Erste Handlungsempfehlungen

COVID-19 und die Blutgerinnung

Stuttgart - 12.05.2020, 17:45 Uhr

Der Präsident des Robert Koch-Instituts sagte kürzlich in einem Interview, man wisse seit wenigen Wochen, dass das Coronavirus bei vielen Menschen Embolien und Thrombosen auslöse. (s / Foto: imago images / Science Photo Library)

Der Präsident des Robert Koch-Instituts sagte kürzlich in einem Interview, man wisse seit wenigen Wochen, dass das Coronavirus bei vielen Menschen Embolien und Thrombosen auslöse. (s / Foto: imago images / Science Photo Library)


Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie wurde COVID-19 vor allem als eine Infektion der Lunge beschrieben. Dass dem Herz-Kreislauf-System eine besondere Rolle bei der Erkrankung zukommt, wurde aber auch schnell deutlich. So gelten besonders Herzkranke als Risikopatienten. Doch nach und nach zeichnet sich ab, dass COVID-19 mehr sein könnte als eine Lungeninfektion. Immer häufiger wird von Gefäßentzündungen berichtet und auch die Blutgerinnung rückt nun in den Fokus. 

Vergangenen Freitag titelte die Deutsche Presse-Agentur (dpa): „Experten: Auch hinter Schlaganfällen könnte Corona stecken“. Zum Tag gegen den Schlaganfall am vergangenen Sonntag teilte die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) mit, dass dies insbesondere für schwere Corona-Verläufe gelte. Der Facharzt für Neurologie und DSG-Sprecher Wolf-Rüdiger Schäbitz erklärte, da bei einer schweren Infektion oft auch das Blutgerinnungssystem beeinflusst werde, könne der Erreger SARS-CoV-2 die Entstehung von Schlaganfällen begünstigen. Durch das Virus könnten zudem Entzündungen in den Arterien hervorgerufen werden, welche als mögliche Auslöser für Hirninfarkte gelten.

Generell sei die Datenlage zu COVID-19 und den neurologischen Folgen allerdings „noch recht dünn“, weitere Untersuchungen seien unbedingt nötig. Die Deutsche Schlaganfall-Hilfe geht von Einzelfällen aus. Die Schlaganfall-Gesellschaft wies auch auf einen Zusammenhang von Vorerkrankungen und Schlaganfallrisiko hin: Unter den Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen seien häufig vorerkrankte Menschen, etwa mit Diabetes mellitus oder hohem Blutdruck. Dadurch sei ihr Schlaganfall-Risiko von vornherein stark erhöht, erklärte Schäbitz. 

Die Fachgesellschaft appellierte, sich bei Anzeichen eines Schlaganfalls wie Lähmungserscheinungen und Sprachstörungen sofort in Behandlung zu begeben. Wer zögert, riskiere im schlimmsten Fall sein Leben.

Lungenembolie oft Todesursache bei Corona-Patienten

Doch die Indizien häufen sich, dass man Komplikationen rund um die Blutgerinnung im Zusammenhang mit COVID-19 genauer untersuchen sollte. Auch der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Professor Lothar Wieler, sagte kürzlich in einem Interview, man wisse seit wenigen Wochen, dass das Virus bei vielen Menschen Embolien und Thrombosen auslöse. Es gebe wahrscheinlich Todesfälle von Infizierten, die als Schlaganfälle oder Lungenembolie erkannt würden, aber nicht mit SARS-CoV-2 in Zusammenhang gebracht würden. Deshalb seien Obduktionen wichtig. Zunehmend zeige sich, dass das Virus nicht nur Atemwege und Lunge betrifft. Wieler sagte, es sei „erstaunlich und auch ein bisschen erschreckend“, wie viele Organe das Virus in schweren Fällen zu befallen scheine.

So meldete das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) am vergangenen Freitag, dass das neuartige Coronavirus nach einer Studie seines Instituts für Rechtsmedizin bei ungewöhnlich vielen Erkrankten zu Thrombosen und letztlich zu tödlichen Lungenembolien führe. So seien bei der Obduktion von zwölf an der neuartigen Lungenkrankheit gestorbenen Menschen in sieben Fällen Thrombosen und in vier Fällen Lungenembolien festgestellt worden, sagte der Oberarzt des Instituts für Rechtsmedizin, Jan Sperhake. Dieser Befund sei inzwischen durch insgesamt 192 rechtsmedizinische Untersuchungen am UKE bestätigt worden.

„Was uns verblüfft hatte war, dass wir schon nach wenigen Todesfällen doch viele Patienten hatten mit Thrombosen, das heißt Gerinnselbildung in den unteren Extremitäten“, so Sperhake. Dass in die Studie nur vergleichsweise wenig Obduktionen eingingen, sei auch dem Zeitfaktor geschuldet. „Wir hätten auch 20 oder 30 oder 50 oder 100 sagen können (...) aber dann wären wir nicht schnell genug gewesen. So einfach ist das.“



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