Heinsberg-Studie

Jede fünfte Corona-Infektion verläuft ohne Symptome

Berlin - 04.05.2020, 16:00 Uhr

Der Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck und sein Team haben am heutigen Montag die vorläufigen Ergebnisse der sogenannten Heinsberg-Studie vorgelegt. (b/Foto: imago images / Sondermann)

Der Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck und sein Team haben am heutigen Montag die vorläufigen Ergebnisse der sogenannten Heinsberg-Studie vorgelegt. (b/Foto: imago images / Sondermann)


Hohe Dunkelziffer

In Heinsberg waren sieben Menschen an den Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion gestorben. Daraus resultiert laut Streeck und Kollegen eine Sterblichkeitsrate von 0,36 Prozent. Hochgerechnet auf die Bundesrepublik mit inzwischen knapp 6600 Corona-Toten, könnten bereits etwa 1,8 Millionen Menschen bundesweit mit dem Virus in Kontakt gekommen sein – bemerkt oder unbemerkt, vermuten die Autoren. Damit wäre die Dunkelziffer rund zehnmal so groß wie die Zahl der gemeldeten Fälle (rund 162.500, Stand 2. Mai).

„Mit unseren Daten kann nun zum ersten Mal sehr gut geschätzt werden, wie viele Menschen nach einem Ausbruchsereignis infiziert wurden“, kommentiert Studienleiter Streeck die Ergebnisse. Welche Schlüsse aus den Studienergebnissen gezogen werden, hänge jedoch von vielen Faktoren ab, die über eine rein wissenschaftliche Betrachtung hinausgehen, räumt der Virologe ein. „Die Bewertung der Erkenntnisse und die Schlussfolgerungen für konkrete Entscheidungen obliegen der Gesellschaft und der Politik.“

Hier kommen Sie zur vollständigen PDF-Version der Vorab-Veröffentlichung.

Kritik vom Kollegen

Erste Zwischenergebnisse seiner Studie hatte Streeck bereits kurz vor Ostern bekannt gegeben, darunter die Information, dass der Antikörpertest bei rund 15 Prozent der untersuchten Population positiv ausgefallen war. In der Folge entwickelte sich das Gerücht, 15 Prozent der deutschen Bevölkerung sei immun gegen das Virus. Für das Vorgehen, erste Zahlen zu veröffentlichen, ohne ein entsprechendes Manuskript vorzulegen, kritisierte der Berliner Virologe Professor Christian Drosten seinen Kollegen scharf.

In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. April sagt Drosten zwar, die Studie erscheine wissenschaftlich fundiert. Streeck selbst wirft er aber vor, seine Untersuchung möglicherweise gezielt öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt zu haben. „Das hat mit guter wissenschaftlicher Praxis nichts mehr zu tun“, betont Drosten. „Und es zerstört viel von dem ursprünglichen Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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