob die Situation von vor eineinhalb Wochen widerspiegelt.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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