Relevante Engpässe laut BfArM

Die Versorgung mit Metformin ist angespannt

Stuttgart - 05.05.2020, 09:00 Uhr

Metformin-Rückrufe aufgrund von Nitrosaminverunreinigungen gab es in Deutschland, anders als in Kanada, bislang keine. (Hier ist ein dänisches Präparat abgebildet.) Doch die Kombination aus der Nitrosamin-Problematik und der Coronavirus-Pandemie sorgt offenbar für eine angespannte ambulante Versorgung. (ch/Foto: imago images / Dean Pictures)

Metformin-Rückrufe aufgrund von Nitrosaminverunreinigungen gab es in Deutschland, anders als in Kanada, bislang keine. (Hier ist ein dänisches Präparat abgebildet.) Doch die Kombination aus der Nitrosamin-Problematik und der Coronavirus-Pandemie sorgt offenbar für eine angespannte ambulante Versorgung. (ch/Foto: imago images / Dean Pictures)


Schon Anfang April wurde deutlich: Arzneimittel könnten während der COVID-19-Pandemie knapp werden. Nach der 15. Sitzung des Jour Fixe zum Thema Liefer- und Versorgungsengpässe am 22. April äußert sich dieser nun zu „relevanten Engpässen“. Im Fokus stünden zwar „weiterhin insbesondere Wirkstoffe, die in der intensivmedizinischen Versorgung benötigt werden“, heißt es in der Kurzinformation. Doch auch im ambulanten Bereich sei die Versorgung „u.a. mit Metformin angespannt“. Was steckt dahinter?

Im Dezember 2019 dürften sich tiefe Sorgenfalten auf den Stirnen vieler Diabetologen in Deutschland abgezeichnet haben: „Spuren einer Verunreinigung, N-Nitrosodimethylamin (NDMA), wurden in einer geringen Anzahl von metforminhaltigen Arzneimitteln außerhalb der Europäischen Union (EU) gefunden“, hieß es damals von Seiten des BfArM. Es drohten umfassende Rückrufe aufgrund von Nitrosaminverunreinigungen – wie zuvor bereits bei Sartanen und Ranitidin geschehen. Doch bei Metformin hätten die Folgen noch schwerwiegender sein können: „Metformin wird häufig allein oder in Kombination mit anderen Medikamenten zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt. Es ist in der Regel die First-Line-Therapie”, erklärte das BfArM und machte auch später im März 2020 deutlich: „Da Metformin als kritisches Medikament gilt, arbeiten die EMA und die nationalen Behörden eng zusammen, um mögliche Versorgungsengpässe zu vermeiden, so dass Patienten weiterhin die benötigten Behandlungen erhalten können.“ 

Ein Metformin-Engpass könnte sich nämlich kritischer auf die Gesundheit der Patienten auswirken, als eine potenzielle NDMA-Verunreinigung: „Im Einklang mit vorherigen Empfehlungen, sollen Patienten ihre metforminhaltigen Arzneimittel weiterhin wie gewohnt einnehmen. Das Risiko einer unzureichenden Behandlung eines Diabetes überwiegt bei weitem die möglichen Risiken, die sich aus der Aufnahme geringer Nitrosamin-Konzentrationen ergeben.“

Kombination aus Nitrosamin-Problematik und Corona-Pandemie 

Nun kommt das BfArM offenbar dennoch zu dem Schluss, dass im ambulanten Bereich die Versorgung „unter anderem mit Metformin angespannt“ ist. DAZ.online hat bei der laut Lieferengpassliste betroffenen Firma Zentiva nachgefragt, was hinter den Versorgungsproblemen steckt. Laut der Lieferengpassliste zu Metformin von Zentiva kommt es nämlich zu einer unterbrochenen Lieferkette infolge von COVID-19. Doch das allein hat laut Zentiva noch nicht zum Lieferengpass geführt: 


In der Tat ist die Liefersituation mit Metformin angespannt. Dies hat jedoch nicht primär mit COVID-19 zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass sämtliche Chargen von uns nochmals in einem externen Labor auf Nitrosaminverunreinigungen geprüft werden. Erst nach Auswertung der Ergebnisse werden die Chargen entsprechend freigesetzt, was leider zu einer deutlichen Verzögerung und zur o.g. angespannten Liefersituation führt. Tatsächlich ist es uns durch COVID-19 nicht möglich, die Testkapazitäten kurzfristig zu erhöhen.“ 

General Manager, Zentiva Pharma GmbH


Man arbeite jedoch intensiv mit dem Labor daran, die Prozesse zu beschleunigen und – sofern möglich – die Testkapazitäten zu erhöhen, schreibt Zentiva an DAZ.online.

Könnte diese angespannte Liefersituation nun, gemeinsam mit den grundsätzlichen Problemen der Corona-Pandemie, die Diabetesversorgung gefährden?

Diabetesversorgung durch Corona-Pandemie gefährdet?

Laut Robert Koch-Institut (RKI), „Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf“ (Stand: 23.3.2020) scheinen verschiedene Grunderkrankungen wie Herzkreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber und der Niere sowie Krebserkrankungen unabhängig vom Alter das Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf zu erhöhen. 

Diese pauschale Aussage kritisiert aktuell die DDG (Deutsche Diabetes Gesellschaft) in einer Mitteilung. Menschen mit Diabetes seien nicht grundsätzlich COVID-19-Risikopatienten. Die DDG warnt vor „Stigmatisierung“ von Bevölkerungsgruppen während der Corona-Pandemie. Menschen mit einem gut eingestellten Diabetes mellitus erkranken demnach nicht häufiger an COVID-19 als die Durchschnittsbevölkerung. Allerdings gebe es Hinweise darauf, dass der Krankheitsverlauf bei dieser Patientengruppe schwerer sein kann, doch die meisten an COVID-19 Verstorbenen mit Diabetes sollen hochbetagt gewesen sein und weitere Erkrankungen gehabt haben. 

Drohende Unterversorgung

Gleichzeitig scheint die Diabetesversorgung durch die Corona-Pandemie gefährdet. Am 20. April warnte die DDG vor drohender Unterversorgung von chronisch und akut Erkrankten. Insbesondere Menschen mit schlecht eingestelltem Diabetes und Diabetesfolgeerkrankungen wie Herzkreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Nierenerkrankungen, Polyneuropathie und Gefäßerkrankungen hätten bei Infektionskrankheiten einen schwereren Krankheitsverlauf als solche ohne Diabetes. Die richtige Therapie ist also gerade jetzt besonders wichtig. „Damit Menschen mit Diabetes möglichst gut durch die Corona-Pandemie kommen, raten wir dringend zur Einhaltung wichtiger Kontroll- und Behandlungstermine. Andernfalls droht ein schwerer Verlauf bei Infektionserkrankungen wie COVID-19 und auch ein Anstieg an akuten und chronischen Diabeteskomplikationen“, betont DDG Präsidentin Professor Dr. med. Monika Kellerer. 

Die angespannte Versorgung mit Metformin dürfte in dieser Situation also erschwerend hinzukommen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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